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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884)


Blätter und Blüthen.


„Gesellschaft der Waisenfreunde.“ So nennt sich der Verein, dessen Gründung in dem Artikel „O Weihnacht, wo kein Kind im Haus“ („Gartenlaube“ 1883, S. 766) angekündigt und der seitdem in’s Leben gerufen worden ist. Die vielen Zuschriften und Anfragen, welche in Folge jenes Artikels an die Redaction ergangen sind, machen es uns zur Pflicht, das Programm dieser Gesellschaft hier mitzutheilen und den vielen Kinderfreunden unter unseren Lesern den Weg zur Erlangung der Mitgliedschaft derselben zu erleichtern. Es folge zunächst das

Programm
der
Gründung eines Vereins zur Versorgung von Waisen in kinderlosen Familien.

§ 1. Name des Vereins: „Gesellschaft der Waisenfreunde“.

§ 2. Zweck: Versorgung von Voll- oder Halbwaisen in finanziell, sittlich und gemüthlich befähigten, namentlich kinderlosen Familien zur Annahme und Erziehung bez. Adoption.

§ 3. Mitgliedschaft. Jede selbstständige, unbescholtene Person, männlichen oder weiblichen Geschlechts, welche die Absicht hat, sich der Noth armer Waisen in Liebe zu erbarmen und im Interesse derselben zu wirken, kann Mitglied werden. Sie hat sich zu dem Zwecke bei dem Vorstande (§ 6) unter Angabe der vollständigen Adresse zu melden und einen jährlichen, freiwilligen Beitrag, nicht unter 3 Mark, zur Bestreitung der Kosten zu gewähren.

§ 4. Aufgabe der Mitglieder: Die Mitglieder haben

     1) den Vorstand auf das Vorhandensein versorgungsbedürftiger Voll- oder Halbwaisen aufmerksam zu machen;

     2) die bezüglichen Fragebogen auszufüllen und den Vorstand durch etwa nöthig sich erweisende Verhandlungen mit den Vormündern bez. der Vormundschaftsbehörde zu unterstützen;

     3) kinderlose vermögende Ehepaare, die gern ein Waisenkind als eigen annehmen wollen, auf die Bestrebungen des Vereins aufmerksam zu machen und den Vorstand davon in Kenntniß zu setzen;

     4) dem Vorstande gewissenhafteste, genaue Auskunft über die finanzielle, sittliche und gemüthliche Befähigung von Personen, welche Waisen annehmen wollen, auf dessen Anfordern zu ertheilen;

     5) durch Empfehlung des Vereins und Werbung für denselben den Mitgliederstand nach Möglichkeit zu vermehren;

     6) den nach § 3 bestimmten Jahresbeitrag alljährlich im Monat Januar für das laufende Verwaltungsjahr an den Cassirer einzusenden.

§ 5. Corporative Mitglieder. Auch Corporationen wie Stadtvertretungen, Ortsgemeinderäthe, Bezirks- und Kreisvertretungen, Freimaurerlogen können als solche die Mitgliedschaft erlangen und hat der jedesmalige Vorsteher derselben die Vertretung zu übernehmen.

§ 6. Vorstand: Derselbe besteht zur Zeit aus den am Ende dieses unterzeichneten Personen.

§ 7. Verwaltungs- und Rechnungsjahr ist das Kalenderjahr.

§ 8. Aufwand. Alle Aemter sind Vertrauens- und Ehrenämter. Nur unumgängliche Ausgaben werden aus der Vereinscasse bestritten. Etwaige Ueberschüsse sind zu einem Fonds zu Nutz und Frommen der Waisenversorgung anzusammeln.

§ 9. Generalversammlung. Sie findet während der Ostermesse zu Leipzig statt und wird Zeit und Ort durch die „Gartenlaube“ rechtzeitig bekannt gemacht.

Der Vorstand.

