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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)

kleine Gärtchen bei, welches den Eingang zu jedem Hause ziert. Auf die Pflege dieses winzigen Erdenfleckes wird meist eine rührende Sorgfalt verwandt. Ueberall herrscht eine musterhafte Sauberkeit. Durch klare Fenster, mit grünenden und blühenden Blumen und durch blendend weiße Vorhänge geschmückt, blickt uns eine einfache, unendlich anheimelnde Häuslichkeit an.

Und doch sind es ausschließlich kleine Leute, unbemittelte Leute, die hier wohnen: Arbeiter, welche in Fabriken und Werkstätten ihr Brod verdienen müssen, Handwerker, Unterbeamte etc. Die Größe der Wohnungen vermag ja auch nur bescheidenen Ansprüchen zu genügen: zwei oder drei Zimmer mit Dachstübchen, Bodenkammer und sonstigen Bequemlichkeiten gewähren keinen Raum für ausgedehnte Wirthschaftsführung. Aber glückliche, zufriedene Menschen lernen wir dort kennen, die nicht ohne innere Genugthuung, nicht ohne ein Gefühl des Stolzes sich bewußt scheinen, daß sie durch eigene Arbeit, durch Sparsamkeit und Sinn für Vorwärtsstreben dies vor sich gebracht haben! Glückliche Menschen, die an sich selbst die frohe Wahrheit des alten Spruches erfahren: „Eigener Herd, Goldes werth!“ Ja, es bildet sich im Verein und durch den Verein, namentlich aber unter den Hauseigenthümern eine wahrhafte Elite des Arbeiterstandes aus. Immer mehr ist es bei den strebsamen Elementen der Kopenhagener Arbeiterbevölkerung gute Sitte geworden, dem Bauverein anzugehören. Daß sich jedoch auch die andern Classen nicht zurückhalten, kann nur erfreulich sein. Die Theilnahme eines Arbeitgebers zieht oft genug zugleich den Anschluß seiner Arbeiter nach sich. Und selbst der Kronprinz Frederik von Dänemark steuert seit Jahren als ordentliches Mitglied seine vierzig Pfennig für die Woche bei.

Eine Straße des Arbeiterbauvereins in Kopenhagen.

An der Spitze des Vereins begegnen wir noch heutigen Tages den meisten der wackeren Männer, welche seiner Zeit die ersten Grundsteine legten. Wir nennen vor Allem den trefflichen Menschenfreund Dr. F. Ulrik, dessen Verdienste nicht hoch genug geschätzt werden können. Neben ihm sind die Herren Maschinenmeister N. C. Jensen, Kaufmann Moses Melchior aufzuführen. Sie und so manche Andere haben mit unendlicher Hingabe dem schönen Werke gedient, sie sehen jetzt aber auch in so herrlichem Maße die Früchte ihres Strebens vor Augen.

Im Laufe dieses Jahres werden die Häuser des Vereins von etwa 5000 Personen bewohnt sein, eine Zahl, die sich in Zukunft um nicht viel weniger als 1000 Seelen jährlich vergrößern dürfte. Welches Glück wird ihnen durch die Genossenschaft zu Theil! Wie außerordentlich haben sich ihre gesammten Lebensbedingungen mittelst dieser Vereinigung gehoben, die ja freilich keine bedeutenden Geldopfer, wohl aber Sinn für sociales Emporkommen, wirthschaftliche Einsicht, Glauben an die Tugend der Sparsamkeit und an die Kraft der Selbsthülfe erfordert!

Der Kopenhagener Arbeiter-Bauverein darf mit Recht als ein Muster hingestellt werden. Als solcher ist er in manchen kleinen dänischen Städten, den Verhältnissen nach freilich modificirt, nachgeahmt worden. Auch die deutsche Stadt Flensburg hat, seinen Grundbestimmungen entsprechend, aber unter Berücksichtigung der deutschen Genossenschaftsgesetzgebung, einen Arbeiterbauverein in’s Leben gerufen, der sich ebenfalls überaus glücklich entwickelt.

An dieser Stelle jedoch rufen wir weit, weit hinein in die Kreise unserer arbeitenden Classen: „Macht Euch jenes stolze Beispiel vom Sunde her zu Nutze! Was dort geschieht, kann auch von Euch geschehen, und der Segen wird kein geringerer sein!“

P. Chr. Hansen.


Die Hagenbeck’schen Singhalesen.

