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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

Gallerie berühmter Firmengründer.


1. Ein Leipziger Buchhändler.


Am 4. Mai 1872 beging die buchhändlerische Firma F. A. Brockhaus in Leipzig ein erhebendes Doppelfest. Heinrich Brockhaus, der nun auch heimgegangen (15. November 1874), feierte an diesem Tage den Ablauf einer fünfzigjährigen Geschäftsthätigkeit; zugleich aber beging er mit seinem gesammten Personale, seiner Familie und einem großen Kreise herzlich Theilnehmender den Tag, an dem hundert Jahre früher sein Vater, Friedrich Arnold Brockhaus, der Begründer der Firma, geboren wurde.

Friedrich Arnold Brockhaus.

Von dem Lebensgange des Letzteren eine Skizze zu geben, ist eine schwierige Aufgabe. Denn selten mag es ein Leben geben, das durch Bewegungen aller Art so ausgezeichnet war, selten eines, das uns einen Mann zeigt, der durch die ihm innewohnende Kraft so unerschüttert in inneren und äußeren Kämpfen blieb, bis er sich hindurchgerungen zu dem Ziele, das ihm vorgeschwebt.

Ueber die Jugendjahre des seltenen Mannes können wir rasch hinweggehen. An der Hand eines strengrechtlichen Vaters, unter den Augen einer von ihm hochverehrten Mutter, einer vortrefflichen Frau, die ihm, wie er selbst sagt, „immer als das Ideal einer vollendeten Hausfrau vor der Seele stand“, verlebte er dieselben in seiner Vaterstadt Dortmund. Nur mit Unlust sah er sich für den Kaufmannsstand bestimmt, da ihn schon von früh an ein Drang nach wissenschaftlicher Bildung beseelte. Seiner Leselust that der Vater oft genug unliebsamen Einhalt.

Im fünfzehnten Lebensjahre kam er nach Düsseldorf in eine große Schnittwaarenhandlung, mit der ein Bankgeschäft verbunden war, in die Lehre. Hier machte seine Begabung sich schon in kurzer Zeit so geltend, daß ihn sein Principal bereits zwei Jahre nach seinem Eintritte zu wichtigen Geschäften verwandte. Er hatte Aussicht, dem Principale noch näher zu treten; doch gab ein Zerwürfniß, dessen friedliche Lösung nur an dem unbeugsamen Sinne des Jünglings scheiterte, Anlaß zur Trennung, und er ging zunächst wieder in’s väterliche Haus zurück. „Mein kecker Trotz“, sagt er, „kam mir später theuer zu stehen.“

Doch nicht lange litt es ihn in Dortmund in den ihm nun kleinlich erscheinenden Verhältnissen. Die Lücken in seiner Bildung um so mehr beklagend, je mehr Bedürfniß nach Erweiterung derselben er fühlte, bat er seinen Vater, ihn nach Leipzig gehen zu lassen, wo er dann während eines anderthalbjährigen Aufenthaltes sich namentlich mit den neuen Sprachen beschäftigte, zugleich aber an der Universität bei Platner, Hindenburg und Eschenbach Philosophie, Physik und Chemie hörte und so in seinem Wissen manche Lücke ausfüllte.

Ein wie lebhaftes Interesse Brockhaus schon damals an literarischem und buchhändlerischem Wirken nahm, davon liegt ein ihn sehr bezeichnendes Merkmal vor. Er reichte nämlich dem Buchhändler Voß in Leipzig den Prospect zu einem auf zwanzig Bogen berechneten Werke und zugleich die ersten acht Bogen desselben ein mit dem Antrage des Verlags. Sein Begleitschreiben fiel allerdings etwas kurz und bündig aus. Ob dies der Grund war, daß der Verlagsantrag keine Annahme fand, oder welch anderer Grund vorlag, ist nicht zu ermitteln gewesen.

Noch war aber die Zeit nicht gekommen, die ihn für sein späteres Wirken gereift finden sollte.

Zuerst gründete er, nach Dortmund zurückgekehrt, und nachdem sich ein in Aussicht stehendes Engagement in Manchester nicht verwirklicht hatte, ein eigenes kaufmännisches Geschäft mit einem Verwandten, Mallinckrodt, und einem gewissen Hiltrop, der zwar reiche Mittel, aber von Haus aus einen unverträglichen Sinn mit hineinbrachte, sodaß sich, als die Geschäfte des jungen Hauses sich glänzend entwickelten, Brockhaus und Mallinckrodt von Hiltrop trennten und ihn abfanden. Die beiden Compagnons gründeten dann noch ein Zweiggeschäft in Arnheim, das Mallinckrodt vertrat, bis Brockhaus später gleichfalls nach Arnheim ging.

Die Verbindung mit Hiltrop sollte Veranlassung zu langjährigen Streitigkeiten geben, deren Ende Brockhaus nicht einmal erlebte, sondern die erst nach seinem Tode durch Vergleich beendet wurden. Auch von Mallinckrodt trennte sich Brockhaus bald, indem er ihm ein größeres Capital auszahlte. Er zog im Winter von 1801 bis 1802 von Arnheim mit seiner Frau, mit der er sich im September 1796 vermählt hatte, und seinen zwei bis dahin ihm geborenen Kindern nach Amsterdam.

Amsterdam war der Boden, von dem aus Brockhaus endlich seinen eigentlichen Lebenslauf antrat. Zunächst führte er sein kaufmännisches Geschäft fort und trotzte mit seltener Geschäftsgewandtheit den ungünstigen politischen Verhältnissen, bis die von Napoleon angeordnete Continentalsperre die äußersten Erschwerungen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_113.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)