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Verschiedene: Die Gartenlaube (1875)

fühlen, sich um einen oder beide Preise zu bewerben. Es ist jedenfalls eine Seltenheit, daß solche Summen wie 90,000 Dollars und 150,000 Dollars für einzelne Kunstwerke verausgabt werden.“

Dieses ist die kurze Geschichte der amerikanischen Nationalhymne. – So lange dem Lande noch täglich Männer erstehen, wie Hopkins, Peabody, Corcoran, Mac Donogh, Lick etc., so lange die Fahne der Republik, wie es der letzte Krieg dargethan, noch hunderttausende um sich zu schaaren vermag, hat der Cäsarismus, von welchem neuerdings in der Tagespresse so viel geschrieben wird, keine ernste Gefahr. – Ich kann vielleicht diese Skizze nicht besser schließen, als mit der ersten Strophe eines anderen patriotischen Liedes der Amerikaner, welches neben dem Liede vom „Sternenbanner“ den zweiten Rang behauptet:

„O Columbia, du Perle der Meere,
Du Heimath der Muth’gen und Frei’n!
Die Welt zollt dir Achtung und Ehre;
Die Herzen der Bürger sind dein.
Dein Aufruf kann Helden erwecken,
Wenn erzittert dein herrlicher Gau,
Dein Banner Eroberer schrecken –
Das siegreiche Roth, Weiß, Blau.“




Blätter und Blüthen.


Pneumatischer Leichentransport. Mit dem Beginne des gegenwärtigen Jahres ist Wien in die Reihe der Weltstädte, wie London, Paris, Berlin, New-York eingetreten, welche ihren localen Stadtpostverkehr zum größten Theile auf pneumatischem Wege, das ist mittelst atmosphärischen Luftdrucks, vermitteln. – Ein halbes Jahrzehnt dürfte verflossen sein, seit eine erste Versuchsstation dieser Art in London zwischen den belebten Stadttheilen High-Holborn und Euston Square, einer Entfernung von einer guten halben Wegstunde, eröffnet wurde. Seitdem hat die praktische Anwendung dieses Verkehrsmittels eine nicht geahnte Ausdehnung erfahren. Unseres Wissens ist jedoch bis zur Stunde New-York der einzige Ort, welcher das System der Beförderung durch Luftdruck oder künstlich erzeugten Sturm auch auf Personen ausdehnte. Eine solche Transportanstalt besteht dort auf dem Broadway. Ganz neu dürfte indeß die Idee sein, diese Beförderungsart auf den Transport der Todten, die, in großen Städten angesammelt, in Massen nach den entfernten Friedhöfen überführt werden müssen, anzuwenden.

Bekanntlich zieht die englische Hauptstadt ihre Leichen in dem großen Bahnhofe der unterirdischen Eisenbahn King’s Cross zusammen, um sie nächtlicherzeit vermittelst separater Züge den mehrere deutsche Meilen entferntliegenden Friedhöfen zuzusenden. In Wien wird gegenwärtig die Frage sehr ernst ventilirt, diese letzte Reise auf pneumatischem Wege auszuführen. – Die Sterblichkeit in der Hauptstadt Österreichs ist bekanntlich eine große und die sich ergebende Ziffer im Verhältnisse zu der anderer Städte gleichen Ranges eine ungünstige. Inbegriffen seiner Vororte zählte Wien nach den letzten Ausweisen 980,000 Seelen, oder rund eine Million Bewohner. Dem gegenüber steht eine Jahresziffer von 36 bis 40,000 Todten, was proportionell zur Sterblichkeit Londons sich wie 2 : 1 verhält. Die die bis zum Ende des Vorjahres benutzten städtischen Friedhöfe konnten dem Bedarfe nicht entfernt mehr entsprechen; die Gemeindevertretung mußte mithin diesem Mangel abhelfen. Wem die Lage der österreichischen Hauptstadt bekannt ist, weiß, daß schon aus gesundheitlichen Gründen die Anlage eines Centralfriedhofes nur im Osten der Stadt möglich ist. In Folge dessen bestimmte denn auch die Commune auf den zwei Stunden östlich gelegenen Fluren von Kaiser-Ebersdorf eine Ebene von vorläufig dreihundert österreichischen Joch zu einer neuen Friedhofsanlage, welche mit Anfang dieses Jahres der Benutzung übergeben ward. Während des gegenwärtigen Winters stellten sich dem Transporte der Leichen nach der fernen Ruhestätte ungewöhnliche Hindernisse entgegen. Wohl wurde jener ungarischen Heerstraße entlang, welche den Verkehr mit Kaiser-Ebersdorf vermittelt, zu der neuen Kirchhofanlage ein Schienenweg gelegt, aber dennoch blieben die gerade bei Leichenzügen so widerwärtigen Verkehrsstörungen nicht aus. In Folge der Terrainverhältnisse leidet diese Straße während der Winterszeit an fortgesetzten Schneeverwehungen, ein Uebelstand, dem auch das vollkommenste Beförderungsmittel, die Eisenbahn, kaum zu begegnen vermag.

