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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


der Skating-Rink eines täglich sich steigernden Beifalls und wird besonders des Abends zahlreich von der besten Gesellschaft besucht. Der Anblick der belebten Bahn, für welche die puristischen Gelehrten der „Wespen“ den passenden Namen „Warm-Eisbahn“ vorschlagen, gewährt in der That ein interessantes Schauspiel. Die Mehrzahl der Skating-Läufer, unter denen man besonders auch viele Officiere und junge, reizende Damen sieht, haben sich in kurzer Zeit eine bewunderungswürdige Geschicklichkeit und Fertigkeit erworben und bewegen sich mit vieler Eleganz und Sicherheit auf der glatten Fläche. Dazu kommt noch ein gewisses aristokratisches Parfüm, die Gegenwart und Theilnahme unserer Hautevolée und Diplomatie, der eigenthümliche Reiz, unter grünen Bäumen und duftenden Blumen mitten im Sommer Schlittschuh zu laufen, und die wirklich gesunde Bewegung in freier Luft, um dem neuen Sport auch bei uns Eingang zu verschaffen und den Skating-Rink zu einem Sammelplatz der guten Gesellschaft zu machen.

M. R.

Aus dem Leben der Katzen. In der Umgegend von Sondershausen und insbesondere in den Wäldern, die sich am Nordabhange der Hainleite unter der noch ziemlich erhaltenen Burg Straußberg hin nach Westen erstrecken, aber auch in den Dickichten, welche südöstlich von unserer kleinen Residenz die steilen Vorberge des Kyffhäusergebirges hinaufklimmen, kommt die eigentliche Wildkatze nicht selten vor, und es vergehen wohl kaum einige Jahre, ohne daß eines dieser höchst unbändigen und dem sonstigen Wildstande sehr gefährlichen Thiere erlegt würde. Das hiesige Naturaliencabinet bewahrt einzelne Exemplare von ganz ansehnlicher Größe, die es kaum zweifelhaft lassen, daß selbst der stärkste Hund im Kampfe mit diesen Thieren hätte unterliegen müssen. Tschudi erzählt einen Fall, in dem sich eine auf dem Rücken liegende Wildkatze sogar gegen drei Hunde siegreich vertheidigte, und der jüngere Brehm einen anderen, bei dem sogar ein Waldhüter im Gothaischen Forste durch den Angriff des wüthenden Thieres getödtet wurde. In den letzten Tagen des April nun glückte es hier durch ein seltsames Ungefähr, einer lebendigen und unversehrten Wildkatze nebst mehreren Jungen habhaft zu werden. Sie hatte sich ein gewöhnlich einsam liegendes Jagdhaus ausersehn, um daselbst ihr Wochenbett abzuhalten. Jüngst nun, als das Haus einmal benutzt wurde, leitete das Miauen der jungen Thiere auf die Spur des Eindringlings. Man öffnete, nachdem man vorsichtig den einzigen Ausweg verstopft hatte, die Thür des Nebenraumes, und erblickte nun sofort das alte Thier, das wuthschnaubend und verzweifelnd in dem engen Gemache umher raste. Und doch war auch in dieser gefährlichen Lage die Liebe der Mutter noch so stark, daß sie auf einen klagenden Laut der Jungen zur Hülfe herbeieilte und wieder in den Schlupfwinkel zu ihnen kroch. Ein inzwischen schnell herbeigebrachter Sack wurde nun an die Oeffnung gehalten, und in diesem fing sich die Wildkatze, sobald der bisherige Verschluß vorsichtig entfernt wurde. Auch die unter Genist wohl versteckten Jungen wurden dann in den Sack zu der Mutter gesteckt, und so gelangte der Behälter mit seinem seltenen lebenden und wohlbehaltenen Inhalte in die Reitbahn beim Schlosse. Da die glückliche Idee auftauchte, die seltene Beute einem zoologischen Garten zu übergeben, so brachte man einen vorn mit starkem Eisendraht verwahrten Kasten herbei und schüttete dort vorsichtig den Inhalt des Sackes hinein. Aber man hatte dennoch leider die Stärke und Wildheit des alten Thieres nicht gehörig geschätzt. Einen Augenblick lang prüfte es mit funkelnden Blicken die neue Umgebung. Dann stürzte es jäh gegen das Gitter, und wenige Augenblicke genügten seiner Kraft, um das Gefängniß zu öffnen. Die Katze war frei, wenigstens in dem weiten Raume der Reitbahn und tobte nun dort herum, bis zwei Schüsse des Prinzen sie niederstreckten. – Dieser Ausgang ist um so mehr zu beklagen, als lebende Wildkatzen in zoologischen Gärten meines Wissens überhaupt selten sind, namentlich solche mit Jungen, und als das gefangene Thier, dessen Gewicht von einem Kenner auf fünfundzwanzig Pfund geschätzt wurde, überhaupt zu den sehr großen Exemplaren gehörte. Die blinden Jungen, welche dann noch an dem Körper der todten Mutter vergeblich die gewohnte Nahrung suchten, sind inzwischen, wie ich höre, gleichfalls gestorben.

