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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

habe und noch lebe und spreche, daran habe ich erkannt, daß das Himmelreich doch nicht so weit von der Erde entfernt ist, wenigstens nicht von der Heimath der Erde; denn wie könnte man sonst mit beinahe ganz fremden Menschen ebenso offen und unverdeckt umgehen, wie man mit Engeln Gottes thun würde?

Auch jetzt schreibe ich aus einer guten, schönen und glücklichen Heimath, drei Generationen umschließend, den alten Mr. Munroe und seine Frau, schöne und noch muntere alte Leute, ihren einzigen Sohn, einen hochgeachteten Banquier in Macon, seine angenehme, milde und mütterliche Frau und ihre Kinder. Die Familie ist ausgezeichnet herzlich, ernst und gottesfürchtig, wie ich die Familien hier zu Lande oft finde, und sie verrichtet ihre Morgen- und Abendandacht, was ich sehr liebe, obschon mir die Gebete manchmal lang genug vorkommen. Die zwei ältesten Töchter sind schöne, allerliebste junge Mädchen und singen besser als gewöhnlich die Frauenzimmer hier zu Lande. Ein stiller Kummer ruht noch auf der Familie, wegen des unlängst erfolgten Todes einer geliebten Schwester und Tochter, deren Verlust besonders das Herz der Mutter tief ergriffen zu haben scheint. Ich wohne hier mitten in einem großen Garten mit vielen schönen, seltenen Pflanzen und ich höre den hundertzüngigen amerikanischen Nachahmungsvogel jeden Morgen vor meinem Fenster singen. Er ist recht lustig anzuhören, aber doch mehr eigenthümlich als entzückend, und er läßt sich mit unsern Lerchen und Nachtigallen so wenig vergleichen, als die singenden Menschenstimmen hier zu Lande sich mit den Stimmen in Schweden vergleichen lassen. Jedes Land und Volk hat seine Eigenthümlichkeiten.

Es gibt im Familienleben hier zu Lande Verschiedenes, was ich bei uns in Schweden allgemein zu sehen wünschte. Dahin gehört die sehr gebräuchliche häusliche Familienandacht Morgens und Abends und das

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/394&oldid=- (Version vom 23.2.2020)