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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

ihrer Arbeit zu empfangen. Wie schön sie mir in dieser Thätigkeit erschienen, besonders ein älterer Mann und ein älteres Frauenzimmer! Wie gut und liebenswürdig ich sie fand! Wie glücklich fühlte ich mich, sie kennen zu lernen! Einer dieser Menschenfreunde hatte einem Negerweib ein kleines Kapital vorgestreckt, womit sie auf eigene Faust eine Arbeit unternommen hatte, von deren Ertrag sie nicht blos monatlich ihrem Besitzer den Zins der Summe bezahlte, wofür er sie gekauft, sondern sich zugleich die Mittel verschaffte, vier von ihren Kindern aus der Sklaverei loszukaufen; das fünfte befand sich noch darin, aber auch dieses sollte durch den Geldbeitrag eines wohlwollenden Mannes bald befreit werden. Aber was denkst Du von dieser Sklavin, die nichts darnach fragt, selbst in der Sklaverei zu bleiben, wenn sie nur ihre Kinder loskaufen kann? Eine solche Mutter wäre in den Zeiten Athens und Spartas als eine Ehre für die Menschheit gepriesen worden. Aber diese Mutter bleibt eine unbekannte Sklavin. Es ist wahr, daß sie sich in ihrer Stellung wohl befindet und eine Freiheit nicht wünscht, die sie bei ihrem Alter nicht gewinnen könnte, ohne ein sorgenfreies Leben gegen ein mühsameres, wenigstens in Liberien zu vertauschen. „Wenn ich alt werde, so daß ich nicht mehr arbeiten kann,“ sagt sie, „so muß mein Herr für mich sorgen.“ Und so denken viele alte Sclaven und bekümmern sich nichts um eine Freiheit, bei der sie selbst für sich sorgen müßten. Und das ist gut, wenn die Herrschaft gut ist und nicht vor den alten Sklaven stirbt. In letzterem Fall ist ihr Schicksal höchst ungewiß und wird manchmal unter fremden Herrn weit schlimmer, als das Loos von Hausthieren.

Bei meinen Besuchen auf etlichen Pflanzungen sah ich ganz deutlich, daß die Frauen mich mit argwöhnischen Blicken anschauten. Eine dieser Frauen gewann ich nichts destoweniger lieb. Sie schien mir eine frische, schöne

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 423. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/427&oldid=- (Version vom 2.4.2020)