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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

wir sind bereits halbwegs New-York. Wir haben beständig guten Wind, und geht es so fort wie bisher, so haben wir eine der schnellsten und glücklichsten Reisen, die noch je von Europa nach Amerika gemacht worden sind. Aber man soll nicht Juchhe rufen, bevor man über dem Bach ist. Da der Wind bläst und das Meer heute etwas stark wogt, so bekommt, fürchte ich, meine Schrift einige Aehnlichkeit mit der Karls XII in seinem Brief an „Mon coeur.“ Ich befinde mich vortrefflich, mein Herzchen, und ich sehne mich gar nicht fort, so comfortabel finde ichs hier, und so belebend und erhebend wirkt der Anblick von Himmel und Meer auf mich. Ja die Seele bekommt davon Flügel und schwingt sich aufwärts, hoch empor über die brausende Tiefe. Seit mehreren Tagen haben wir nichts Anderes gesehen als Himmel und Meer und kreisende Seevögel; kein Segel, keinen Rauch von einem Dunstpfeiler; Alles ist öde in dem großen zirkelrunden Raum. Aber Wogen und Sonnenstrahlen und wandernde Wolken sind Gesellschaft genug; dazu noch eigene Gedanken. Ich stehe und gehe ganze Stunden allein auf dem Verdeck, athme die frische, weiche Seeluft ein, sehe unsern Leviathan in den brausenden Wogen auf- und niedertauchen, und lasse auch meine Gedanken tauchen und gleich Seevögeln in der unbekannten Ferne umherkreisen. Etwas von Wikinger Lust und Leben war immer in mir, und so ist es auch jetzt. Gestern war ein herrlicher Tag, ein Fest der Schönheit durch und durch; ich erlabte mich unaussprechlich daran.

In meiner ersten Jugend, auf Arsta, als wir viele Köpfe stark zu Hause waren und es um die Einsamkeit schlecht stand, schloß ich mich zuweilen in das dunkle kleine Versteck ein, wo Mama ihre Schlüssel hatte, blos um mich einsam zu fühlen; denn so bald ich da ganz allein in dem tiefen Dunkel war, da überkam mich ein wundersames Gefühl, ein Gefühl, wie wenn ich

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/19&oldid=- (Version vom 6.7.2019)