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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

Das Atelier hat nur ein einziges großes Fenster mit nicht ganz vollkommen reinem Nordlicht, gerade gegenüber von dem Fenster am anderen Ende des Saales führt eine Stiege, für sich ein Kunstwerk, wie Alles und Jedes im Atelier, zu einem Stübchen, das geradezu als das Ideal künstlerisch verschönter und gehobener Behaglichkeit angesehen werden darf. Im Atelier selbst nehmen natürlich in erster Reihe die Bilder Makart’s die Aufmerksamkeit für sich in Anspruch. Die eine Längenwand ist fast ganz verdeckt durch sein großes, unvollendet gebliebenes Gemälde „der Frühling“. Ein junger Ritter ist soeben am Bachesrand von seinem Rosse gestiegen, um einen Trunk entgegenzunehmen, den ihm ein blühendes, junges Weib reicht; um diese Beiden herum führt eine lustige Amorettenschaar einen übermüthigen Tanz auf. An den Seiten herum steht eine große Anzahl großer halbrunder Rahmen, mit theils fertigen, theils erst skizzirten Lunettenbildern für das neue kunsthistorische Museum. Da sehen wir auch ein fast fertiges, in bezaubernder Farbenpracht prangendes Stillleben, einige unvollendet gebliebene Portraits etc. Von den Bildern weg wendet sich dann der Blick auf die einzelnen decorativen Einrichtungsstücke. Wo soll man anfangen zu bewundern? Bei den in tiefen, gesättigten Farben glühenden persischen Teppichen, bei den funkelnden indischen Stoffen, bei den kostbaren Gobelins, bei den gewaltigen Bronzecandelabern, die in ihrer heiteren Schönheit ein ansehnliches Vermogen repräsentiren, bei den kunstvollen Waffen, den marmornen Alterthümern, bei dem geradezu verwirrenden Reichthum an köstlich geschnitzten Schränken, Stühlen, Truhen? Es ist nicht möglich, Einzelnes hervorzuheben, weil man sonst an tausend anderen Dingen ein Unrecht begehen würde; es nützt auch nichts, einzelnes, besonders Kostbares zu nennen. Das trifft man ja am Ende auch in Museen; was den Raum einzig, unvergleichlich macht, ist die Gesammtwirkung. Da steht und liegt jedes Ding auf dem richtigen Flecke und in richtiger Beleuchtung, und bei aller Pracht wirkt Alles so anspruchslos und so selbstverständlich, als wenn das Alles nur so sein müßte und gar nicht anders sein könnte.

Nur einem decorativen Genie allerersten Ranges war es möglich, das Kunstwerk zu schaffen, das unter dem Namen „Makart’s Atelier“ einen Weltruf errungen hat. Nach alledem erscheint es nur selbstverständlich, das gegenwärtig sowohl von der Künstlergenossenschaft, wie vom Gemeinderathe in Wien die Frage sehr ernsthaft in Erwägung gezogen wird, wie dieses Kunstwerk in seiner Gesammtheit für die Stadt Wien erhalten werben könnte.

Balduin Groller.     

Hans Makart † am 3. October 1884.



Fugger und der verschwenderische Herzog von Liegnitz. Herzog Heinrich XI. von Liegnitz, der in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebte, war ein wunderlicher Herr. Nach seiner verunglückten polnischen Königsfahrt, die ihm 24,000 Thaler gekostet hatte, spielte Herzog Heinrich von Liegnitz einige Jahre die Rolle eines Krippenreiters im heiligen römischen Reiche. Er versuchte bei allen Reichsfürsten und Reichsstädten zu borgen und sich auf die thörichtste Weise Credit zu verschaffen, und glaubte damit zu imponiren, daß er allenthalben mit einem Dutzend Paukenschläger und Trompeter, die ihn begleiteten, seinen Einzug hielt. Gewöhnlich bekam er auch ein Geschenk, oft wurde er aber auch mit Versprechungen abgespeist. Bei diesem fahrenden Leben blieb der Herzog lustig und guter Dinge und ließ den Muth nicht sinken. „Es war Seiner Fürstlichen Gnaden und unser Thun nur dieses,“ schreibt sein Hofmarschall und Reisegenosse, der originelle Hans von Schweinichen, „daß wir spazieren gingen in die Kirchen, Zeug- und Provianthäuser, uns nach schönen Jungfrauen umsahen, soffen, spielten und guter Dinge waren.“ In Nürnberg wollte der Herzog, wie Schweinichen des Weiteren berichtet, vom Stadtrathe 4000 Gulden borgen, die ihm aber abgeschlagen wurden; man gab ihm jedoch 100 Gulden und einen Gaul zum Geschenke. Mit herbem Spotte behandelte ihn der reiche Fugger in Augsburg.

