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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

aber recht angenehme Haus, das sie bewohnt, erworben und — wie ich von mehreren Seiten gehört habe — einer Menge Frauenzimmer in Krankheiten und Nöthen ihres Geschlechts Hülfe geleistet. Besonders ist sie den Weibern der größern Arbeiterklasse eine Wohlthäterin gewesen und hat auch für sie Vorlesungen über Physiologie gehalten, die von Hunderten besucht wurden. Sie las mir ihre Vorträge vor, und der erste, den ich hörte, die Einleitung, flößte mir eine so hohe Meinung von der guten Doktorin und ihrem Standpunkt ein, daß ich mich recht herzlich darüber freute und jetzt erst vollkommen einsah, wie wichtig es ist, daß auch Weiber sich an der medizinischen Wissenschaft betheiligen. Ihre Ansicht vom menschlichen Körper und seiner Verpflegung war durch und durch religiös, und wenn sie den Weibern ans Herz legte ihre eigenen und ihrer Kinder Leiber zu verpflegen, so that sie dies, weil die Bestimmung derselben eine hohe ist, weil sie Wohnungen der Seelen und ein Tempel Gottes sind. Es war in Allem ein Ernst und eine Einfachheit, eine Klarheit der Darstellung, eine Richtigkeit und Reinheit, die dem höchsten Stil angehört und auf jedes reine Menschenherz, besonders auf jedes Mutterherz wirken muß. Und wenn man bedenkt, wie wichtig die rechte Verpflegung des Weibes und Kindes für das ganze kommende Geschlecht ist, wie viel dabei auf Diät und eine Wartung ankommt, die dem Gebiet und Blick des Arztes entgeht und die nur das Weib recht zu kennen vermag — wer kann da an der Richtigkeit einer Aerztin zweifeln, bei welcher die Wissenschaft dem natürlichen Scharfblick zu Hülfe kommt, so daß sie befähigt ist die beste Helferin und Rathgeberin für Weiber und Kinder zu werden?

Daß die Weiber einen natürlichen Scharfblick und Talent zum ärztlichen Beruf besitzen, das beweisen zahllose Beispiele aus der Erfahrung aller Zeiten und

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/173&oldid=- (Version vom 9.9.2019)