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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

sehr großer und starkgliedriger Mann mit ungewöhnlich hoher Stirne, großen schönen Augen und überhaupt schönen kräftigen Zügen; ein Mann, der in jeder Gesellschaft Aufmerksamkeit erregen würde, sowohl wegen seiner Gestalt, als auch wegen der ungewöhnlichen Milde und Menschenliebe im Ausdruck seines Gesichtes. Er kam just neuerdings von dem Friedenscongreß in Paris, glaube ich, zurück, und sprach für die Friedensprincipien, von welchen in diesen Ländern der ältesten Pilger Viele sprechen und lehren. Ich erklärte mich als Freundin des Kriegs, eines guten rechtmäßigen Kriegs, so lange wenigstens als der Friede nicht ein großes und gutes Leben auf der Erde hat. Aber wie ist es noch jetzt während des langen Friedens in den Ländern der Erde? Strecken nicht tausend Zwerglein ihre Köpfe empor und fechten mit Stecknadeln oder Federspitzen nach rechts und links, stechend und scharrend, Kleinlichkeitssinn, Selbstsucht, Bitterkeit, kleine Aergernisse und armselige Vergnügungen, Verläumdung und Verdruß in jeder Ecke hervorrufend? Wird nicht der Staat durch tausend kleine Zwistigkeiten und lumpige Händel zersplittert? Da kommt ein ernster, ehrlicher Krieg just gleich dem Riesen, der die Zwerge zermalmt. Die Menschen vergessen ihre kleinlichen Streitigkeiten über gemeinsamen großen Interessen. In diesen werden sie wieder Brüder. Und nach dem Riesen kommen die Götter und mit ihnen die Erneuung des Lebens. Die Menschen müssen noch bedeutend zunehmen an Herz und Verstand, und der Staat in seiner Arbeit, bevor sie einen allgemeinen Frieden ertragen. Dieser muß von innen heraus erarbeitet werden. Unter den Fragen, die man diesen Abend an mich stellte, war auch die: „Was denken Sie davon, daß so viele Leute kommen, um Sie anzusehen?“ — „Ich wünsche nur, daß ich schöner wäre,“ antwortete ich der Wahrheit gemäß.

Unser Wirth war ein Mann von angenehmer Persönlichkeit, offen und freundlich wie ein ächter Amerikaner;

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/136&oldid=- (Version vom 11.5.2019)