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verschiedene: Die Gartenlaube (1889)

paar kräftige Schlucke zu fassen vermag; und die Dame sieht bei aller Bedenklichkeit doch danach aus, als ob sie an dem Gefäß um des erquicklichen Inhalts willen nicht allzu lang Anstoß nehmen würde. Das Bild ist ein echter Diez, in Scenerie und Stoff, wie in der markigen Lebendigkeit und Wahrheit der Gestaltung.

Aus Natur und Leben. Seit nunmehr 27 Jahren begleiten unsere Leser in der „Gartenlaube“ das Wirken und Forschen der Brüder Karl und Adolf Müller. Ihre naturgeschichtlichen Schilderungen sind durch einfache Klarheit, durch unmittelbare, gründliche Beobachtung eine Quelle werthvoller Belehrung und Anregung für viele geworden. Wie die Leser sich vielleicht aus dem biographischen Denkmal erinnern, welches die „Gartenlaube“ den treuen Genossen zum Gedächtniß ihrer fünfundzwanzigjährigen Wirksamkeit für das Blatt im Jahrgang 1887, Nr. 9 gesetzt hat, ist es nicht nur der gemeinsame Sinn für das Studium der Natur im Leben ihrer Geschöpfe, was die beiden Brüder verbindet; ihnen gemeinsam ist auch eine dichterische Neigung und Begabung. Adolf Müller, der ältere der beiden Brüder, hat vor Jahren schon ein großes Drama, einen zweiten Theil zu Goethes „Faust“, später ein patriotisches Schauspiel „Hermann“ vollendet, und neuerdings hat der jüngere, Karl, unter dem oben angegebenen Titel bei Gustav Wolf in Leipzig eine Sammlung von Gedichten herausgegeben, in denen sinniges Naturgefühl und Herzenswärme sich vereinigen. Die anspruchslose Sammlung enthält manches anmuthende Landschaftsbild, manchen in seiner Einfachheit wohlthuenden Ausdruck schlichter Empfindung. Als eines der gelungensten Gedichte heben wir das folgende hervor:

Herbst.

Kommt ihr wieder hergezogen
Durch der Felder goldne Wogen,
Schwänen gleich auf lichter Fluth,
Holde, milde Herbstestage!

5
Alles Leiden, alle Klage

Unter euren Flügeln ruht.

Blauverklärte Himmelsräume,
Kühler Hauch durch lichte Bäume,
Tiefe Ruhe in der Brust;

10
Nur ein leises Todesahnen

Und ein sehnsuchtsvolles Mahnen
An entschwund’ne Jugendlust.

Heimath! Heimath! Tiefes Schweigen
Will sich ewig niederneigen

15
Herbstlich kühl auf deine Au’n.

Meine Lieben, wart ihr Träume,
Abgeblüht wie Lenzesbäume? –
O, ich werd’ euch wiederschau’n!


