Seite:Die Gartenlaube (1879) 756.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)

Skizze veranschaulicht, welche den auf einer Reise in Tirol am Arlberge umgestürzten Wagen Papst Johann’s zeigt. Letzterer kann sich trotz seiner geistlichen Würde des Ausrufs nicht enthalten: „Hier liege ich in Teufels Namen.“

Erst im fünfzehnten Jahrhundert machte der Wagenbau einen bedeutenden Fortschritt, indem in Ungarn die Kunst erfunden wurde, den Kasten des Wagens (ungarisch Gutsche) in Riemen zu hängen. Doch wurde dieses Mittel zur Milderung des Stoßens zunächst nur bei den Carossen und Staatswagen der Fürsten und Großen angewendet, und selbst die Postwagen im siebenzehnten und zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts entbehrten, wie die Modelle im Postmuseum uns zeigen, in der Regel noch gänzlich des Verdecks und der Riemengehänge, die erst gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts in allgemeineren Gebrauch kamen.


1. Brief von Cicero an Rufus,[WS 1] auf Bleiplatten. – 2. Bronzegriffel zum Einritzen der Schrift in Wachstafeln; aus einem altetruskischen Grabe in Orvieto. – 3. Schreibende Pompejanerin; Original in Neapel. – 4. 5. 6. Ostindische Postbeamte.


Es läßt sich denken, welche Annehmlichkeiten das Reisen in solchen Wagen ohne Verdeck und Federn für die Passagiere gehabt haben mag. Die abschreckendsten Fahrzeuge dieser Art waren die sogenannten Häringspostwagen, welche zwischen Hamburg und Berlin cursirten und in denen zahlreiche Häringsfässer, welche bisweilen in den Sitzraum der Reisenden hineinrollten, als sinnige Symbole der Geschicklichkeit der Posthalter gelten konnten, die Passagiere auf dem kleinsten Raum gewissermaßen „einzupökeln“.

Wie langsam selbst hohe Personen damals reisten, bekundet die Thatsache, daß die Königin Elisabeth auf der Mailcoach zwischen Edinburg und Glasgow, trotz eines Vorspanns von sechs Pferden, sechs Tage unterwegs war, eine Entfernung, deren Zurücklegung heute kaum sechs Stunden Zeit erfordert. Palmer, ein ehemaliger Theaterdirector, und Mr. Pitt erwarben sich große Verdienste um Verbesserung des Coachsystems in England, sodaß man diese Postkutschen später „flyings“ (fliegende) nannte. Die farbenreichen Genrebilder Henderson’s im Postmuseum veranschaulichen in lebensvoller Weise die romantische, von Walter Scott und Lord Byron besungene Postkutschenzeit, an der man mit pfeilschnellen Rossen die grünen Gelände Old-Englands durchfuhr, geleitet von einem Lenker, dem niemals der Cylinderhut des Gentleman fehlte und der die Gasthäuser seiner Linie in unwiderstehlichem Wortschwalle zu rühmen verstand. England war übrigens im Wagenbau allen übrigen Ländern voraus; denn es hatte statt der Riemen zuerst die Federn bei den Wagen angewandt.

Die Sammlung der Transportmittel des Postmuseums vervollständigen noch Abbildungen der Norwegischen Skyds (zweiräderigen Kariolposten), ferner der archangelschen Rennthierpost sowie der russischen Hundepost in den Tundren und Steppen Sibiriens; endlich sind von besonderem Interesse die Modelle ostindischer Briefboten, Postwagen, Sänften und Trajecteinrichtungen, bei welchen letzteren wir große indische Kürbisse und Krüge als Unterlage zum Tragen von Flößen verwendet sehen, mittels deren die Posten die zahlreichen Ströme und Flüsse der ostindischen Halbinsel überschreiten. Andere Abbildungen vergegenwärtigen uns die südamerikanischen correos (Couriere), welche, den Briefsack im Arme haltend, den Amazonenstrom durchschwimmen, ferner die orginellen Landbriefträger im französischen Departement les Landes, welche bei der Briefbestellung die sandigen Steppen ihrer Heimath auf Stelzen durchschreiten (fracteurs échassiers); endlich die Schneeschuhe des lappländischen oder samojedischen Postboten – in der That eine Fülle von Eindrücken, welche die Verschiedenartigkeit und Mannigfaltigkeit der Sitten und Gebräuche im Verkehrswesen der einzelnen Völkergruppen uns in lebendigen Bildern widerspiegeln.

Es würde zu weit führen, alle postalischen Merkwürdigkeiten des Museums zu schildern, von dessen Gesammtbilde unser Zeichner die am meisten charakteristischen Züge vorgeführt hat; wir beschränken uns daher darauf, nur noch die sehr interessanten Geräthschaften für den Feldpostdienst, die sich im Kriege von 1870 und 1871 so trefflich bewährt haben, ferner die Staatsexemplare wichtiger Postverträge, in prachtvollen Einbänden und mit Staatssiegeln aller europäischen Mächte versehen (darunter ein Vertrag mit dem verflossenen Kirchenstaate), sodann die Urkunden und Karten des Weltpostvereins, endlich die kostbare Markensammlung mit Tausenden von Postwerthzeichen aller Länder der Erde (Jahrgang 1879) und die prächtigen Modelle der von Dr. Stephan erbauten Postgebäude des Reichs hier kurz hervorzuheben.

Die zweite Abtheilung des Museums ist dem Telegraphenwesen, der Darstellung seiner historischen Entwickelung und der


  1. Vorlage: „Brief der Korkyräer an das Orakel zu Dodona“, siehe Berichtigung
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 756. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_756.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)