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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

es ihnen gar zu heiß werden, und so haben sie sich in den Mond setzen lassen.

Die Rantumer auf der schleswigschen Insel Sylt sagen nach Müllenhoff: Der Mann im Monde ist ein Riese, der zur Zeit der Fluth gebückt steht, weil er dann Wasser schöpft und auf die Erde gießt. Zur Zeit der Ebbe aber steht er aufrecht und ruht von seiner Arbeit aus, sodaß sich das Wasser wieder verlaufen kann.

Ich knüpfe hieran einige andere Züge der Auffassung des Mondes durch das Volk. Viel verbreitet ist die Meinung, man dürfe nach dem Monde nicht mit dem Finger zeigen, denn dann bestrafe einen der liebe Gott. Wie man in den meisten Gegenden Deutschlands im Mondscheine nicht arbeiten darf, so verbietet, wie Schönwerth uns mittheilt, oberpfälzischer Aberglaube, irgend ein Ackergeräth oder einen Wagen im Mondlichte stehen zu lassen, weil er davon entzwei gehen würde. Aus demselben Grunde darf man die Wäsche nicht im Mondscheine hängen lassen, und wenn abergläubische Leute rathen, sich vor dem Schlafen im Mondlichte und vor dem Trinken aus einer Quelle oder einem Bache, in welchen der Mond scheint, zu hüten, so denken sie ebenfalls an schädliche Eigenschaften jenes Lichtes. Eine eigenthümliche Warnung ist die, daß man im Mondscheine nicht tanzen soll, „weil dann die Erddecke so dünn wie Spinngewebe ist und die Geister drunten durch das Tanzen heraufgelockt werden“. Frauen, die in anderen Umständen sind, dürfen nicht in den Mond sehen, weil das Kind sonst mondsüchtig oder blöde wird. Endlich soll der Mondschein den Teint schwärzen, die Fäulniß von Fleisch und Fischen befördern und sogar die Barbiermesser stumpf machen. Der Montag gilt vielfach für einen Unglückstag, am Rheine, weil die Mägde, die an ihm einen Dienst antreten, viel zerbrechen und bald wieder abziehen, im Altenburgischen, weil man das Glück für die Woche mit weggiebt, wenn man an ihm etwas verleiht oder verschenkt. Andere hierher gehörige Meinungen und Regeln führt Grässe an: nach der einen darf man am Montage bei Einkäufen nichts schuldig bleiben, nach einer andern sich beim Nachbar kein Feuer holen und ebenso keinem, der Feuer holen will, dasselbe verabfolgen, nach einer dritten in keine fremde Stubenthür hineinsehen, ohne in’s Zimmer zu treten, weil man sonst bewirkt, daß der Mann die Frau prügelt. Wer Montags zur Zeit der Sommernachtgleiche geboren wird, kann mit Geistern verkehren.

Zahlreich sind die Vorschriften, die der Aberglaube in Betreff der Zeiten oder Phasen des Mondes ertheilt. Die Haare muß man sich in Tirol bei abnehmendem, im ganzen übrigen Deutschland aber bei zunehmendem Monde verschneiden lassen. Eier, im ersten Viertel gelegt, sind gut zur Speise sowie zum Erzielen junger Brut; die aus dem letzten Viertel taugen nicht zur Zucht. Alles Schlachtvieh, desgleichen Krebse, Muscheln und Austern sollen im Vollmonde fetter sein. Kinder müssen in derselben Phase entwöhnt werden, da sie dann besonders gedeihen, ebenso soll man in dieser Zeit die Kälber absetzen. Kürbisse sollen, wie man Zingerle in Absam sagte, drei Tage vor dem vollen Monde gesteckt werden, weil sie dann eine besondere Größe erlangen. Roggen muß man nach ziemlich allgemein verbreitetem Glauben bei wachsendem Monde säen, bei abnehmendem dagegen Gerste, Erbsen und Buchweizen. Brachen soll der Landmann in Tirol, „wenn der Mond unter der Erde ist“, das heißt bei Neumond, der von einer Regel bei Grässe auch zum Säen empfohlen wird. Im Allgemeinen gilt, daß alle Arbeiten, die auf ein Gewinnen oder Behalten abzielen, bei zunehmendem, alle, welche darauf gerichtet sind, etwas los zu werden, bei schwindendem Monde vorzunehmen sind. Indeß giebt es von dieser Regel viele Ausnahmen. Bei Grässe heißt es: Alles, was während des Neumondes unternommen wird, gelingt; deshalb soll man sich während desselben trauen lassen, weil es dann eine glückliche Ehe giebt, und neue Wohnungen beziehen, weil dann „die Nahrung zunimmt“. Wer aber kein Geld im Beutel hat, der hüte sich, ihn bei Neumond zu besehen; denn dann hat er, so lange das Licht währt, kein Geld. Komisch klingt der von Montanus angeführte niederrheinische Aberglaube, daß in der Zeit des Neumondes Verstand und Vernunft, wo sie nicht recht fest stünden, zu wackeln anfingen. Im ersten Viertel muß man die Schafe scheeren, die Wiesen mähen, Dünger auf den Acker fahren und die zum Schlage bestimmten Waldstrecken fällen. Namentlich ist das Bauholz in dieser Periode zu schlagen. Wer sein Silber im Vollmonde zählt, sieht es oft zu Gold werden; auch ist der Vollmond ein guter Eheprocurator. Dagegen dauert eine Heirath, die bei abnehmendem Monde geschlossen wird, nicht lange, weshalb sich nach Wuttke in Ostpreußen, Pommern und Hessen nicht leicht Jemand im letzten Viertel trauen läßt. Dagegen soll man in dieser Zeit waschen, Brennholz hauen und Schweine schlachten, und ebenso empfiehlt sie sich (in Mecklenburg) zum Weißen der Stuben, die dann rasch trocken werden. Andererseits ist wieder Zuchtvieh, das während dieser Phase jung oder entwöhnt wird, nicht viel werth.

