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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Personen in der Gesellschaft zu schwatzen und zu lachen. So etwas ist artig und muntert alle Welt auf. Mr. L. ist ein schöner, alter Herr, der mir sehr gefiel. Er ist der zweite Gatte seiner Frau und diesem Familienleben liegt eine romantische Liebesgeschichte zu Grund, so schön und edel, wie man sie in Romanen nicht oft findet.

Ich schlief gut und erwachte daran, daß ich einen starken, hellrothen Schein durch die Jalousien eindringen sah. Ich dachte an Feuersgefahr und stand auf. Aber es war die Morgenröthe, die mit hellrothen Flammen den Himmel, die grünen Höhen, den spiegelglatten Fluß und die Segel, welche ruhig schliefen und sich gleichsam von ihr wecken ließen, beleuchtete. Es war bezaubernd schön. Ich wurde bei dem herrlichen Schauspiel wach an Seele[WS 1] und Gemüth. Diese Aurora, die alle Dinge, lebendige und todte, küßt und verklärt! … Für solche Erscheinungen und Scenen taugen bloß König Davids Lobgesänge: „Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt.“

Die schöne Morgenstunde verging und ich ging zum Frühstück hinab. So begann des Tages Plage mit Gesellschaft in und außer dem Hause und mit den ewigen Fragen, die mir keinen ruhigen Augenblick ließen und jedes aufkeimende Gefühl des Vergnügens über die schöne Landschaft zerstörten. Einige hübsche junge Mädchen brachten mich ganz besonders zur Verzweiflung durch ihr: Miß B., haben Sie den Telegraphen da gesehen, da über dem Fluß? — Miß B., sehen Sie die Eisenbahnwagen da unten? und: Miß B., sehen Sie das hübsche Laubwerk an den Ufern? und Miß B., haben Sie so etwas auch in Schweden? — Solche Fragen zwei oder dreimal anzuhören und zu beantworten ist schon viel; aber wenn sie 6—7mal wiederholt werden und man kein Ende absieht! … Ganz unglücklich sagte ich zuletzt zu Mrs. L.: ich könnte Morgens nicht in Gesellschaften

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 117. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/121&oldid=- (Version vom 2.8.2019)