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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Wie mancher Andere, den König Friedrich erhoben, ward auch Kreutzer gestürzt. Er erhielt seine Entlassung und mußte sein unstätes Wanderleben von Neuem beginnen. Zum Glück war er jetzt kein Unbekannter mehr; ein wohlbegründeter Ruf ging ihm voraus, und seine Concerte wurden eifrig besucht. Aber dem Vater dreier Kinder war doch eine feste Heimath nothwendig.

Als eine Gunst des Schicksals begrüßte er es daher, als er in Augsburg im September 1817 ein Schreiben des Fürsten zu Fürstenberg erhielt, welcher ihn einlud, in seine Dienste zu treten und die Leitung seiner Hofcapelle zu übernehmen.

Der Fürst Karl Egon zu Fürstenberg hatte, eben erst volljährig geworden, im Jahre 1817 die selbstständige Herrschaft über seine großen Besitzungen übernommen. Hochbegabt, voll des lebhaftesten Interesses für Kunst und Wissenschaft, schuf er in seiner kleinen Residenzstadt Donaueschingen ein so reges geistiges Leben, daß manche große Residenz damit nicht wetteifern konnte. Kreutzer’s äußere Stellung in Donaueschingen war für die Verhältnisse jener Zeit eine nahezu glänzende, und da ihm überdies ein jährlicher Urlaub von zwei bis drei Monaten bewilligt war, konnte er auch seine Concertreisen gelegentlich wieder aufnehmen. Neben der Leitung der Kirchemusik und des kleinen, aber gut besetzten Orchesters im fürstlichen Schlosse lag ihm die musikalische Direction des Hoftheaters ob, in welchem neben anderen Dilettanten auch die Mitglieder der fürstlichen Familie selbst auftraten. Hier wurden Operetten und Singspiele zur Aufführung gebracht, und für besonders festliche Gelegenheiten mußte der Capellmeister wohl auch angemessene neue Werke schaffen.

Außer den drei Opern „Die Alpenhütte“ (Text von Kotzebue), „Die zwei Worte“ oder „Die Nacht im Walde“ und „Aesop in Lydien“ componirte Kreutzer in Donaueschingen noch vier Ouverturen, ein großes Sextett, eine achtstimmige Harmoniemusik, ein Te Deum und eine Cantate zum Geburtstage des Fürsten. Derartige Leistungen wurden besonders honorirt, freilich nicht gerade fürstlich: die kleineren Opern mit fünfzig, „Aesop“ mit hundert Gulden, alle übrigen Compositionen zusammen mit hundertfünfzig Gulden. Diese Geldfragen haben indeß keinen wesentlichen Einfluß auf den von Kreutzer im Jahre 1822 gefaßten Entschluß geübt, den Dienst des Fürsten zu verlassen. Er sah ein, daß die kleinen Verhältnisse in Donaueschingen sein reiches Talent nicht zur Geltung bringen konnten. Die Liebenswürdigkeit der fürstlichen Familie, in deren engstem Kreise er verkehrte, war kein Ersatz für den Jubel des Beifalls, an den sein Ohr sich während seiner Kunstreisen gewöhnt, und gerade die Wiederholung solcher Reisen während der Urlaubszeit machte ihm nachher im stillen Donaueschingen den Contrast doppelt fühlbar. Bald sah er sich veranlaßt, zu dem ihm zugesicherten Urlaub noch weitere Erlaubniß zu längerer Abwesenheit zu erbitten. So unter Anderem im August 1821, als er von der Hoftheater-Intendanz in München die Einladung erhielt, den Proben und Aufführungen seiner Oper „Aesop“ beizuwohnen und ein paar Concerte in dem großen Opernhause zu geben.

„Ich erbitte den Urlaub,“ schrieb er an den Fürsten, „zur Begründung meines Namens als Compositeur; auch ist es wirklich damit hohe Zeit, da ich schon das vierzigste Jahr zurückgelegt habe.“ Diesen Gedanken führte er in einem zweiten Schreiben an den Fürsten noch weiter aus: „Euer Durchlaucht müssen nicht glauben, daß mich blindlings Lust nach Ruhm, Ehre und Geld in die große Welt hinauslockt; das nimmt der Mensch freilich auch gern mit. Nein, sondern die Ueberzeugung, daß der Künstler, auf welcher Seite er auch sein mag, von Zeit zu Zeit große Orchestercompositionen hören muß.“

Während eines längeren Urlaubs, den er unter großen Anregungen in Wien verlebte, zeigte sich ihm die Unmöglichkeit, jemals wieder in die kleinstädtische Enge zurückzukehren. Im März 1822 bat er von dort aus den Fürsten um seine Entlassung, die ihm auch bewilligt wurde. Wenzel Kalliwoda ward sein Nachfolger.

