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verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

hat manches als authentisch betrachtete „letzte Wort“ auf dem Gewissen. So klingt es nicht sehr wahrscheinlich, daß Danton’s letzte Worte in dem einem Freunde gemachten Bekenntniß bestanden: „Freund, sollte es auch jenseits Revolutionen geben, so mische ich mich nicht hinein.“

Goethe’s letzter Seufzer: „Licht, mehr Licht!“ wird von Ottilie von Goethe sogar bestritten, und Hegel’s geistreiche, angeblich letzte Aeußerung: „Es hat mich nur Einer verstanden, und der hat mich mißverstanden!“ scheint eben so eine nachträgliche Erfindung zu sein; denn Hegel’s Wittwe, die des Philosophen Tod schilderte, erwähnt keine Silbe davon. Sehr schön klingt auch das dramatische Schlußwort Cäsar’s: „Et tu, Brute?“ (Auch Du, Brutus?), von dem sich aber bei den römischen Geschichtsschreibern keine Spur vorfindet; nach Sueton’s Zeugniß ist der große Cäsar lautlos zu Boden gestürzt. Notorisch sind Heinrich Heine’s letzte Lebenszeichen: „Schreiben – Papier – Bleistift …“ Er rief dies mit ersterbender Stimme; dann schloß er die Augen und war todt. Schiller verlangte in den letzten Minuten, „einen Blick in die Sonne“ zu thun. Nach einer andern Version flüsterten die Lippen des sterbenden Dichterfürsten die Worte: „Immer besser – immer ruhiger!“ Mit dem frommen Gebet: „In Deine Hände, o Herr!“ starb Torquato Tasso, und Klopstock rief: „Ja, wir sind Alle in Gottes Hand gezeichnet!“ Des frommen Herder’s letzter Wunsch galt den „Ideen“, und Wieland soll mit der Hamlet’schen Frage „Sein oder Nichtsein“ aus der Welt geschieden sein. Ein echtes Philosophenwort wird dem englischen Gelehrten Locke in den Mund gelegt; er hauchte „Genug!“ und starb. Mozart sprach sterbend den Wunsch aus: „Laßt mich nur noch zum letzten Male Musik hören!“ ähnlich den Worten Mirabeau’s: „Laßt mich bei den Tönen der Musik sterben!“ „Sieh, der Zeitpunkt zum Schlafen!“ sagte Byron, ehe sein Geist entfloh; und dasselbe klare Bewußtsein des Ernstes der Situation bekundete Alfieri in den an einen Zeugen seines Todes gerichteten Worten: „Drücke mir die Hand, theurer Freund, jetzt sterbe ich!“

Der kürzlich verstorbene Th. Vischer hinterließ seinem an sein Todtenbett geeilten Sohn ein letztes, bedeutungsvolles Wort. „Arbeit!“ wiederholte er zweimal mit schwacher Stimme. Das Gefühl der Befreiuug muß Cromwell’s letzte Augenblicke verklärt haben, denn er seufzte: „Ich bin erlöst“, während Washington „Alles geht gut!“ leise vor sich hinsprach; eben so lauteten Wellington’s letzte Worte. Die stolze Majestät eines römischen Imperators drückt sich in Vespasian’s „Ein Kaiser muß stehend sterben!“ aus, und Kaiser Augustus rief: „Die Komödie ist zu Ende!“ Eben so gefaßt erwartete Georg IV. von England den Tod, indem er sich zu der Frage ermannte: „Ist der Tod nichts als dies?“ während Königin Elisabeth von England in ihren letzten Augenblicken flehte: „Mein ganzes Königreich für noch eine einzige Minute zu leben!“ Ein Bekenntniß in dem oben erwähnten Sinn ist Friedrich’s V. bekanntes Abschiedswort vom Leben: „Meine Hände sind rein von Blut!“ Und während der große Napoleon verscheidend in sich selbst zusammensank, müssen Bilder aus seiner Vergangenheit vor seiner erlöschenden Phantasie vorübergezogen sein. „Eine Heeressäule!“ sagte er kurz vor seinem Sterben. Börne’s allerletztes Wort dürfte nicht darin bestanden haben, daß er – wie man erzählt – dem Arzt auf die Frage: „Was für einen Geschmack haben Sie?“ geantwortet hat: „Gar keinen, wie die deutsche Litteratur!“ Von dem berühmten Direktor der Universitätsklinik in Wien J. P. Frank († 1821) erzählt man Folgendes. Acht Größen der Heilkunde umstanden sein Sterbelager. Da lachte der Kranke laut auf; befragt, was er habe, erklärte er: „Mir ist die Geschichte von dem Grenadier eingefallen, der auf dem Schlachtfeld von Wagram lag und seine Wunden zählte. ‚Parbleu,‘ rief er, ‚acht Kugeln sind nöthig, um einem französischen Grenadier das Leben zu nehmen.‘ Sie sind auch Ihrer acht!“ Mit diesen Worten soll er lachend das Zeitliche gesegnet haben. Mit einem Calembour ging der französische Schauspieler Dudos aus der Welt. Er verabschiedete seinen Beichtvater Namens Chapeau mit den Worten: „Ohne Schuhe und Strümpfe kam ich zur Welt, ich kann sie auch ohne Hut (chapeau) verlassen.“

