Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Das Leben Nordamericas deutet auf eine solche Beschleunigung, eine solche Concentration der Fülle der Entwicklung im Guten und im Bösen. Die Größe und der Umfang dieses Welttheils, der alle Zonen und Producte der Erde umfaßt, die Mannigfaltigkeit und Raschheit der Commumnicationsmittel, welche, dieselben in Jedermanns Besitz bringen, die Unbeschränktheit der persönlichen Freiheit, gränzenlose Bahnen des Wetteifers, ja selbst der nervöse Character des Klimas und seine anspornende Wirkung auf eine Volksrace, die sich durch ihre angeborne Energie vorwärts treiben läßt und alle andern Völker auf ihrem Wege mitreißt, alles das beschleunigt ihr lavinenartiges Fortschreiten bis zum Tage des Gerichts. Denn ich habe es bereits gesagt, muß es aber hier noch einmal sagen, wir haben von America kein Utopien, sondern vielmehr einen Tag des Gerichts zu erwarten, eine Näherrückung der
welche das Volk während seiner Wanderung und
Arbeit leitet.
Die Mormonen legen unter allen Secten Americas
das größte Gewicht auf die Erwerbung des „irdischen
Paradieses,“ und der Glaube an diese ihre Zukunft
dürfte ihre wahre Eingebung ausmachen, wie auch den
Schlüssel zu ihrem Einfluß selbst in fremden Ländern
bilden.
Mir will es scheinen, als ob das tausendjährige
Reich nicht da oder dort auf Erden, sondern über die
ganze Erde kommen müsse, wenn einmal alle Länder
der Erde Oceaniens zauberhafte Inseln wie Sibiriens
wilde Steppen und Wüsten durch Geist und Dampf so
verbunden werden, daß kein Platz mehr fremd und
unzugänglich bleibt, daß der große Mensch über alle
herrschen und auf jedem Punct das höchste Menschliche
in der Menschheit hervorrufen kann. Inzwischen
mag Americas Volk seinen Glauben behalten.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/547&oldid=- (Version vom 13.12.2023)