Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band | |
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ihre eigene Kirche zu haben und selbst zu predigen. Ueberdieß geschieht in Georgien viel für die Unterweisung der Negersklaven im Christenthum sowie für ihre Befreiung und Kolonisirung in Liberien auf Afrikas Küste. Und jedes Jahr geht von Savannah ein Schiff dahin mit schwarzen Kolonisten von freigelassenen Sklaven, die mit Lebensmitteln, Geld und Hausgeräthen ausgerüstet werden. Ich habe verschiedene eigenhändige Briefe aus Liberien von den schwarzen Emigranten gesehen, welche von dem guten Verhältniß zeugen, worin sie zum Mutterstaat und zu mehreren Personen daselbst stehen, besonders durch die kirchlichen Bande, die sie vereinigen. Denn jede kirchliche Sekte hier unterstützt ihre Glaubensgenossen in der afrikanischen Kolonie, die übrigens von ihren eigenen schwarzen Beamten und Priestern verwaltet wird.
Jemehr ich von diesem schwarzen Volk sehe, um
so mehr erweckt es meine Neugierde und mein Interesse.
Nicht als ob ich an den Negern etwas Großes
erblickte, etwas das ihnen eine Ueberlegenheit über
weiße Menschenrace gäbe; ich kann mich von dem
Glauben nicht frei machen, daß sie in Bezug auf
intellektuelle Gaben untergeordnet sein und bleiben
werden. Aber sie haben eigene und ungewöhnliche Gaben.
Ihr moralisches Ohr scheint mir rein und fein zu sein
wie ihr musikalisches; ihr Gefühlleben ist stark und
warm, und ihre Gutmüthigkeit und Munterkeit ist offenbar
eine ihnen eigenthümliche Naturgabe oder vielmehr
Gottesgabe. Und wenn sie sich auch nicht als schaffende
Geister originell zeigen, so liegt doch in der Art,
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 410. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/414&oldid=- (Version vom 2.4.2020)