Blumen im Eise. Auf Ausstellungen, die auch für die Hersteller des Kunsteises Preise und Ehrenmedaillen auswerfen, kann man oft Blumen im Eise sehen. Man läßt die Kinder der Sonne und des Lichtes einfrieren, um zu zeigen, wie klar und durchsichtig das Kunsteis ist. Es giebt aber Blumen, die im Eise wachsen und sogar Blüthen entfalten. Um ein solches Wunder der Natur zu sehen, muß man in den Alpen hoch hinaufsteigen in jene Regionen, wo neben den Gletschern der eigenartig geformte, zu Eis gewordene Schnee liegt, den der Alpenforscher unter dem Namen Firn kennt. Kommen wir im August an den Rand eines Firnfeldes, so werden wir, wenn das Glück uns begünstigt, durch einen seltsamen Anblick überrascht. Aus dem Schnee erheben frisch blühende Blumen ihr Haupt, oft in solchen Massen, daß an einer Stelle, die einen Meter lang ist, 10 bis 20 Blüthen zu sehen sind. Namentlich eine dieser Blumen fesselt uns, die blaue Blüthe der Soldanelle. Die immergrünen Blätter derselben wachsen unter der Firndecke am Boden; die Stengelchen wurden schon im vorhergehenden Jahre vorbereitet und haben bei einer Temperatur von 0° die Höhe von einigen Millimetern erreicht. Beginnt nun die Sonne des Sommers wieder den Firn zu schmelzen und bilden sich unter der Decke desselben Rieselwasser, deren Temperatur die des Schmelzpunktes des Eises nicht übersteigt, so erwacht auch die Pflanze in der Tiefe zu neuem Leben. Die Blüthenstengel beginnen mit der Knospe zu wachsen, und durch die Wärme, welche die Athmung der Pflanze entwickelt, wird das körnige Eis des Firnfeldes geschmolzen; die Soldanelle bohrt sich einen Gang im Eise, bis die violette Knospe die Oberfläche erreicht und sich zur Blüthe entfaltet. Aber nicht alle Soldanellen erreichen die Freiheit; viele bleiben im Firn gefangen und gehen trotzdem nicht zu Grunde. Anton Kerner von Marilaun hat in seinem trefflichen volksthümlichen Werke „Pflanzenleben“ (Leipzig, Verlag des Bibliographischen Instituts) dieses Wachsen der Soldanellen ausführlicher beschrieben und durch eine nach der Natur aufgenommene farbige Abbildung illustriren lassen.[WS 1] Macht man mit Beil und Spaten durch den Firn Durchschnitte, so findet man nach seinen Angaben einzelne Soldanellen, deren Knospen sich bereits geöffnet haben, bevor sie über die Firndecke emporgehoben wurden. Solche Soldanellen blühen dann thatsächlich in einer kleinen Aushöhlung des Firnes und nehmen sich aus wie Pflanzentheile oder Insekten, die in Bernstein eingeschlossen sind, oder wie kleine bunte Splitter, die man in Glaskugeln eingeschmolzen hat. Das Blühen solcher Soldanellen beschränkt sich auch merkwürdigerweise nicht nur auf das Oeffnen der Blumenkrone, es findet sogar ein Oeffnen der Antheren statt, und nimmt man derlei Soldanellenblüthen aus ihrem kleinen Eishause heraus und stößt an die kegelförmig zusammenschließenden Staubbeutel, so kann man deutlich das Herausfallen des Blüthenstaubes beobachten. *

Deutsches Nationalvermögen. Der Wagenpark der Eisenbahnverwaltungen im Gebiete des Deutschen Reichs enthält neben den Lokomotiven und den zur Personenbeförderung dienenden Fahrzeugen gegenwärtig rund 225 000 Güterwagen, darunter gegen 72 000 bedeckte. Von der Bedeutung dieses Fuhrparks erhält man erst dann einen Begriff, wenn man sich vergegenwärtigt, daß derselbe, Wagen an Wagen gereiht, einen ungeheuer langen Zug bilden würde, dessen Spitze etwa in Emden und dessen Schluß in Klausenburg in Siebenbürgen zu suchen wäre. In den bedeckten Wagen allein würde eine Armee von 2¾ Millionen Mann oder ein Troß von 429 600 Pferden Platz finden. Rechnet man den Wagen durchschnittlich mir zu 3000 Mark, so ergiebt sich, da die meisten Bahnen dem Staate gehören, aus den Güterwagen allein ein Nationalvermögen von 675 Millionen Mark.

Skataufgabe Nr. 2.
Von K. Buhle.

Die Hinterhand fängt auf folgende Karte:

(tr. B.) (c. B.) (tr. 9.) (p. K.) (p. 9.) (c. Z.) (c. D.) (c. 8) (car. D.) (car. 9)

den Ramsch mit zwei Jungfern, d. h. es werden ihr von beiden Mitspielern alle Stiche aufgezwungen, obwohl weder Daus (As) noch Zehn im Skat liegen. Die Vorhand hat in ihrer Hand 2 Augen mehr als die Mittelhand. Wie sitzen und fallen die Karten?