Hieran reihe ich eine andere verbürgte Mittheilung aus dem Leben einer zahmen Hauskatze. Dieselbe wurde im Hause von Verwandten des Verfassers gehalten und war gewöhnlich sehr sanft und zutraulich. Da ihr aber wiederholt die Jungen genommen und ertränkt worden waren, so hielt sie bald ihre Wochenbetten nur noch an den verborgensten Orten ab und kam mit den Jungen erst dann zum Vorschein, wenn dieselben nach der mütterlichen Meinung über die Gefahr des Ertränktwerdens hinaus waren. Eines Tages aber mußte die vorsichtige Mutter wohl eine giftige Speise genossen haben, oder sie war sonst gefährlich erkrankt. Kurz, als das arme Thier den Tod herannahen fühlte, da mochte auch zugleich in ihrem Hirne dunkel die Besorgniß aufdämmern, daß die geliebten Kleinen an dem abgelegenen und versteckten Orte sicher verkommen müßten. Mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte brachte sie jetzt selbst ihre Jungen, eins nach dem andern, in die Wohnstube des Hauses herab, bettete sie dort möglichst gut und – starb kurz darauf.

Liegt darin nicht eine seltsame und rührende Hoffnung des Thieres, daß sich in diesem einen Falle wenigstens die unbarmherzigen Menschen der verlassenen und ohne die mütterliche Sorge verkommenden Kleinen mitleidig annehmen würden?

Karl Chop in Sondershausen.

Kaiser Napoleon des Ersten Dejeuner in Frankfurt a. M. 1807. (Aus den nachgelassenen Aufzeichnungen eines Zeitgenossen.) Der für Deutschland und besonders für Preußen so unglückliche Friede von Tilsit am Niemen war geschlossen (9. Juli 1807), und Napoleon kehrte als Sieger nach Frankreich und Paris zurück. In Frankfurt a. M. hatten sich die Fürsten und Souveraine Deutschlands zahlreich versammelt, den Kaiser, welcher Vormittags ankommen wollte, festlich zu empfangen und im Fürstlich Thurn und Taxis’schen Palais mit einem glänzenden Dejeuner zu bewirthen. König Friedrich von Württemberg hatte die Arrangements und Honneurs bei diesem Fest, welches die sämmtlichen Mitglieder des kaum vor Jahresfrist gestifteten Rheinbundes ihrem hohen Protector geben wollten, übernommen und mit königlicher Verschwendung ausgestattet. Napoleon hielt seinen Einzug und stieg im Residenzpalast des Großherzogs Fürsten Primas Carl Dalberg ab. Die Könige von Baiern, Sachsen und Württemberg führten ihn in die prachtvoll decorirten Zimmer, und der König von Württemberg zeigte sich als geschickter Festordner. Aber Kaiser Napoleon war nie ein Freund dieses Souverains gewesen, weil ihm dessen Eigenthümlichkeiten nicht gefielen. Das große Dejeuner begann, und König Friedrich leitete die Anordnungen mit einer Umsicht und Aufmerksamkeit, welche Bewunderung erregten. Ein Heer von Kammerherren, Hofmarschällen und untergeordneten Hofdienern rannte hin und her, die Speisen und Getränke zu präsentiren.

Natürlich mußte Alles dem Kaiser, dem gefeierten hohen Gaste, zuerst offerirt werden; der König selbst näherte sich und bat um die Annahme. Aber diese wurde von dem Allgewaltigen bei jedem Gerichte geweigert. Das fiel auf und erregte allgemeine Bestürzung, um so mehr, als nun nach der Hofetiquette kein einziger der anwesenden Fürsten etwas annehmen und genießen durfte. Als endlich Alles an der großen Tafel herumgereicht, Alles vergeblich dem Kaiser präsentirt worden war, und dieser die Annahme nicht allein jeder duftenden Speise, sondern auch eines jeden gefüllten Glases beharrlich abgelehnt hatte, wagte es die württembergische Majestät, dem Kaiser wiederholt zu nahen und zu fragen, ob und womit der kaiserlichen Majestät, die doch soeben von weiter, ermüdender Reise angelangt sei, aufzuwarten stehe? „Mit Ananas!“ erwiderte rasch und scharf Napoleon, der mit seinem Adlerblicke gleich die Tafel überschaut und gerade den Mangel dieser Frucht wahrgenommen hatte. Alsbald befahl der König der Unzahl der anwesenden Kammerherren die Herbeischaffung der befohlenen Ananas, und es begann ein unglaubliches Rennen und Jagen nach dieser Erfrischung, was dem Kaiser zum Ergötzen diente. Denn es beliebte ihm, den König Friedrich einmal in Verlegenheit zu setzen.

