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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Dinge, welche bebend sich darin festwurzeln, in einen Zustand, wo sie nicht mehr beben.

Sonntag, den 10ten März.  

Ich komme aus einer presbyterianischen Kirche, wo ich einen jungen Geistlichen aus dem Westen über das „Positive im Christenthum“ predigen hörte: einer der besten improvisirten christlichen Vorträge, die ich in irgend einem Lande vernommen. Der Prediger, Henry Beecher, ist ein junger Mann voll von Leben und Energie, und predigt aus einer Erfahrung des christlichen Lebens, die seinen Worten eine ergreifende Macht verleiht. Dabei scheint er mir ungewöhnlich frei vom Sektengeist, und er hält sich mit Kraft und Klarheit an das gemeinschaftliche Licht und Leben aller christlichen Kirchen. Er ist auch witzig und scheut sich nicht, seine Predigt mit humoristischen Einfällen zu beleben, und mehr als einmal brach in der vollgepropften Kirche ein allgemeines Lachen aus, was nicht verhinderte, daß die Gemeinde bald in der Stimmung war, Freudenthränen der Andacht zu vergießen. Dieß war der Fall bei dem Gebet des jungen Priesters über das Brod und den Wein im Nachtmahl, und Thränen strömten auch über seine Wangen, als er in eine still entzückte Betrachtung über das lichte Mysterium des Nachtmahls, über die in Christi Leib (Fleisch und Blut) neugeborne Menschheit versank. „Wenn wir mit unsern Nebenmenschen oder unsern Freunden zur Communion gehen, so sollten wir diesen Gedanken für uns lebendig machen, wir sollten sie vom Standpunkt der christlichen Verwandlung aus betrachten und denken: Wie schön wird nicht mein Gatte, mein Freund, mein Bruder werden, wenn dieser Fehler oder dieses Gebrechen wegfällt, wenn er durch das göttliche Leben verklärt dasteht!

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 284. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/288&oldid=- (Version vom 29.12.2019)