Auflösung der Schachaufgabe Nr. 1 auf S. 220:[1]
1. D g 1e 3   d 4 × e 3
2. T c 7 × c 2   beliebig.
3. T c 1d 1 (auf e 3c 2 3. T c 2d 2) matt.
1. … K d 5d 6
2. D e 3 × d 4K × T
3. T c 1 × c 2 matt.
1. … T h 6 × f 6
2. D e 3b 3K d 6
3. S g 7e 8 matt.
Lösung 1. D g 1f 1 scheitert an d 4d 3
1. T c 1 × c 2 e 4e 3
1. D g 1 × g 3 K d 5d 6


Schachlitteratur.

Ein neues Schachbüchlein ist allen Freunden dieses Spiels zu empfehlen; es ist das von Adolf Roegner herausgegebene, in seinem eigenen Verlage erschienene „Vademecum der Kombinationspraxis, illustrirt durch 120 brillante Partieopfer berühmter Meister“. Diese Proben einer glänzenden Spielweise, welche der Herausgeber sorgsam ausgewählt hat, werden der Phantasie der Schachspieler die fruchtbarsten Anregungen geben.



Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

G. P. in Dresden. Es ist ganz so, wie wir in dem Artikel „Wilhelm Hey“ in Nr. 12 unseres Blattes auf Grund uns zugegangener Mittheilungen des Verlegers der Heyschen Fabeln, F. A. Perthes in Gotha, gesagt haben, daß das einzige Porträt Heys, welches überhaupt existirt hat, vor seinen Augen verbrannt worden ist. In dem Nachlaß des vor kurzem verstorbenen Malers Hofrath Schneider in Gotha fand sich aber eine ganz flüchtig hingeworfene Skizze, die Schneider in den letzten Lebenstagen des Fabeldichters, wahrscheinlich nach einem bei demselben gemachten Besuch, aus der Erinnerung aufgezeichnet hat. Die nach dieser Skizze hergestellte Illustration wird wohl das „Bildniß“ sein, von welchem Sie sprechen. Daß aber ein auf Grund so mangelhaften Materials ausgeführtes Bild keinen Anspruch auf die Bezeichnung „Porträt“ erheben und hier höchstens von oberflächlicher Aehnlichkeit die Rede sein kann, versteht sich wohl von selbst.

Ein dankbarer Handwerker in Copitz. Die uns freundlichst übersandten 3 M 10 ₰ für einen gelähmten Familienvater haben wir gern an die in der Anzeige genannte Adresse des Herrn Pfarrer Schade in Mellenbach (Thüringen) übermittelt. Besten Dank auch für Ihre freundlichen auf unser Blatt bezüglichen Zeilen!

Sächsin in Amerika. Wir bitten um Angabe Ihrer genauen Adresse, damit wir Ihnen brieflich antworten können.

Karl B. in Wien. Um das von Ihrem Töchterchen verunzierte unersetzliche Dokument von der violetten Tinte, zu deren Herstellung aller Wahrscheinlichkeit nach Anilinviolett benutzt worden ist, zu säubern, verfahren Sie folgendermaßen: Mit Hilfe eines sehr feinen Haarpinsels wird 95- bis 98prozentiger Alkohol auf die violetten Tintenkritzel sorgfältig aufgetragen und dann mit weißem sogenannten Seidenpapier die flüssig gewordene violette Tinte abgelöscht. Dieses Verfahren wiederholt man so lange, bis die violetten Verunzierungen völlig verschwunden sind. Da Anilinviolett, wie überhaupt die Anilinfarben, in Alkohol löslich ist, so werden Sie, wenn Sie sorgfältig verfahren und Geduld haben – und die ist hier sehr am Platze – zu dem gewünschten Ziele gelangen.

E. B. K. Sie finden über den in Ihren Fragen berührten Gegenstand ausführliche Belehrung in dem Artikel „Ueber die Erlernung fremder Sprachen aus Büchern“ von Daniel Sanders im Jahrgang 1883 der „Gartenlaube“, S. 346. Der erfahrene Gelehrte empfiehlt dort die im Langenscheidtschen Verlage zu Berlin erschienenen Toussaint-Langenscheidtschen Unterrichtsbriefe. Sie setzen an Kenntnissen nichts voraus als das Verständniß des in deutscher Sprache klar und deutlich Dargelegten und ermöglichen durch ein klug gewähltes System in der Bezeichnung der Aussprache, daß es der Schüler auch ohne Lehrer, wenn nur Fleiß und guter Wille nicht fehlen, zu einer tüchtigen Kenntniß der betreffenden Sprache bringen kann.

