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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


„Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll, Leonhard,“ sagte sie. „Ich weiß nur, daß man härter, schärfer über ihn urtheilen könnte. Das will ich nicht. Aber ihn liebgewinnen? Ich? O mein Gott – wenn es mir auch nicht fern, nicht himmelweit fern läge – ich dürfte es ja gar nicht, ich nicht.“

Leonhard schwieg darauf; wie sich in ernsten Gedanken verlierend, blickte er vor sich hin.

„Lassen Sie uns davon nicht reden!“ sagte sie nach einer Pause. „Sie haben mir versprochen, diesen Punkt nie zu berühren – Sie haben es versprochen, Leonhard, als ich Ihnen nachgab und mich bereit erklärte, hier zu thun, was Sie mir als meine Pflicht darstellten.“

„Und was es doch auch war?“

„Was es war – nun ja – freilich – streiten wir darum nicht! Ich bin ja hier und thue meine Pflicht!“

Sie schwieg eine Weile.

„Kommen Sie!“ sagte sie dann plötzlich, sich erhebend und seinen Arm nehmend, um sich zärtlich und hingebend an seine Seite zu schmiegen; „gehen wir zu ihm in’s Haus – auf dem Wege dahin habe ich Ihnen etwas zu zeigen, Leonhard.“

Sie gingen die Allee hinauf, dem Edelhofe zu.

„Wie finden Sie denn eigentlich Ihre Hausgenossen?“ fragte er. „Haben Sie wirklich, wie Sie mir schrieben, in Allem meine Vorschriften und Ihren Willen durchsetzen können?“

„Meine Hausgenossen!“ sagte sie lächelnd – „ach, sie sind nicht ganz so arg, wie ich sie mir gedacht hatte. Einer darunter ist mir sogar interessant; es macht mir ein boshaftes Vergnügen, ihn zu beobachten –“

„Und dies ist?“

„Dies ist Sergius von Sander –“


(Fortsetzung folgt.)


Zur Geschichte des Tabaks.
Zeitgemäße Mittheilungen von Ferdinand Sonnenburg.

Auch der Tabak ist eine Macht. Nur zu lebhaft drängt sich uns heute dieser Satz auf, heute, wo im Schooße des deutschen Volkes um das Tabakmonopol der erbittertste Kampf entbrannt ist und Hunderttausende mit Hangen und Bangen dem Ausgange desselben entgegensehen. –

Und nicht von heute ist die Macht des Tabaks. In raschem Zuge und mit unwiderstehlicher Gewalt hat er sich innerhalb weniger Jahrhunderte über die gesammte bewohnte Erde verbreitet: In der traurigen Oede des eisigen Nordens, in den üppigen Gefilden der heißen Zone, in den culturreichen Ländern der gemäßigten Klimate, überall hin hat er seine Herrschaft ausgedehnt; unter sein Scepter beugt sich der thätige Geschäftsmann wie der einsame Gelehrte, der arme Lohnarbeiter wie der reichste Geldbaron; in den Schlössern der Könige und Kaiser sind ihm Altäre errichtet, und Dichter haben ihm ihren Tribut gespendet. Wer seine Macht in so großartiger Weise documentirt hat und heute gerade das allgemeine Interesse beherrscht, über dessen Geschichte dürften unsern Lesern wohl einige Mittheilungen nicht unwillkommen sein.

Die Heimath des Tabaks ist unbestreitbar die neue Welt. Vor der Entdeckung Amerikas haben die übrigen Erdtheile den Tabak nicht gekannt. Wie alt aber in der neuen Welt sein Gebrauch ist und was den letzteren veranlaßt hat, darüber fehlt uns jede Nachricht. Als Columbus am 12. October 1492 an der Insel Guanahani landete, bemerkten die Spanier mit Erstaunen, daß die Eingeborenen Rauchwolken aus Nase und Mund ausbliesen. Ein trockenes Kraut wickelten sie in ein Maisblatt, zündeten das eine Ende der Rolle an und sogen aus dem andern den Rauch ein. Eine solche Rolle nannten sie Tabaco, das Kraut selber aber führte den Namen Kohoba; Tabaco wurde auch ein gabelförmiges Rohr genannt, dessen Aeste die Indianer in die Nase einführten, während sie das andere, trichterförmig erweiterte Ende über die auf Kohlen dampfenden Kohobablätter hielten und den Rauch derselben einsogen. Die frischen Blätter der Kohoba waren ihnen ein sehr beliebtes Wundkraut. Auch pflegten sie Hütten, in denen Kranke lagen, mit Tabaksdampf anzufüllen, um die Schmerzen derselben zu lindern und ihre Leiden zu heilen. Sie hielten das Kraut in hohen Ehren und betrachteten es als heilig; es sei, sagten sie, ein Geschenk des großen Geistes, der, wie alle guten Geister, ein eifriger Tabakraucher sei. Wollten sie dem Herrn der Welt ihren Dank bezeigen oder den Zorn desselben versöhnen, so zündeten sie ein Feuer an und streuten ihre besten Tabakblätter als Opfer auf die glühenden Kohlen.