Es trat eine peinliche Pause ein. Die Verlegenheit steigerte sich, als die Kammerherren keuchend mit der Hiobspost zurückkehrten, es sei keine Ananasfrucht zu erlangen, und auch der Befehl des Königs, schleunigst danach in allen Gärten und Treibhäusern in Frankfurt zu forschen, ein günstigeres Ergebniß nicht lieferte. Die gedrückte Stimmung erreichte ihren Höhepunkt, als Napoleon, nachdem ihm das Mißgeschick gemeldet war, die Räume des Speisesaals sofort verließ und seine Reise fortsetzte, ohne das Geringste genossen zu haben.


„Ein Poet mit Griffel und mit Feder.“ So hat der alte Holtei den Künstler genannt, der uns das Leid angethan hat, die Zahl der Todten der „Gartenlaube“ wieder um einen, und zwar um einen der Aeltesten ihrer Künstlerschaar, zu vermehren. Es fällt recht schwer, daran zu glauben daß der rüstige lebensfrohe Geselle, der noch im vorigen Jahre zu seinem Bildnisse in der „Gartenlaube“ die frischen Worte schrieb: „Die Hauptaufgabe, die ich mir gestellt, ist die, unsere Zeit in ihren frappantesten Situationen und Figuren zu schildern, eine Aufgabe, die mir wichtig genug erscheint, um die ganze Arbeitskraft, die mir noch beschieden ist, daran zu setzen“ – daß der Mann mit dieser Thatkraft todt sein soll. Ein Geist und Körper von abgehärteter Festigkeit, frei von Sorgen, froh redlich erworbenen, schönen Besitzes, ein Kämpfer mit Griffel und Feder, den nur ein Herz voll Wohlwollen für seine Mitmenschen zur ätzenden und heilenden Satire hintrieb, ein solcher Mensch von noch nicht sechsundfünfzig Jahren soll überlebt worden sein von so Vielen, deren Schritte zum Grabe er theilnehmend gezählt und deren Bergabschreiten er mit so rührendem Humor darzustellen vermochte?

Der Herbert König soll todt sein, der das Leben so gut verstanden hat? Das Schicksal hatte ihn in eine Schule genommen, aus der man entweder wohl bestanden herauskommt, oder in der man untergeht. Man hat viele Beispiele von beiden Erfolgen. In seiner Selbstbiographie schwieg er über seine Herkunft und früheste Vergangenheit; er verrieth mit keiner Silbe seinen ehemaligen Zusammenhang mit dem Thespiskarren, und doch weiß man, daß ihn noch in späteren Jahren, wo die bildende Kunst ihm schon längst Geliebte und Mutter zugleich geworden war, nicht selten ein geheimer Zug zu den Brettern hinriß, die ihm einst viel verheißen hatten. Der Dresdener Salzverwalterssohn hatte früh auf eigenen Beinen stehen lernen müssen; es war gewiß ein bereits schwer errungenes Glück, als er mit Dawison und Emil Bürde in Hamburg auf derselben Bühne auftrat, und daß er mit hervorragendem Talent zur Menschendarstellung ausgerüstet war, das bewies er später im Kreise seiner Freunde so oft, denn im humoristischen Erzählen und in improvisirter Charakterwiedergabe, besonders komischer Originale, ist er nicht oft übertroffen worden. Das Beobachtungs- und Auffassungsvermögen, das der Mime so eifrig pflegen muß, wenn die Gegenwart wenigstens ihm Kränze flechten soll, hatte offenbar in König’s rührigem Geist bereits eine gute Bildergalerie angesammelt, als er endlich, den inneren Zwiespalt lösend, zu dem Entschluß kam, fortan nur einer Herrschaft zu dienen. Wie treu und wacker er aber in diesem Dienst gewesen, darüber konnte er mit vollem Recht sich selbst das Zeugnis schreiben: „Die Tausende meiner Skizzen, welche die mannigfaltigsten Seiten des Lebens berühren und in fast aller Herren Länder verstreut sind, sind mit wenigen Ausnahmen Naturstudien und das Ergebniß eines consequenten Fleißes, wie ich mit einiger Genugthuung verzeichnen darf.“

Ja, er hat sich’s verdient, daß ihm wohl ward beim Herannahen des Lebensabends. Er hatte, nach einem langen und rastlosen Wanderleben, sich in der Heimath ein eigen Heim gegründet und ließ sein Gemüth fröhlich sein beim Anblick der Landschaft, in welcher er selbst früher in mancherlei Gestalt und Schicksal die Staffage hatte bilden helfen. Jetzt blickte der „gemachte Mann“ sie an und bevölkerte sie mit den Kindern

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 459. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_459.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)