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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Eindruck auf mich gemacht, als dieses herrliche Adagio. Seine Töne waren für mich wie die Geschichte meiner eigenen Seele.

Am Sonntag war ich wieder in Mr. Parker’s Predigt. Er sprach kräftig und unumwunden sein Glaubensbekenntniß aus, und ich freute mich über seine Aufrichtigkeit und seinen Muth, obschon ich mich über das Glaubensbekenntniß nicht freuen konnte, das eine sehr unverständige Auffassung der christlichen Offenbarung war und in Christus blos einen menschlichen Morallehrer, aber als solchen das Ideal und Vorbild der Menschheit erkannte. Parker gehört der unitarischen Sekte und zwar derjenigen Fraktion derselben an, welche die Wunder und alles Wunderbare in der heligen Geschichte läugnet. Wirklich anstößig für mich war Parkers Behauptung, daß Christus selbst kein anderes Verhältniß zu Gott in Anspruch nehme, als dasjenige, das allen Menschen angehöre, daß er in der Geschichte blos als ein bescheidner junger Mann aus Galiläa dastehe. Wie kann ein wahrheitsliebender Mann die heilige Geschichte und Aussprüche wie folgende: „Wer mich siehet, der siehet Gott! Der Vater ist in mir und ich in ihm“ — und: „Mir ist verliehen alle Macht im Himmel und auf Erden“ — und mehrere ähnliche lesen und dennoch mit einer solchen Behauptung kommen?

Nach der Predigt kamen einige mir unbekannte Frauenzimmer freundlich und eifrig auf mich zu, nahmen mich bei der Hand, hießen mich willkommen und sagten: „Hoffentlich sind Sie befriedigt“ u. s. w. Ich aber antwortete: „Ganz und gar nicht,“ und lehnte es ab, mit dem Prediger bekannt gemacht zu werden; ohnehin finde ich den hier üblichen Brauch, in der Kirche gleich nach dem Gottesdienst gegenseitige Vorstellungen zu machen und Gespräche anzuknüpfen, sehr lästig und nicht an seinem Platz.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/156&oldid=- (Version vom 9.9.2019)