Im Folgenden werden wir sehen, daß der Mond auch unter den Arzneimitteln der Volksapotheke, bei Sympathiecuren u. dgl. eine bedeutende Rolle spielt, obwohl oder vielleicht gerade weil sein Schein für giftig gehalten wird. Sommersprossen wird man in Tirol los, wenn man sich des Nachts mit Wasser wäscht, in welches der Mond scheint. Kröpfe vertreibt man sich im Harz wie in Schlesien, wenn man sich bei zunehmendem Monde drei Abende hinter einander mit dem Gesichte gegen den Mond stellt, einen Stein aufhebt, den Halsauswuchs stillschweigend damit berührt und den Stein hierauf über die Schulter weg hinter sich wirft. Gegen Zahnschmerzen hilft nach Meier in Schwaben, wenn der Mond mit seiner Sichel zum ersten Male wieder erscheint, ihm das Gesicht zuzukehren und dreimal zu sagen: „Ich sehe den Mond mit zwei Spitzen; meine Zähne sollen mich weder stechen noch schmerzen, bis ich den Mond sehe mit drei Spitzen. Im Namen Gottes des Vaters etc.“ Gepulverte Todtengebeine sind in Tirol ein unfehlbares Mittel gegen die fallende Sucht, nur müssen sie bei abnehmendem Monde eingenommen werden. Eisenkraut, nach Aufgang des Hundssternes bei Neumond gepflückt, hilft gegen Kopfweh. Krebse, bei Vollmond gefangen, wenn die Sonne im Löwen steht, lebendig verbrannt und dann im Mörser zerstoßen, heilen die Hundswuth. Bruchschäden vergehen, wenn man bei Vollmond das an die Wand fallende Licht mit der hohlen Hand dreimal auf die Geschwulst schöpft und dazu die Formel: „im Namen Gottes des Vaters etc.“ spricht. In ähnlicher Weise werden im Mecklenburgischen Flechten und Warzen vertrieben, letztere auf folgende Methode. Man sieht scharf in den Vollmond und spricht: „Wat ik seh, dat steit; wat ik striek, dat geit – im Namen etc.“ Ein Zaubersegen endlich, der nach Wuttke in Lauenburg gegen die Gicht gebraucht wird, und bei abnehmendem Monde Dienstags und Freitags abgebetet werden muß, lautet: „Gicht, ich befehle Dir durch Gottes Macht, durch Gottes Kraft, Du sollst nicht mehr reißen, Du sollst nicht mehr schleißen, Du sollst nicht mehr rennen, Du sollst nicht mehr brennen, Du sollst nicht mehr brechen, Du sollst nicht mehr stechen. Der Du unter den Neunundneunzig und Siebenundsiebzig bist, sicherlich magst Du vergehen, wie die weiße Wand (das heißt wohl: wie der weiße Mondschein an der Wand), da unser Herr Jesus am Kreuze hang. Im Namen Gottes etc.“

Man vergleiche hiermit, daß in Mecklenburg auch die Sonne das Fieber vertreiben helfen muß. Der Kranke betet dreimal bei Aufgang der Sonne und gegen dieselbe gerichtet: „Liebe Sonne, komm bald herab und nimm mir die siebenundsiebzig Fieber ab! Im Namen etc.“

Selbstverständlich ist der Mond auch bei anderem Zauberwerke nothwendiger Helfer. So beim Gießen von Freikugeln, bei der Anfertigung von Wünschelruthen und beim Festbannen von Dieben. Eine ganz eigenthümliche Rolle aber nimmt er in folgendem von Kuhn aus Westphalen mitgetheilten Recept zur Herstellung eines magischen Prügels ein: „Merke, wenn der Mond an einem Dienstage neu wird, so gehe vor der Sonne Aufgang aus, tritt zu einem Stecken, den du dir zuvor ausersehen hast, stelle dich mit dem Gesicht gegen der Sonne Aufgang und sprich diese Worte: Steck, ich greife dich an im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Nimm dein Messer in die Hand und sprich: Steck, ich schneide dich im Namen etc., daß du sollst gehorsam sein, welchen ich prügeln will, wenn ich einen Namen antrete. Darauf schneide auf zwei Orten am Stecken etwas hinweg, damit du diese Worte darauf kannst schreiben, stechen oder schneiden: Abia. obia. sabia. Lege einen Kittel auf die Schwelle unter der Thür, nun schlage mit deinem Stecken auf den Kittel und nenne des Menschen Namen, welchen du prügeln willst, und schlage tapfer zu, so wirst du denselben

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_808.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)