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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Frieden habe, denn ich bedarf der Ruhe für Seele und Leib, und ich könnte unmöglich mehr Ruhe, Freiheit und Komfort finden, als ich hier habe. Ich war eine Zeit lang nicht ganz wohl; das ewige Umherziehen und Gesellschaftsleben mit seinen unaufhörlichen Anforderungen an die körperlichen und geistigen Kräfte war mir viel zu viel, und ich war nahe daran, Schlaf und Seelengesundheit zu verlieren. Aber Gott sei Dank! beides wird jetzt nach mehrtägiger Ruhe und dem Gebrauch einer Art von Chinadekokt, was mir meine liebe Doctorin gegeben hat, mit Riesenschritten zurückkehren und — „noch lebt Hakon Jarl!“ Aber anders lebt man hier doch als in Europa. Das Klima und die Nahrung sind anders, und ich glaube nicht, daß diese letztere für das Klima paßt.

Der Abschied von Lowells wurde mir schwer. Sie sind unendlich liebenswürdig, und ich liebe sie wahrhaft schwesterlich. Miß Hunt entführte mich mit Gewalt. Ich hatte keine große Lust sie zu besuchen, aber ich habe weit mehr Freude davon gehabt als ich ahnen konnte. Fürs erste war es angenehm, diese ganz eigenthümliche Individualität näher kennen zu lernen. Man kann bessere Manieren, mehr Takt u. s. w. haben, unmöglich aber ein besseres Herz, mehr Wärme für Menschenwohl und im Ganzen mehr praktische Tauglichkeit. Sie ist aus einer Quäckerfamilie, und mit dem bestimmten Willen und der Thatkraft, die dem Charakter dieser Sekte angehört, beschloß sie für sich und ihr Geschlecht eine Bahn zu brechen, deren Betretung sie für das Weib wichtig glaubte, und zu der sie sich besonders angezogen fühlte. Sie nahm nebst einer jüngern Schwester Privatunterricht bei einem geschickten und wohlwollenden Arzt, und hat jetzt, nachdem die Schwester sich verheirathet, seit zwölf Jahren als Frauenzimmer- und Kinder-Doctorin praktizirt, sich Vertrauen und Vermögen, wie auch das zwar bescheidene

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 168. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/172&oldid=- (Version vom 9.9.2019)