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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Abends bei Kerzenschein vollzogen. Die Braut war schön wie eine halbausgeschlagene weiße Rose, klein und fein; sie trug ein weißes Kleid, Kranz und Schleier äußerst hübsch. Der Bräutigam, ein großer magerer Herr, sah gut und ehrlich aus, soll sehr reich und in sein Rosenknöspchen gewaltig verschossen sein. Ihre Brautfahrt ist eine Lustreise nach Europa. Nach der Trauung, die würdig und schön von Mr. Gilman vollzogen wurde, ging die Gesellschaft aus den Bänken, um das Brautpaar zu beglückwünschen. Eine alte Negerin saß wie ein Schreckbild finster und schweigsam neben dem Altare. Es war die Amme und Wärterin der Braut, und sie konnte den Gedanken an eine Trennung von derselben nicht ertragen. Diese Trennung soll indeß nur für die Zeit ihrer Reise stattfinden, denn diese dunkeln Wärterinnen werden bis zu ihrem Tod in den weißen Familien mit großer Zärtlichkeit behandelt und verdienen das auch gewöhnlich vermöge ihrer Liebe und Treue.

Du kannst glauben, daß es hier an Gesprächen über die Sclaverei nicht fehlt. Ich veranlasse sie nicht; aber wenn sie, was oft geschieht, über mich kommen, so spreche ich mich so aufrichtig und sanftmüthig wie nur möglich aus. Aber eine Sache, die mich hier in Verwunderung setzt und quält, denn ich hatte sie nicht erwartet, ist der Umstand, daß ich kaum einen Mann oder eine Dame finde, welcher oder welche der Sache offen und ehrlich ins Gesicht schauen will. Man windet und schlängelt sich auf allen Seiten fort, und man bedient sich aller, zuweilen sogar der widerstreitendsten Beweismittel, um mich zu überzeugen, daß die Sclaven die glücklichsten Menschen in der Welt seien und sich keine andere Stellung, kein anderes Verhältniß wünschen können, als worin sie sich jetzt befinden. Dieß ist für Viele und in gewissen Beziehungen auch wahr und dürfte öfter eintreten, als man in den nördlichen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 324. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/328&oldid=- (Version vom 29.12.2019)