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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)

Dresdener Schiller-Verehrer das nach dem Dichter benannte Häuschen in Löschwitz der Wallfahrtsort, wo schon 1855 Dichter Julius Hammer den Gedanken einer Stiftung zu Schiller’s Ehren aussprach. Da der Steinmetzmeister Uhlmann die Summe, die er für die marmorne Gedenktafel am Schiller-Häuschen erhalten sollte, nicht annahm, so bildete dieses Geschenk des wackern Bürgers den Geldstock der neuen Stiftung. Vier Jahre später, „zu Schiller’s Jubelfeier“, erging der (in der „Gartenlaube“ von 1859, S. 692 abgedruckte) Aufruf der „constituirenden Versammlung der deutschen Schiller-Stiftung“ an die Nation. Als Zweck der Stiftung bestimmte der zweite Paragraph des Statuts:

„Deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen und ihren nächstangehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand darbietet. – Sollten es die Mittel der Satzung erlauben und Schriftsteller und Schriftstellerinnen, auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwaltungsraths überlassen.“ –

Das Capital, welches der Aufruf eingebracht, betrug 70,000 Thaler. Zur raschen Vermehrung desselben unternahm Major Serre, mit Hülfe von Bürgermeister Härtel und Alexander Ziegler, die Schiller-Lotterie, von deren reinem Ertrag von 451,248 Thalern ein Drittel an die von Serre schon früher in’s Leben gerufene Tiedge-Stiftung abging. Der Rest erhob das Capital der „Dresdner Zweigstiftung“ zur Höhe von 318,250 Thalern, von welchem jährlich vier Fünftel des Zinsertrags an den Verwaltungsrath der „Deutschen Schiller-Stiftung“ (die „Centralcasse“) abzuliefern sind. Zur Einahme der Letzteren kommen noch zwei Drittel von den Zinsen der übrigen Zweigstiftungscapitale. Nach der Vermögenstabelle der Zweigstiftungen beträgt für das Jahr 1878 der Jahresbeitrag: Dresden 33,360 Mark; der der Zweigstiftungen Oesterreichs (das in dieser nationalen Sache noch mit Deutschland Eins ist) 3000 Gulden ö. W., und zwar von Brünn 216 Gulden, von Gratz 72 Gulden, von Linz 54 Gulden, von Salzburg 58 Gulden und von Wien 2600 Gulden ö. W. Der Beitrag der übrigen achtzehn Zweigstiftungen Deutschlands: Berlin, Breslau, Danzig, Darmstadt, Frankfurt a. M., Hannover (Nienburg), Hamburg, Köln, Königsberg i. Pr., Leipzig, Lübeck, Mainz, München, Nürnberg, Offenbach, Stuttgart, Weimar und die badische Zweigstiftung der Städte Mannheim, Karlsruhe und Heidelberg, beträgt für 1878 die Summe von 6070 Mark. Im vorigen Jahre kamen der Centralcasse noch die Ehrengaben der Kaiser von Deutschland (1000 Mark), von Oesterreich (500 Gulden ö. W.), der deutschen Kaiserin (150 Mark), des Königs von Sachsen (500 Mark) und der Großherzoge von Weimar und Baden, zwei Legate in Wien, die Tantiemen der dramatischen Werke Rosenthal’s und ein Gastspielhonorar von Friedrich Haase zu Gute.

Was nun die Thätigkeit der Stiftuung betrifft, so giebt der Ueberblick eines Jahresberichts uns das deutlichste Bild derselben. Wir wählen den letzten, von 1877.

In diesem Jahre hat die Centralcasse die Gesammtsumme von 43,432 Mark 86 Pfennig verausgabt. Davon entfielen 15,192 Mark 86 Pfennig an lebenslänglichen Pensionen für 25 Personen, darunter 12 Wittwen und 4 Kinder und Enkelinnen von Dichtern; – ferner 18,385 Mark an mehrjährigen Bewilligungen für 46 Personen, darunter 21 Wittwen und andere Angehörige; endlich 9,855 Mark einmalige Zuwendung für 38 Personen, darunter 9 Wittwen und 3 andere Anverwandte von Dichtern. Außerdem sind von 9 Zweigstiftungen (Baden, Berlin, Breslau, Danzig, Darmstadt, Dresden, Stuttgart, Weimar und Wien) noch 74 Personen, darunter 10 Wittwen, mit Pensionen im Gesamtbetrag von 5970 Mark und 1315 Gulden ö. W. bedacht worden.