Er zeigte dem geldarmen Fürsten aus grausamer Eitelkeit seine zahlreichen Kleinodien, einen Schatz, den er selbst auf eine Million taxirte, schloß einen Kasten auf, worin 200,000 Gulden lagen, führte ihn auf ein Thürmlein, welches von der Spitze an bis auf die Hälfte herunter mit lauter guten Thalern gedeckt war, und spannte dadurch Heinrich’s Verlangen nach Geld auf’s Höchste. Aber als der Herzog den freundlichen Geldmann um ein Darlehn von 4000 Thalern ansprach, wurde ihm seine Bitte höflich abgelehnt. Einen Tag später erbarmte sich Fugger Heinrich’s jedoch und schenkte ihm 200 Kronen, einen Becher und ein Roß mit einer schwarzen Sammetdecke. Darauf ersuchte Heinrich den Magistrat von Augsburg um ein Darlehn von 4000 Thalern, erhielt von diesem aber nur 1000 Gulden und ein Pferd. Da dies Geschenk indessen zur Bezahlung seiner in Augsburg gemachten Schulden nicht auslangte, versetzte der fahrende Herzog sein silbernes Tafelservice für 800 Thaler und gab dafür den Vornehmsten der Stadt einen Abschiedsschmaus. In Köln, wo er mit zehn blasenden Trompetern einzog, ließ der Gastwirth Beschlag auf seine Habe legen, während Heinrich den großen Gedanken faßte, die Königin Elisabeth von England zu heirathen und Hans von Schweinichen nach London zu senden, wogegen sich letzterer jedoch energisch wehrte. E. R.     



Zu viel Ehre. In der “guten, alten Zeit,“ als die Leute schon den Hut abnahmen, wenn sie von weitem ein Schloß zu Gesicht bekamen, erzählte ein Graf seinem alten Kanzleirath: “Ich habe diese Nacht von Ihm geträumt.“ Der „Unterthänigste“ erwiderte: „Ew. hochgräfliche Gnaden geruhen gnädigst zu verzeihen.“ – „Nun, was denn?“ – „Es wäre meine unterthänigste Schuldigkeit gewesen, von Ew. hochgräflichen Gnaden zu träumen.“ Chr. Hmn.     


Wie man ehedem in Danzig Häuser-Verkäufe beurkundete. Die Mittheilung des Herrn A. Lammers „Bei brennender Kerze“ (s. Nr. 26 d. Jahrg.) erinnert an eine alte Danziger Sitte, welche Jahrhunderte hindurch bestanden hat.

Der alte, weltberühmte „Artus- oder Junkerhof“ (die großen Kaufleute hießen hier im Mittelalter Junker), eine der größten Sehenswürdigkeiten der an historischen Denkmälern so reichen Stadt Danzig, hatte seit dem Jahre 1656, in welchem man seine ehrwürdigen Hallen schloß, keine andere Bestimmung, als die, daß das Schöppengericht fortfuhr, in einem vergitterten Verschlage unter dem Bilde des jüngsten Gerichts seine Sitzungen abzuhalten. Hier wurde über den zum Tode verurtheilten Verbrecher der Stab gebrochen, und hier kamen die Herren Schöppen, angethan mit schwarzem Mantel und geschmückt mit Spitzenkrausen, zusammen, um mittelst Hinwerfens eines Hutes die Tradition eines Häuserkaufes zu beurkunden. E. K.     


Die erste Perrücke trug Ludwig der Heilige, König von Frankreich, welcher im Jahre 1270 starb. Als er von seinem Kreuzzuge nach Palästina zurückkehrte, erschrak seine Mutter, Königin Bianca von Castilien, nicht wenig, den geliebten Sohn kahlköpfig zu erblicken; die Strapazen in dem heißen Klima hatten ihn seiner Haare beraubt. Aber sie wußte Rath, um diesem Mangel abzuhelfen; sie schnitt jedem Cavalier am Hofe, dessen Haar dem ihres Sohnes nur einigermaßen glich, eine Locke ab und nähte dieselben mit kunstgeübter Hand an einander, so daß sie bald einen stattlichen Haarschmuck für ihren Sohn fertig hatte. Die Nachfolger dieser ersten Perrückenmacherin erkannten auch die Verdienste der hohen Frau um ihre Kunst rückhaltlos an, indem sie deren Sohn, Ludwig den Heiligen, welcher zugleich der erste Kunde der ersten Perrückenmacherin gewesen war, zu ihrem Schutzpatron ernannten, was er auch bis auf den heutigen Tag geblieben ist. L. M.     


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_731.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2024)