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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Am Montag führten mich meine guten Wirthsleute zu Miß Lynch, die in einem der stillen und fashionablen Quartiere New-Yorks wohnt, und ich nahm für kurze Zeit Abschied von diesen Gatten, die so reinen Herzens, so glücklich mit einander, so unendlich gut gegen mich sind. Aber zu ihnen werde ich zurückkommen, bei ihnen werde ich meine Hauptstation und meine Wohnung nehmen, so oft ich in diese Gegend zurückkehre; so lautete unsere Uebereinkunft, als sie mich verließen.

Am Dienstag war ich über Mittag bei Mrs. Kirkland, Verfasserin des guten und kurzweiligen Buches: „Eine neue Heimath im Westen,“ und Abends sah ich 60 bis 70 Personen aus ihrer Freundschaft. Unter ihnen befand sich ein sehr angenehmer Mann aus Wisconsin, der mich in sein Haus einlud und sich erbot, in diesem Theil des großen Westens meinen Cicerone zu machen. Mrs. Kirkland gehört zu den starken Weibern; sie besitzt viel Geistesgegenwart, aber auch viel Weiblichkeit, und Seele und Herz, warm als Mutter, Freundin und Bürgerin, von dem Schlag Menschen, der mir gefällt, eine Natur, zu der ich mich angezogen fühle. Ihr hübsches Lächeln und der Blitz in ihren braunen Augen, wenn sie ins Feuer kommt, verräth den Geist, der in dem Buch: „Eine neue Heimath“ lebt; aber Unglücksfälle und Widerwärtigkeiten scheinen später einen Schleier über dieses Leben geworfen zu haben. Am Donnerstag wurde ich in eine Frauenzimmer-Akademie, nach dem Namen des Gründers „Rutger-Institut“ genannt, eingeführt und sah da 450 junge Mädchen nebst vortrefflichen Anstalten zu ihrer Belehrung und Bildung. Ich hörte und las auch verschiedene prosaische sowohl als poetische Compositionen der jungen Mädchen, und ich mußte die Klarheit der Gedanken, die Vollendung der Sprache, überhaupt den wachen, schönen Sinn fürs Leben bewundern, den diese Erzeugnisse verriethen. Eigentliches Genie sah ich nicht darin, und ich verspreche mir auch nicht viel Gutes

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/115&oldid=- (Version vom 6.7.2019)