Seite:Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band.djvu/540

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band

Mensch auf diesem Standpunkt ausgesetzt ist. Aber jeder Standpunkt hat seine Gefahren, wenn das Zeitalter finster und der Mensch schwach oder eingebildet ist. Einen höheren und innigeren Standpunct gibt es jedoch nicht als diesen: der Mensch allein mit Gott. Gott sprach in früheren Tagen mit den großen Gesetzgebern, mit Moses und den Propheten. Das ist unser christlicher, unser beseeligender Glaube, daß Gott noch heute zu jedem einzelnen seiner Kinder spreche, wie er in Christo zu Johannes und zu Maria sprach; daß Jeder von uns in unsern heiligsten Augenblicken seine Stimme vernehmen und Ohr und Zunge für seine Wahrheit werden könne. Alles hängt dabei von der Reinheit und Folgsamkeit des einzelnen Menschen ab. Es kann unverzeihliche Dummdreistigkeit sein mit Ansprüchen auf ein höheres Wissen hervorzutreten. Es kann verbrecherische Feigheit sein stille zu schweigen. Gott allein kann darüber urtheilen. Der Mensch steht zuletzt allein mit Gott und Niemand ist da zwischen ihm und Gott. Viel kann die Kirche lehren, viel kann sich der Staat bilden; — zulegt genügen sie dennoch nicht. Der Mensch muß mit Gott allein sprechen. Darin liegt eine große Gefahr, aber auch eine große Stärke und ein großer Trost. Die Sectenstifter Americas haben beide Theile gekannt.

Und wenn sie nicht vollkommen der ersteren entgingen, wenn sie zum Theil geblendet wurden von dem Licht, zu dessen Verkündigung sie sich berufen fühlten, so haben sie dennoch jeder für seinen Theil die Arbeit ausgeführt, wozu sich die neue Welt in der Weltgeschichte berufen fühlt, nemlich die Freiheit in den innersten Grund des Gewissens zu setzen und das Gewissen frei in Gott zu machen, jeden Menschen frei in ein directes Verhältniß zu Gottes Stimme in seinem Innern zu bringen und folglich seine höchste persönliche Entwicklung vorzubereiten. Die Lehre von der Höhe

Empfohlene Zitierweise:
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 522. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/540&oldid=- (Version vom 13.12.2023)