„Stenographie“. Verzeihen Sie, wenn wir Ihre erste Frage nicht rund heraus beantworten. Wollten wir an dieser Stelle irgend eines der vorhandenen stenographischen Systeme als das „praktischste und leichtest erlernbare“ bezeichnen, so würden wir einen wahren Sturm gegen uns entfesseln von allen denen, die nicht unserer Ansicht sind. So können wir Ihnen nur mittheilen, daß stenographiekundige Mitglieder unserer Redaktion bis jetzt mit dem Gabelsbergerschen System durchaus gute Erfahrungen gemacht haben und wohl damit zufrieden sind. Als verbreitetstes Lehrbuch für dieses System gilt das von Raetzsch („Lehrbuch der deutschen Stenographie“, Dresden 1886, 46. Aufl.).

A. H. in Altona. Wir glauben kaum, daß Sie wirklich so zu bedauern sein sollten, wie Sie in Ihrer Zuschrift, die von ganz gesundem Humor zeugt, „klagen“. Um indeß Ihrem Wunsche zu entsprechen, geben wir Ihnen gern ein „Rezept“, „wie man seiner Frau ihre Geheimnisse entlocken kann“, bekannt. Johannes Bapt. Birelli empfiehlt in seiner „Newe Güldene Kunst“ (Frkft. 1654)[WS 2] folgendes Verfahren: „Nimm der Zungen von den Fröschen, so in keinem fliessenden Wasser, sondern in Teichen und Sümpfen wohnen, oder der andern von Kröten, leg sie dem Weib auf die Gegend des Herzens, und sonderlich auf den Ort, da der Puls schlägt, laß eine Weil darauf liegen und frage sie hernach, was du von ihr zu wissen begehrest. Du mußt dich aber des oft Fragens nicht verdrießen lassen, denn sie antworten nicht allwegen gleich auf das erste Mal, sondern lassen sich etwan vielmal fragen und entdecken endlich all ihre Heimlichkeiten.“ Das Rezept ist allerdings über zweihundert Jahre alt; ob es heute noch wirkt, möchten wir Ihnen nicht verbürgen.


Inhalt: Nicht im Geleise. Roman von Ida Boy-Ed (Fortsetzung). S. 293. – Wenn’s Mailüfterl weht! Illustration. S. 293. – Frühlingsblüthen. Illustration. S. 297. – Die Zuckerkrankheit. Von Prof. Dr. E. Heinrich Kisch. S. 298. – Das Land des Negus Negesti. Mit Abbildungen nach Aquarellen des im Jahre 1888 verstorbenen Afrikareisenden Dr. Anton Stecker. S. 300 u. 301. – Lore von Tollen. Roman von W. Heimburg (Fortsetzung). S. 302. – Blätter und Blüthen: Ludwig Walesrode. S. 307. – Das Abbeißen der Fingernägel. S. 307. – Ein frischer Trunk. S. 307. Mit Abbildung S. 305. – Aus Natur und Leben. S. 308. – Blumen im Eise. S. 308. – Deutsches Nationalvermögen. S. 308. – Skataufgabe Nr. 2. Von K. Buhle. S. 308. – Auflösung der Schachaufgabe Nr. 1. auf S. 220. S. 308. – Schachlitteratur. S. 308. – Kleiner Briefkasten. S. 308.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

  1. Der König auf a 8 soll nicht der schwarzen, sondern der weißen Partei angehören.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. 1. Band, Farbtafel vor Seite 465 Google-USA*; 3. Auflage 1913, vor Seite 433 ULB Düsseldorf
  2. Alchimia nova, Das ist / Newe Güldene Kunst / Oder Aller Künsten Gebärerin, S. 623: „Zuverschaffen daß ein Weib im Schlaff redet“ MDZ München
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