Berthalda. (Mit Illustration S. 785.) Ein Charakterkopf von dem großen Farbenzauberer in Wien, dem nun der Pinsel für immer entfallen ist; eine Frauenschönheit von fremdartig-südlichem Gepräge, wie man sie ähnlich in Makart’schen Bildern oftmals findet: in dem schmalen Gesichtchen alles beherrschend zwei große dunkle Augen und ein schwellender Mund: ein kleiner Rassekopf auf schlankem Halse und ein üppiger Leib. Irgend eine Fürstin, welche aus ferner Vergangenheit auftaucht, mit malerischem Prunk drapirt. Vielleicht sitzt sie auf einem Zelter und die unsichtbare Hand hält edelsteinbesetzte Zügel: jedenfalls befindet sie sich auf einem Jagdausfluge; diese dunklen erregten Augen trinken das Vergnügen, welches der Luftkampf ihres Lieblingsfalken mit einem aufgejagten Reiher gewährt: das bedeutet die Falkenkappe, die man zwischen ihren Fingern erblickt.

Das Brockhaus’sche Konversationslexikon liegt jetzt abgeschlossen vor uns: den sechzehn Bänden des eigentlichen Werkes reiht sich als Schlußstein ein reichhaltiger Supplementband an. In diesem Bande befindet sich außer manchem neuen eingehenden Artikel und den durch die Zeitgeschichte der letzten Jahre gebotenen Nachträgen ein sehr umfängliches Register, in welchem die Gegenstände aufgeführt sind, welche in den 16 Bänden des Werkes oder in dem Supplementbande keine selbständigen Artikel oder Verweisungen auf solche gefunden haben, sondern in einem der Artikel selbst behandelt worden sind.

Das Brockhaus’sche Konversationslexikon, welches die bahnbrechende Idee seines ersten Begründers von Auflage zu Auflage in einer Weise durchgeführt, die den wachsenden Ansprüchen und Bedürfnissen des Publikums in jedem neuen Jahrzehnt gerecht wurde, erweist sich in seiner neuesten Gestalt als ein eben so inhaltreiches wie reich ausgestattetes Werk, welches auf allen Gebieten des Wissens, in allen Fragen der Zeit stets eine wohlbegründete Auskunft ertheilt. Dennoch darf es nicht bloß als ein unentbehrliches Nachschlagewerk betrachtet werden: viele der geschichtlichen, geographischen, naturwissenschaftlichen Artikel haben einen selbständigen Werth und bieten eine durchaus anregende Lektüre. Bilder, Karten und Pläne orientiren in willkommenster Weise überall dort, wo der Eindruck, den man beim Lesen erhält, durch die Anschauung ergänzt werden soll. In seiner jetzigen abgeschlossenen Gestalt zeigt sich das Konversationslexikon von Brockhaus als ein Werk seltensten Fleißes und umsichtiger Redaktion, als ein echter Hausschatz unseres Volkes. †      


Allerlei Kurzweil.


Schach.

Von Konrad Erlin in Wien.
SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem vierten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 740:
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. S c 8 – d 6 T c 1 – c 3 : 1. … K c 5 – d 4
2. D c 2 – b 5 K c 5 – d 4 2. D e 2 – d 2 K d 4 – c 5 a)
3. S d 6 – f 5 matt. 3. S c 3 – a 4 matt.

a) Falls 2 …. K d 4 – c 5 so 3. S d 6 – e 4: aufged. matt. – Nach 1. … L g 2 – f 1 ergiebt sich die schöne Wendung: 2. L b 8 – a 7: †, K c 5 – d 6: (b 4), 3. D c 2 – h 2 (b 2) matt. – Weiß droht mit 2. D c 4etc.

