Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band.djvu/236

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

die Länge nicht ausreichen, um ihnen die öffentliche Bahn des Wetteifers zu erhalten, wenn sie dieselbe nicht durch eigenthümlichen Inhalt einnehmen. An diesem fehlt es in der Wirklichkeit nicht; er liegt den Weibern nahe; ist in ihnen, um sie, wenn sie ihn nur sehen wollen. Aber sie müssen auch sich selbst und das Leben tiefer auffassen. Die Weiber, die in allen Zeitaltern als Priesterinnen des innern Lebens, als Prophetinnen und Dollmetscher des Höchsten und Heiligsten vorangestanden, und als solche bei den Völkern und den Königen Gehör gefunden haben, Deborah, Wala, Sibylla, Egeria (um nur einige der ältesten Typen zu nennen), sie können den Weibern der neuen Welt den Weg zur öffentlichen Macht, zum öffentlichen Einfluß andeuten. Und fühlen sie diese höheren Kräfte nicht in sich, wie weit besser ist es dann, in stiller Zurückgezogenheit zu bleiben! Wie mächtig können sie nicht auch da sein? Welche Macht ist größer als die der Liebe und der vernünftigen Güte? Der Adler und die Taube, so habe ich sagen gehört, sind von allen Vögeln diejenigen, die am Längsten und Schnellsten zu ihrem Ziel fliegen.

Miß Lucy Stones Zuhörerschaft war gutmütig; sie lauschte aufmerksam und applaudirte am Schluß ihrer Rede, aber nicht sehr stark. Man rühmte ihre Leichtigkeit im Sprechen, das Passende ihres ganzen Benehmens, die Klarheit ihres Vortrags. Das war Alles, und mehr konnte es nicht sein, Im Ganzen war es nicht viel.

Mit den Herren, die nach ihr als Redner auftraten, kam mehr Leben und Interesse. Aber sie mißfielen mir durch ihren Mangel an Maßhaltung und Billigkeit, durch die Heftigkeit ihrer Ausrufungen und durch die Art, wie sie auch auf den Gallerien Personen suchten und bezeichneten, die mit ihrer Antisclavereiarbeit nicht einverstanden waren; es verletzte mich, daß ich

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 232. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/236&oldid=- (Version vom 9.9.2019)