Dr. Friedrich Hofmann, Redacteur der „Gartenlaube“, in Leipzig, Vorsitzender. Karl Otto Mehner, Schuldirector in Burgstädt bei Chemnitz, Geschäftsführer. K. Glob. Dießner, emerit. Direktor, in Leipzig, Cassirer. Dr. Messerschmidt, Stadtrath in Leipzig, Beisitzer. O. Staudinger, Procurist von E. Polz in Leipzig, Beisitzer.

Um die Mitgliedschaft zu erlangen, sendet man einen ersten Jahresbeitrag (also nicht unter 3 Mark) an den Cassirer (Herrn Director K. G. Dießner, Leipzig, Emilienstraße 9) ein und empfängt dafür Mitgliedskarte und Programm.

Wenn in einer kurzen Reihe von Jahren und ohne die Hülfe äußerer Verbindung dem Zusammenwirken zweier Männer es möglich war, in 82 kinderlosen Ehepaaren den Wunsch nach Annahme einer armen Waise an Kindesstatt zu erwecken und der Mehrzahl derselben auch zu erfüllen, so darf man sich wohl der Hoffnung hingeben, daß ein freudiges Zusammenarbeiten von Hunderten, ja vielleicht Tausenden für denselben Zweck bald ebenso viele Elternherzen um die schönsten und seligsten Freuden des Hauses bereichern werde. Wer es erst erfahren hat, wie sanft ein Kinderhändchen streicheln, wie lieb ein Kindermund bitten, danken und lachen und wie bezaubernd ein Kindesauge blicken kann, der weiß, was der Schatz werth ist, den er in einem Kinde empfängt.

Der Wunsch nach einem Kinde will aber anders behandelt sein, als jeder andere Wunsch; er ist zarter Natur und meidet scheu die Oeffentlichkeit. Dieses Gefühl haben wir zu achten, und da es im Programm nicht ausgesprochen ist, so sei es hiermit erklärt und von allen Mitgliedern der Gesellschaft der Waisenfreunde gefordert, daß sie in ihren Bemühungen für unsere Zwecke jeden einzelnen Fall als ein Geheimniß behandeln, von welchem nur sie und der Vorstand Kenntniß haben dürfen. Gelingt der große Wurf, ein Elternpaar mit einem Kinde so glücklich zu machen, daß es selbst seine Freude offenbart, so ist das seine Sache. Wir haben auch bei unseren Berichten über die Erfolge unserer Thätigkeit stets nur Zahlen, niemals Namen zu nennen.

Einen Bericht können wir schon heute erstatten: wir dürfen unseren Anfang preisen, denn ein alter Kinderfreund ist dem Verein als Erster mit einer Jahreszahlung Von 100 Mark beigetreten.

Möge das Unternehmen der Waisenfreunde kräftig aufblühen und im freudigen Wetteifer mit dem Reichswaisenhause dem beklagenswerthesten Theil der deutschen Kindheit zum Heil gereichen! Fr. Hofmann.     



Eine südafrikanische Wüstenpflanze. Im vergangenen Sommer besuchte der wohlbekannte Meteorologe Freiherr Dr. A. von Danckelman, nachdem er über ein Jahr in der Station Vivi am Congo seinen Studien obgelegen hatte, auch die südlichen Küstenstriche von Unterguinea. In der portugiesischen Colonie Benguela unternahm er von Mossamedes aus eine Forschungstour in das Innere, erstieg das Chellagebirge und verkehrte mit den Boers, welche sich nach ihrem unheilsvollen Zuge quer durch Südafrika in Benguela niedergelassen haben. Unweit Mossamedes sammelte der Forscher das kaum seit einem Vierteljahrhunderte bekannte und von Hooker nach dem Entdecker, dem österreichischen Botaniker Welwitsch Welwitschia mirabilis benannte, in der That wunderbare Gewächs, welches wie ein Ueberlebsel längst vergangener Zeiten sich bis zur Gegenwart erhalten hat.

