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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

markirten Zügen und Linien, und dunklem Haar. Er schien mir jünger, als ich ihn mir gedacht hatte, sein Aeußeres weniger bezaubernd, aber bedeutungsvoller. Er beschäftigte sich mit uns und namentlich mit mir in meiner Eigenschaft als Frauenzimmer und Ausländerin recht freundlich und angenehm.

Emerson ist eine ganz eigenthümliche Individualität, aber zu kalt und überkritisch, um mich sehr anzusprechen. Ein starkes, klares Auge, immer nach einem Ideal spähend, das er auf Erden nicht verwirklicht findet; in Allem Mängel, Halbheiten und Unvollkommenheiten entdeckend, und selbst zu kräftig, zu metallen, um die Schwachheiten und Leiden Anderer zu verstehen. Denn auch das Leiden verachtet er als eine Schwachheit, die höherer Naturen unwürdig sei. Diese merkwürdige Menschennatur soll niemals krank gewesen sein. Aber Bekümmernisse soll er gehabt und sie tief empfunden haben, wofür auch einige seiner schönsten Gedichte zeugen; doch soll er sich nur kurze Zeit von diesen Bekümmernissen, nämlich dem Tod zweier schöner, geliebter Brüder und seines ältesten Sohnes, eines schönen kleinen Jungen, haben niederbeugen lassen. Auch seine erste Frau hat er nach blos einjähriger Ehe verloren. Emerson ist jetzt zum zweiten Male verheirathet und hat drei Kinder. Sein hübscher kleiner Junge, das jüngste von den Kindern, scheint ihm ganz besonders lieb zu sein. Mrs. Emerson hat schöne, seelenvolle Augen, ist aber kränklich und hat eine Individualität, die der seinigen sehr ungleich ist. Er interessirte mich, ohne mich zu erwärmen. Diese kritische, kristallreine und kalte Natur kann vollkommen achtungswerth, sehr heilsam und in ihrer Art wohlthätig sein sowohl für ihren Besitzer, als auch für Andere, die sich von ihr gradiren und kritisiren lassen wollen. Aber für mich Davids Herz mit Davids Gesängen!

Aber ich werde in Folge der höchst freundlichen

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/145&oldid=- (Version vom 11.5.2019)