Ziffer-Räthsel.

1 2 3 4 schafft Mensch’ und Thieren,
Was ihnen thut am meisten noth,
Wogegen Schutz vor dem Erfrieren
1 2 3 3 schon Vielen bot.

Wodurch sich aber unterscheiden
2 3 1 2 und 1 2 2,
Darüber ließe sich noch streiten,
Ist beider Kunst doch Zauberei.

2 4 2 3 heißt, dessen Streben
Erzielt, was tugendhaft und brav,
Und welchem nicht gilt für das Leben
2 3 1 als Hauptparagraph.



Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Anfrage und Bitte. Wer von unsern geehrten Lesern vermag uns Adressen von Versorgungsanstalten anzugeben, in welchen ältere Frauen oder Männer entweder gegen Bezahlung, oder unter Leistung angemessener Gegendienste oder bei großer Armuth freie Aufnahme finden?

Wo giebt es ferner Anstalten, in welchen körperlich oder geistig Schwache, Gebrechliche und Unheilbare freie Unterkunft erhalten können?

Wir bitten dringend um Mittheilung derartiger Adressen und danken im Voraus allen Einsendern für ihre Bemühungen.

R. in Prag. Als sehr gute Singübungsstücke können wir Ihnen die kürzlich erschienenen „Zweistimmigen Lieder von Zenger“ (München, Hieber) empfehlen, welche um ihrer praktischen Brauchbarkeit willen in den Musikschulen in München und Würzburg eingeführt sind. Neben hübscher und ansprechender Melodie und Harmonie bieten sie in aufsteigender Schwierigkeit eine ausgezeichnete Schule für die Treffsicherheit, welche bekanntlich bei vielen Sängern und Sängerinnen sehr im Argen liegt. Die sämmtlichen Lieder sind a capella (ohne Klavierbegleitung) und bewegen sich mit Vorliebe in etwas schwierigen Einsätzen, deren Zusammenklang durchaus sicher und korrekt gehen muß. Im Anfang ist selbstverständlich für Ungeübte die Unterstützung durch das Klavier nöthig; bei einigem Fleiß aber wird der freie Vortrag schon bald erreicht werden und damit auch die Fähigkeit, schwerere Duette, z. B. die so vielbeliebten und meist so schlecht gesungenen Rubinstein’schen, wirklich befriedigend vorzutragen.

A. B. in Augsburg. Das schlichte Grab Dr. Gustav Nachtigal’s auf Kap Palmas ist in der „Gartenlaube“, Jahrg. 1885, S. 612 abgebildet; es soll sich jetzt in so verwahrlostem Zustand befinden, daß auf Befehl des Auswärtigen Amts die Leiche des berühmten Reisenden ausgegraben und nach Kamerun übergeführt werden soll. Dort wird ihm dann auch das Monument errichtet werden aus den Summen, die für das Denkmal auf Kap Palmas gesammelt worden sind.

C. K. in Riga. Geben Sie uns gefl. Ihre genaue Adresse an behufs brieflicher Auskunft.



Inhalt: Die Geheimräthin. Novelle von Hieronymus Lorm (Fortsetzung). S. 773. – Die Rekruten. Illustration. S. 773. – Londoner Nebel. Von Wilh. F. Brand. S. 779. – In den Zeiten des Fehderechts. Von Fr. Helbig. S. 780. Mit Illustration S. 776 und 777. – Der Unfried. Eine Hochlandsgeschichte von Ludwig Ganghofer (Fortsetzung). S. 781. – Vom Nordpol bis zum Aequator. Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfrad Edmund Brehm. Land und Leute zwischen den Stromschnellen des Nil (Fortsetzung). S. 784. – Beschränkung der Ansteckungsgefahr in Kurorten. Von Dr. Taube-Leipzig. S. 786. – Blätter und Blüthen: Ein Urtheil über Lassalle. S. 787. – Eine neuentdeckte Wildziege. Mit Abbildung. S. 787. – Am Caldonazzosee. S. 787. Mit Illustration. S. 781. – In der Todesstunde. S. 787. – Berthalda. S. 788. Mit Illustration S. 785. – Das Brockhaus’sche Konversationslexikon. S. 788. – Allerlei Kurzweil: Schach. S. 788. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 740. S. 788. – Ziffer-Räthsel. S. 788. – Kleiner Briefkasten. S. 788.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1887, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_788.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)