Die in neuerer Zeit in Deutschland wiederholt auftretenden Schaustellungen außereuropäischer Menschenrassen üben wohl auf Jedermann eine eigenthümliche Anziehungskraft aus. Es ist dies namentlich der Fall, wenn diese Fremdlinge, welche der Mehrzahl der Besucher wohl nur aus Abbildungen und Beschreibungen bekannt sind, in Begleitung ihrer eigenthümlichen Hausthiere erscheinen und wir somit Gelegenheit haben, die originelle Art und Weise, in welcher letztere von ihren Besitzern behandelt, gepflegt und benutzt werden, kennen zu lernen. Die ersten Versuche, wie auch die bedeutendsten Unternehmungen in dieser Richtung hat unseres Wissens der bekannte Thierhändler Karl Hagenbeck in Hamburg mit großem Erfolge durchgeführt, und von ihm ist auch das Arrangement der großen „Singhalesen-Karawane“ ausgegangen, welche diesen Sommer hindurch die größeren Städte Deutschlands bereist und bereits Hamburg, Düsseldorf, Frankfurt am Main und Dresden hinter sich hat.

Es sind das keine imitirten, sondern echte Singhalesen, wirkliche Einwohner der Insel Ceylon, welche die Agenten Hagenbeck’s zu einer Reise nach Europa veranlaßt haben. Sie sind mit Kind und Kegel bei uns erschienen, haben ihre leichten Hütten, ihre Hausthiere, Elephanten und Zeburinder, mitgebracht und auch die zweiräderigen „Ochsendroschken“ nicht vergessen.

Wir haben die immergrüne Heimath dieses 1½ Millionen Seelen zählenden Volkes erst vor Kurzem unsern Lesern ausführlich geschildert (vergl. „Gartenlaube“ Jahrgang 1883, Nr. 11) und können uns darum heute auf die Beschreibung des Thun und Treibens beschränken, welches sich beim Besuch der eigenartigen Schaustellung vor unsern Augen entwickelt.

In Mittelpunkte eines weiten freien Raumes befindet sich ein großes Wasserbassin, um welches die leichten Hütten der Singhalesen, aus Bambusstäben und einer Bedeckung von trockenen Palmblättern erbaut, sich gruppiren. Die Räume zwischen und hinter den Hütten sind mit Palmen und anderen großblätterigen Pflanzen entsprechend decorirt, sodaß das Ganze einer kleinen ceylonesischen Ansiedelung gewiß täuschend ähnlich sieht. – Es ist am frühen Morgen, nur einzelne Besucher zeigen sich hier und dort – in einer von den niederen Hütten ist der weibliche Theil der singhalesischen Bevölkerung eifrigst mit allerlei künstlichen Arbeiten beschäftigt. Die Männer füttern ihre Elephanten und Zebus oder lungern, mit der unvermeidlichen kurzen Pfeife im Munde und einem Kinde auf dem Arme, bei den Hütten umher. Ihr Körperbau ist leicht und zierlich, unter Mittelgröße, ja klein zu nennen, namentlich überrascht die geringe Größe der meistens sehr corpulenten Frauen und Mädchen. Der Gang ist rasch und elastisch, die Haltung aufrecht, die Haut zeigt bei den meisten Individuen eine prächtige Bronzefarbe, bei Andern ein Mandelgelb bis zum Braunschwarz hinab. Schädel- und Gesichtsbildung variiren sehr, doch scheinen die schmale, hohe Schädelform, eine etwas stumpfe Nase und gewulstete Lippen vorherrschend zu sein. Die Männer haben kurzen Bart und wie die Weiber langes, schwarzglänzendes Kopfhaar, welches von beiden Geschlechtern zu einem Chignon am Hinterkopfe aufgebunden und durch einen Hornkamm befestigt wird. Die Kleidung der Männer besteht in der Regel nur aus einem um die Hüften geschlagenen, bis auf die Füße hinabreichenden bunten Stücke Zeug, der Kopf ist turbanartig mit einem farbigen Tuche umschlungen. Die Frauen tragen den Kopf frei, aber außer dem langen Unterkleide noch kurze Jäckchen.

Die Kopfzahl der diesjährigen „Singhalesen-Karawane“ beziffert sich auf circa 40 Personen, darunter Männer, Frauen und Kinder jeden Alters. Die mitgeführten Thiere bestehen in einer Anzahl des schön gebauten Zebu, oder Zwerg-Buckelrindes und 20 Elephanten verschiedenen Alters. Um die Verwendung der Elephanten in ihrer Heimath zu zeigen, werden die riesigen Thiere im Laufe des Tages mehrere Male mit dem

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_564.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2023)