Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band | |
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Gesicht ohne Schönheit, aber von sehr gutem und friedfertigem Ausdruck.
Ich fragte sie durch meinen Dolmetscher, ob sie ihren Mann liebe.
Sie antwortete, sicher und freundlich: „Ja, er ist ein guter Mann.“
Ich fragte, ob, sie ihn schon in Africa lieb gehabt habe.
„Ja in Africa.“
Ich fragte, wie viele Jahre sie mit ihrem Mann verbunden sei.
Diese Frage schien sie zu verwirren, sie lächelte und antwortete endlich, sie habe ihn immer gehabt.
Immer! Sie wußte nicht, wie groß und tief dieß Wort in ihrem Munde war. Mir ging es zu Herzen. Wochen, Monate, Jahreszeiten, Jahre, Jugend, Kraft, manche Schicksalswechsel waren unberechnet, unbemerkt, dahingegangen; Welttheil war gegen Welttheil, die Freiheit gegen die Sklaverei, die Palmhütte gegen die Bohea, das Freiheitsleben gegen das Arbeitsleben vertauscht worden — Alles hatte gewechselt, aber eines hatte festgestanden, eines war sich gleichgeblieben — ihre Liebe, ihre Treue. Sie hatte ihn immer gehabt, den Mann, den sie liebte; er hatte sie immer gehabt. Von allem Wandelbaren und Vergänglichen wußte sie Nichts, sie konnte nicht rechnen — sie wußte von der Zeit bloß, was in ihr ewig war. Sie hatte ihren Gatten immer gehabt, und sie wollte ihn immer haben. Das stand deutlich geschrieben in ihrer ruhigen Miene und in ihrer Stimme. Es konnte nicht anders sein.
„Die Liebe bedarf der Rückenlehne der Pflicht,“ sagte Geijer einmal, als er von der Ehe sprach. Es ist so. Aber schön ists diese natürliche Ehe zwischen zwei verwandten Seelen, rein und stark bloß durch
Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Dritter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Dritter_Band.djvu/179&oldid=- (Version vom 15.9.2022)