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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

aus dem Zuhörerhaufen auf die Kanzel stieg und aus einem ganz andern Ton zu dem Volke sprach; sein Ton war vertraulich, humoristisch und innig — etwas in Vater Taylors Art (ich hätte ihn hier hören mögen, aber dann wären alle Neger wie verrückt geworden, fürchte ich). Der neue Redner sagte, er sei ein Ausländer (offenbar ein Engländer) und befinde sich nur zufällig in dieser Versammlung. Aber er fühle ein Bedürfniß, sagte er, seinen Freunden zu sagen, wie sehr er sich über das gefreut, was er in der letzten Nacht mit angesehen (er sprach eigentlich zu den Schwarzen) und er wolle ihnen seine Ansicht über Gottes Evangelium, das in der Bibel geoffenbart worden und über das, was es uns von Gott lehre, mittheilen. „Seht ihr jetzt, meine Freunde — so ungefähr lauteten seine Worte — wenn ein Vater sein Testament gemacht hat und die Kinder versammelt sind, um es zu öffnen und den letzten Willen des Vaters zu lesen, dann wissen sie nicht, wie der Vater beschlossen und befohlen hat, und mancher dürfte denken: Vielleicht ist da nichts für mich! vielleicht hat er nicht an mich gedacht! Aber wenn sie jetzt das Testament öffnen und sehen, daß darin etwas für John ist, und etwas für Marie, und etwas für Ben, und etwas für Betsy, und etwas für Jeden und etwas für Alle, und das alle zusammen einen gleichen Theil am Eigenthum des Vaters erhalten haben und daß er gleich zärtlich an sie alle gedacht hat; — dann sehen sie, daß er sie alle gleich geliebt, daß er ihnen allen gleich wohl gewollt hat; — und dann, meine Freunde, wenn wir diese Kinder wären und alle diesen Erbtheil am Vaterhaus erhalten hätten, müßten wir dann nicht alle diesen Vater lieben und seine Liebe verstehen und seine Gebote befolgen?“

„Ja! ja! o ja! herrlich! herrlich! Amen!“ rief die Versammlung mit strahlenden Blicken und sichtbarem Entzücken.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/371&oldid=- (Version vom 19.1.2020)