In Mexico, welches die Spanier bekanntlich 1519 eroberten, fanden sie den Gebrauch des Tabaks ganz allgemein verbreitet; denn überall, wohin sie im Lande kamen, sahen sie die Bewohner jener Gegenden Schilfrohre mit den trockenen Blättern füllen, denen sie Rosenblätter und wohlriechende Harze beimischten. Auf die Anfertigung dieser Rohre, in denen wir die ersten Pfeifen erkennen, verwandten die Mexicaner viele Mühe und Kunst; sie verzierten dieselben mit den Abbildungen von Blumen und Thieren und brachten goldene Zierrathen darauf an. Die beliebteste Stunde zum Rauchen war bei ihnen die Zeit nach dem Mahle, und der Kaiser Montezuma sowie sein ganzer Hof versäumten nie nach aufgehobener Tafel den Genuß des duftigen Rauchrohres, welches Seine Majestät sich von den schönsten Mädchen anzünden und reichen ließ. Daneben bedienten die Mexicaner sich des Tabaks auch schon zum Kauen und Schnupfen.

Die Spanier ahmten das Tabakrauchen sehr bald nach und fanden großes Wohlgefallen daran. Sie beschrieben, als sie in die Heimath zurückkehrten, ihren Landsleuten das merkwürdige Kraut und brachten auch Samen desselben mit. Aber in Spanien cultivirte man die Pflanze anfangs nur vereinzelt in Gärten als Ziergewächs und als Arzneimittel; man verwendete die frischen Blätter oder den ausgepreßten Saft derselben gegen Kopfschmerz, Magenbeschwerden, Gicht und Zahnschmerzen, und auf diesem Gebiete erlangte die Tabakpflanze bald einen so bedeutenden Ruf, daß berühmte Aerzte sie als ein Universalmittel gegen alle körperlichen Leiden priesen.

Nach Frankreich gelangte die Kunde von dem wunderbaren Kraute durch Jean Nicot, der sich 1560 als französischer Gesandter am Hofe zu Lissabon befand, und nach seinem Namen wurde die Tabakspflanze Nicotiana genannt; ein etwas älterer Name für dieselbe, welcher einem brasilianischen Worte nachgebildet sein soll, ist Petum. Auch in Frankreich wandte man den Tabak zuerst nur als Heilmittel an, und besonders beliebt war die Pulverform zum Schnupfen. König Franz der Zweite schnupfte sehr eifrig, um seine heftigen Kopfschmerzen zu vertreiben, und natürlich beeilten sich auch die Hofleute, zu schnupfen, ja, sogar die Damen folgten bald nach. Die Geistlichkeit gebrauchte den Schnupftabak auf’s Eifrigste als Schutzmittel „gegen die Liebe“.

Nun breitete sich der Ruf dieses Wunderkrautes rasch über die Länder aller gebildeten Völker aus. In Deutschland erhielt im Jahre 1565 der Augsburger Stadtphysikus Adolf Okko getrocknete Tabaksblätter als neues Heilmittel von einem Freunde aus Frankreich zugesandt, da er sie aber nicht kannte, schickte er sie an einen befreundeten Arzt in Memmingen; auch dem waren sie neu; er sandte sie deshalb an den berühmten Botaniker Konrad Geßner in Zürich, und diesem wurde die Vermuthung, daß diese Blätter Tabak sein möchten, von dem gelehrten Benedict Aretius in Bern, der die Pflanze bereits in seinem Garten gezogen hatte, bestätigt. Im Laufe des siebenzehnten Jahrhunderts sproßte in der Schweiz und in Deutschland schon eine ziemlich reiche Literatur über den Tabak auf.

Vielleicht aus demselben Grunde, der in Frankreich die Geistlichen Freundschaft mit dem Tabak schließen ließ, zeigten auch in Italien hohe Kirchendiener sich als wohlwollende Beschützer des heilsamen Krautes. Der Bischof Tornaboni, Gesandter am französischen Hofe, schickte den ersten Samen nach Florenz.

Nach Rom gelangte derselbe durch den päpstlichen Nuntius in Lissabon, den Cardinal de Santa Croce, und nach ihm nannte man die Pflanze Erba Santa Croce (Kraut des heiligen Kreuzes). Aber hier, am Sitze der allzeit kriegsbereiten Nachfolger Petri, erwuchs dem Tabak zuerst Widerstand, der bald in einen Vernichtungskrieg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_262.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)