Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band.djvu/382

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

was ich für mich unerreichbarer geglaubt hatte, als für jeden andern Menschen, eine lebendige Bekanntschaft mit den mannigfaltigen Gestalten des Lebens, das war mir jetzt und zwar in ungewöhnlichem Maaße zu Theil geworden. Wanderte ich nicht jetzt frei, — frei wie Wenige sind — in der freien, großen, neuen Welt, frei Alles zu sehen und kennen zu lernen, was ich nur wollte? War ich nicht leicht und alles Zwanges ledig, wie ein Vogel? Meine Seele hatte Schwingen und die ganze Welt war mein! … Just daß ich so allein bin, daß ich so allein unter Gottes Schutz in der großen, weiten Welt umhergehe und mit ihr Gesellschaft mache, just das flößt mir ein unaussprechliches Gefühl von Frische und Freude ein, und daß ich nicht bestimmt weiß, wohin ich gehe und wo ich bei meinen einsamen Wanderungen landen werde, das macht, daß ich mich auf Entdeckungsreisen fühle und daß Alles für mich so ausnehmend frisch und neu ist.

Ich war jedoch dießmal nicht ganz ohne ein bestimmtes Ziel; ich wußte, daß irgendwo außerhalb Macon ein schöner, neuer Begräbnißplatz, genannt Rosenhügelkirchhof, lag, und es steckte mir im Kopf, daß ich ihn finden müßte. Da indeß der Weg, auf dem ich gekommen war, aussah, als könnte er zum — stillen Meere führen, so beschloß ich, mich in einer Wohnung zu erkundigen, die ich auf einem Hügel abseits vom Wege sah. Es war eines jener weißen, wohlgebauten, angenehmen kleinen Holzhäuser (Frame houses) die man in Amerika so oft auf dem Lande zu Gesicht bekommt. Ich klopfte an die Thüre und sie wurde geöffnet, aber von einer Person, die mich beinahe erschreckte; es war ein junges Frauenzimmer, ziemlich schön, aber in einer so abscheulich schlechten Laune, daß es mir wehe that. Sie sah im höchsten Grad verdrießlich und ärgerlich aus und gab mir barsch genug den Bescheid, zu gehen, so weit der Weg

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 378. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/382&oldid=- (Version vom 19.1.2020)