Während des Sommers 1822 componirte Kreutzer in Wien die Oper „Libussa“, die am 4. December im Kärnthnerthor-Theater mit außerordentlichem Beifalle aufgeführt wurde. Zu den Erfolgen gehörte auch seine Ernennung zum Capellmeister an demselben Theater, dessen Leitung damals in den Händen des Italieners Barbaja lag. Seine feste Besoldung betrug 3000 Gulden österreichische Währung und 1000 Gulden garantirtes Benefiz von einer jedes Jahr zu componirenden großen Oper. In dieser Stellung blieb Kreutzer bis zum Jahre 1833 und war als Dirigent wie als Componist überaus thätig. Sein Talent hatte vorwiegend auf dem Gebiete der lyrischen Oper und des Liedes große Anerkennung gewonnen. Häufig veranstaltete er Concerte oder, wie man damals in Wien sagte, „Akademien“, bei denen er viele seiner Compositionen zur Aufführung brachte, seine Clavierconcerte meist selbst mit unbestrittener Meisterschaft vortragend. Als Barbaja im Jahre 1827 starb und in Folge dessen das Kärnthnerthor-Theater eine Zeit lang geschlossen wurde, ging Kreutzer nach Paris, wo aber seine dort aufgeführte neue Oper „L’eau de la jouvence“ wenig Beifall fand. Gern kehrte er deshalb wieder in seine Stellung am Kärnthnerthor-Theater zurück, als Graf Gallenberg 1828 dessen Leitung übernahm. Im Jahre 1833 trat er als Capellmeister zum Josephstädter Theater über.

Während der Jahre, in denen er in dieser Stellung wirkte, gelangen ihm die beiden glücklichsten unter seinen Opernschöpfungen: „Melusine“, nach einem von Grillparzer (ursprünglich für Beethoven) gedichteten Text, und sein bekanntestes und populärstes Werk „Das Nachtlager von Granada“. Für dieselbe Bühne schrieb er die Musik zu Raymund’s „Verschwender“, von der Riehl sagt, daß in ihr Kreutzer’s Genius am liebenswürdigsten erscheine und der schlichte Liedesklang die größten Wunder wirke. Außerdem schrieb er noch eine Anzahl von seither völlig verschollenen Opern, die alle in Wien aufgeführt wurden.

Riehl berichtet, daß Kreutzer in geweihten Stunden mit fabelhafter Geschwindigkeit gearbeitet und gerade seine schönsten, von wärmerem Dichterhauch beseelten Lieder so flüchtig hingeworfen habe, wie sonst nur der handwerksmäßige Kunstbetrieb schafft, während man anderen seiner Arbeiten es anmerke, wie mühselig er sich abgeplagt, ohne doch Neues und Frisches erfinden zu können.

An persönlichem Unglück hat es ihm in Wien nicht gefehlt. Im Jahre 1824 verlor er seine erste Frau, die Geliebte seiner Jugend, durch den Tod, ein Verlust, den er sehr schmerzlich empfand; 1825 schloß er mit Fräulein Anna von Ostheim eine zweite Ehe. Die zwei Töchter, welche aus diesen beiden Ehen hervorgegangen waren, bildeten sich unter seiner Leitung zu Sängerinnen aus. Im Ganzen war seine Stellung in Wien nicht unbefriedigend und es läßt sich daher nicht ermessen, welche Umstände ihn bewogen, 1839, als beinahe Sechszigjähriger, wiederum den Wanderstab zu ergreifen. Zunächst begleitete er seine älteste Tochter Cäcilie auf einer Kunstreise, im Herbst 1839 aber übernahm er die Stelle eines ersten Capellmeisters am Stadttheater zu Köln, wo seine Tochter ein Engagement als jugendliche Sängerin gefunden hatte. Seine hervorragenden Fähigkeiten als Dirigent kamen auch hier der Oper sehr zu statten und sollten bald für das gesammte musikalische Leben in Köln bedeutsam werden. Als er an Pfingsten 1841 das große rheinische Musikfest zu Köln leitete, feierte seine Popularität einen schönen und ihn hochbeglückenden Triumph. Bald darauf aber veranlaßten ihn hämische Intriguen, die man gegen ihn spann, die Capellmeisterstelle niederzulegen.

Aber noch immer war seine Seele von mächtigem Ehrgeiz erfüllt. Er meinte, es müsse ihm gelingen, wiederum mit einer Oper so glänzende Erfolge zu erziele, wie mit dem „Nachtlager“. Unausgesetzt war sein Streben dahin gerichtet, einen wirksamen Text zu finden, ja er wollte, was ihm Deutschland nicht bot, durch die Kunst eines französischen Dichters erreichen. Mit Scribe in Paris trat er in Unterhandlungen und reiste aus diesem Grunde mehrmals selbst nach der französischen Hauptstadt, wo er auch, wenn gleich vergebens, den Versuch machte, seine Opern zur Aufführung zu bringen. Das Publicum, welches Meyerbeer und Halévy zujauchzte, blieb unempfänglich für die einfachen lyrischen Weisen des deutschen Romantikers. Dieses unruhige und aufregende Streben aber ward dem alternden Meister nachgerade verhängnißvoll. Die viele Reisen zehrten seine Ersparnisse auf; die fortwährend neu gehegten und immer wieder getäuschten Hoffnungen untergruben seine Gesundheit. Glücklicher Weise verheirathete sich seine älteste Tochter mit einem wohlhabenden Manne, einem Fabrikanten aus Eilenburg, während jetzt die jüngere, Marie, in ihrer musikalischen Ausbildung so weit fortgeschritten war, daß sie mit Erfolg öffentlich auftreten konnte.

Noch einmal schien ihm das Glück lächeln zu wollen; als im Jahre 1846 Otto Nicolai, der Componist der „Lustigen Weiber von Windsor“, als Capellmeister nach Berlin ging, erinnere man sich in Wien, was einst Kreutzer dem Hofoperntheater

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