Es giebt nicht viele Exemplare der Welwitschia in Europa und viele Fachleute haben sie noch nicht in Händen gehabt. Außer dem Entdecker selbst hat später Monteiro, der Autor eines ausgezeichneten Buches über das südliche Unterguinea, verschiedene Exemplare nach England gesandt. Nun hat auch Dr. von Danckelman die botanischen Sammlungen von Hamburg, Dresden und Leipzig mit Welwitschien bereichert. Die nach Dresden gelangte jüngere und lebensfähige Pflanze ist in beifolgender Abbildung wiedergegeben. Es ist ferner Dr. von Danckelman geglückt, ein anderes, ebenfalls von Welwitsch in dem betreffenden Gebiete entdecktes und kaum minder seltsames Gewächs, Sesamocarpus benguellensis Welw., noch lebend nach Europa zu bringen, welches nun seit Monaten im botanischen Garten zu Leipzig trefflich gedeiht.

Welwitschia mirabilis.
Nach einer Natur-Aufnahme von Dr. Pechuel-Loesche.

Die Heimath dieser Pflanzen ist ein echtes Stück Wüste, welches wie die Sahara im Norden die begünstigteren Striche Westafrikas im Süden abgrenzt. Jenseits der Congomündung beginnt in Folge ungenügenden Regens die Küstenvegetation ärmlich zu werden. Waldwuchs findet sich nur noch an Flußufern oder auf sumpfigem Boden. Das höhere Land trägt getrennt von einander und büschelförmig wachsende Gräser, in welche lockere Gruppen starrer, wunderlich geformter Wolfsmilcharten, riesiger Affenbrodbäume, struppiger Fächerpalmen eingestreut sind, mit denen niedrige Dornhage abwechseln. Je weiter nach Süden, um so kümmerlicher wird die Vegetation, um so öder die Landschaft. Die Bäume verschwinden fast gänzlich, die Gräser decken kaum noch einzelne Stellen, die Gestrüppe lösen sich in vereinzelte graugrüne Dornbüsche auf; Aloe-Arten erscheinen, und allmählich gewinnt der Küstenstrich einen überaus trostlosen Charakter. Der nackte, aus Sand, Grus und Felsen bestehende Boden ist unbeschattet den sengenden Strahlen der Tropensonne ausgesetzt und wird manchmal jahrelang nicht durch Regen erfrischt.

Von Süden her wälzt sich ein kalter Meeresstrom an der Küste entlang und erniedrigt die Lufttemperatur, Ueber dem Meere lagern Nebel- und Dunstbänke, die bisweilen unheimlich schnell vor dem Seewinde her landeinwärts rollen, wie ein grauer Vorhang den wolkenlosen Himmel verhüllen und sich wieder auflösen.

Das ist die Heimath der Welwitschia. Auf einem so trostlosen Stück Erde ist auch das saubere portugiesische Küstenstädtchen Mossamedes erbaut, welches als eine Gesundheitsstation für alle unter dem Tropenklima Leidenden gilt. Etwa 800 Weiße wohnen daselbst und es ist der einzige Ort im tropischen Westafrika, wo auf die Dauer ein Familienleben für Europäer möglich ist, wo deren im Lande geborene Kinder fröhlich gedeihen. Wasser ist selten und wird aus Brunnen gezogen, denn die Flußbetten sind fast immer leer. Trotzdem hat Menschenfleiß an günstiger Stelle im Norden des Städtchens einige Pflanzungen und an den Häusern einige Gärten angelegt, welche künstlich bewässert werden. Da gedeihen Baumwolle und Zuckerrohr, Kohl, Kartoffeln, Gurken, Weintrauben für die Einwohner, Gras für die wenigen Hausthiere. Längs des Strandes verläuft eine mit kümmerlich gedeihenden Kokospalmen bepflanzte Promenade.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1884). Leipzig: Ernst Keil, 1884, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1884)_323.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)