Wie erfreulich und tröstlich nun auch diese Zahlen uns anmuthen mögen, so ist die Kehrseite der Medaille desto betrübender. Muß der Verwaltungsrath in diesem Bericht „angesichts der sich von Jahr zu Jahr mehrenden Eingaben junger, noch erst im Werden begriffener Schriftsteller darauf aufmerksam machen, daß, den Satzungen nach, nur wirklich schon erworbene Verdienste um die deutsche Literatur die Grundlage bilden, welche, unter dem Hinzutreten bedrängter Umstände, zu Ansprüchen an die Stiftung berechtigen“ – so spricht noch deutlicher ein anderer Bericht, nach welchem seit dem Bestehen der Stiftung bis Ende 1874 im Ganzen 227 Schriftsteller oder deren Hinterbliebene unterstützt worden, daß dagegen nicht weniger als 233, also mehr als die Hälfte, mit ihren Gesuchen zurückgewiesen werden mußten. Man schreibt uns klar und offen: „Die Noth ist allenthalben groß, und die Mittel der Stiftung müssen immer mehr eingetheilt werden.“ Auch dieses Eintheilen hat seine Grenze, wenn die Ehrengaben wirklich Ehrengaben bleiben und nicht zum bloßen Almosen herabsinken sollen.

Wie dieses Mißverhältniß zwischen Ansprüchen und Mitteln über die „Schiller-Stiftung“ gekommen, liegt klar am Tage. Die Einnahmen derselben sind seit den Tagen des glücklichen Lotteriewagnisses des edlen Serre nur unbedeutend gewachsen, während in diesen neunzehn Jahren die Preise aller Lebensbedürfnisse in einer Weise gestiegen sind, daß ein Einkommen, das vor Jahren noch zufriedenstellend war, heute die bittersten Entbehrungen auferlegt.

Es ist wahrhaft empörend, von herzlosen Gegnern der „Schiller-Stiftung“ den Einwurf hören zu müssen, daß die Schriftsteller-Honorare jetzt so anständig seien, daß Jeder auch ohne die Stiftung für sich und die Seinen müssen sorgen können. Diese günstige Zeit kommt meist nur nur einem Theile der jüngeren Generation zu Gute. Man werfe einen Blick auf die Listen der Pensions-Empfänger! Das Herz blutet Einem, Namen zu lesen, die zu den Ehren unserer Literatur gehören. Wie wohl auch die ehrende Hülfe thun mag, immer bleibt es ein drückendes Gefühl, auf Männer blicken zu müssen, die selber oder deren Wittwen in ihren alten Tagen auf Hülfe angewiesen sind. Noch trauriger wird aber das Bild, wenn die bescheiden zugemessenen Gaben aus Mangel an Mitteln noch beschränkt werden müssen, abgesehen von jenen Armen, denen selbst diese bescheidene Hülfe ganz versagt werden muß.

Es ist keine Frage, daß es energischen Vorgehens bedarf, wenn die Schillerstiftung, die eine Ehrenpflicht der Nation übernommen hat, diese auch ehrenvoll erfüllen soll. Nur ungern spreche ich es aus, aber es ist leider wahr: die Nation hat auch in Bezug auf die Schillerstiftung ihre Pflicht nicht erfüllt und derselben nicht dauernd gewährt, was sie den hohen und großen Zwecken derselben mit geringen Opfern zu gewähren vermochte. Die Schule kann hier viel für den Wandel des Sinns thun, aber der rechte Anstoß für das Werk muß auch aus den Familien kommen. Wenn am Abendtisch den Kindern schon die Achtung vor den veredelnden Geistern der Nation und die Theilnahme für ihr Schicksal in die junge Seele gelegt wird, so werden Mutter und Vater auch zu öffentlicher Thätigkeit für eine Stiftung sich bewogen fühlen, die ihrem Herzen wohlthun muß. Wenn in der Familie nur erst die Schiller-Verehrung sich Bahn bricht, so ist der zweite Schritt schon halb gethan, der uns zum Ziele führt.

Wir haben gesehen, daß beiden großen Reiche Deutschland und Oesterreich zusammen für die „Schiller-Stiftung“ nur vierundzwanzig Zweigvereine aufzubringen vermochten. Hier ist der Hebel einzusetzen. Keine deutsche Stadt wird sich von der Theilnahme an diesem Nationalunternehmen ausschließen, wenn ein rechter Mann und eine rechte Frau sich der Sache annimmt. Vor Allem hüte man sich aber, ein Werk, das einen Dichter ehren soll, mit der bloßen Rechentabelle anzufangen! Die Poesie, die Kunst müssen Führer sein – dann folgt Alt und Jung. Man gründe vor Allem Schiller-Vereine, die sich, noch dem Muster des Leipziger, zur Aufgabe stellen, den Geburtstag des Dichters jährlich mit einem Schillerfest zu begehen! Rede, Musik und Gesang leben in Deutschland überall; selbst in der kleinsten Stadt, ja in zahlreichen Ortschaften sind sie im Stande, ein Fest zu verherrlichen. Wo aber ein Schiller-Verein und ein Schillerfest die Menschen zusammengeführt haben, da wird die Gründung eines Zweigvereins zur „Schiller-Stiftung“ sich den beiden von selbst anfügen.

Soll ich noch einen stillen Wunsch aussprechen, so geschieht es im Hinblick auf den Dichter, der „die Ehre der Frauen“ so herrlich feierte. Die Schiller-Vereine stellen keine politische Rednerbühne auf; wo aber Gemüth und Geschmack die Bahn zu einer edlen That bereiten sollen, da würde ich in der Versammlung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 750. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_750.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)