Dies brachte den Erbauer der Pariser und Wiener pneumatischen Post, Herrn Ingenieur von Felbinger, auf die Idee, das Project einer pneumatischen Leichenbeförderung zum neuen Centralfriedhofe auszuarbeiten und vorzulegen. Während die Eisenröhren für den in Wien befindlichen vierzehn Kilometer langen Post- und Depeschenverkehr nur eine lichte Weite von zweieinhalb Zoll haben, sind jene für die Leichenbeförderung auf fünf Meter, gleich fünfzehn Fuß, projectirt, und stellen sich die Gesammtkosten, diesem Vorschlage zufolge, für die eine deutsche Meile, also sieben Kilometer lange Strecke auf 1,070,000 Gulden. Die Durchschnittsgeschwindigkeit, mit welcher sich die vor dem Sturmwinde eilenden Züge bewegen, beziffert sich auf ungefähr anderthalb Minuten Zeit für eine halbe Wegestunde. Die dem pneumatischen Dienste anvertrauten Todten werden somit ihre letzte Reise zum Centralfriedhofe in circa sechs Minuten, oder mit einer Schnelligkeit von zehn deutschen Meilen per Stunde, mithin mit einer Geschwindigkeit vollbringen, welche die Züge des europäischen Continentes dem Lebenden zur Zeit nicht bieten. Rechnet man bei einer durchschnittlichen Beförderung von 38,000 Todten per Jahr nur eine Fahrtaxe von zwei Gulden für eine Leiche, so ergiebt eine Jahreseinnahme von 76,000 Gulden, hinreichend, um die Zinsen des Baucapitals und die Kosten der sehr einfachen Verwaltung zu decken.

Wir setzen die Einrichtung des pneumatischen Dienstes im Allgemeinen als bekannt voraus, wollen indeß doch einige Worte über die technische Eigenart desselben hinzufügen. Der Apparat hat die Aufgabe, auf künstlichem Wege Luftdruck, das heißt Sturm zu erzeugen. Als Motor hierzu wird in der Regel und so lange unsere Mechanik nichts besseres erfindet, die Dampfmaschine dienen müssen, die, je nachdem die Anforderungen beim Personen- oder Leichentransporte große sind, in dem entsprechenden Caliber beigestellt werden müssen. Die Elasticität unserer atmosphärischen Luft ist bekannt; die Technik hat somit die nur sehr einfache Aufgabe, Sturm zu erzeugen und ihm Halt! zu gebieten. Der hier in Anwendung kommende Motor bewegt ein Schwungrad, dessen Kreisungen zwei Hebel auf- und niederschwingen. Einer dieser Hebel bringt eine große Luftpumpe in Bewegung, welche die Luft aufsaugt und mit ungeheurer Gewalt zusammenpreßt. Der andere Hebel bewegt eine gleichgestaltete Pumpe, welche aus einem durch eine Röhre mit ihr verbundenen Cylinder diese Luft einsaugt und sie austreten läßt. Die erstgenannte Pumpe heißt „Compressionspumpe“. Sie füllt mit der in ihr verdichteten Luft den Eisencylinder, welcher technisch das „Compressionsreservoir“ genannt wird. Der andere Cylinder, aus welchem die zweite, die „Vacuumpumpe“, die Luft aufsaugt, ist das „Vacuumreservoir“.

Durch diesen Vorgang besitzt man zwei große Behälter, von welchen der eine verdichtete, der andere verdünnte Luft enthält. Die Rohrstränge münden in diese Reservoirs; durch Ventile werden der eine oder andere, je nachdem sie mit verdünnter oder verdichteter Luft gefüllt sein sollen, geöffnet. Wenn der Zug abgehen soll, wird das Rohr durch den Vacuumcylinder ausgepumpt; die Luft ist somit verdünnt. Man legt jetzt in dasselbe jene Kapseln, welche den Transportgegenstand enthalten, hinter diese den luftdicht schließenden Piston und öffnet das Compressionsventil. Die verdichtete Luft nun strömt ein und mit Sturmesschnelle jagt sie den widerstrebenden Zug vor sich her. Begreiflich, daß der Sturm nicht blos hin-, sondern auch herwehen kann, es müssen also auch am entgegengesetzten Ende des Stranges Motor und Luftreservoirs aufgestellt sein. Auf Zwischenstationen sind in der Regel nur zwei Luftreservoirs aufgestellt, welche durch besondere Röhren von den Endstationen aus gefüllt werden.

Die Mündungen der Röhren für Post- und Depeschendienst sehen wie bronzene Kanonenrohre aus. Sie ruhen auf eisernen Tischen und lassen sich durch Riegelverschluß luftdicht öffnen und schließen. Die obere Hälfte des Rohres wird als Deckel zurückgeklappt, der Train sammt Piston eingeschoben, der Deckel geschlossen, das Ventil gerichtet, die entsprechende Reservoir- und die Empfangsstation telegraphisch avisirt; der Luftstrom langt an – und blitzschnell brausend fährt der Zug ab. Wie wir bereits erwähnten, ist der Sturm sehr schnell, so daß bei Leichentransporten das Sprüchwort „Die Todten reiten schnell“ buchstäbliche Erfüllung findet.

Gleich dem nie rastenden Menschengeiste treibt allein der Sturm, der künstliche, die Posten, mit Lebenden, Todten oder Nachrichten gefüllt. Es ist nichts weiter als die rasende Bewegung der Luft, entstehend dadurch, daß ihre kälteren, also dichteren Massen in jene Regionen stürzen, in welchen durch momentane Erwärmung sie verdünnt und gelockert wurden. Wir erzeugen mechanisch diesen Sturm, indem wir beliebig die Luft verdünnen oder verdichten, und zwingen sie damit zu jener in diesem Falle gezügelten Raserei, die wir Orkan nennen. Diesem Orkane übergiebt die Broadway ihre Lebenden; die Wiener werden ihm ihre Todten anvertrauen. Ohne Zweifel steht dem pneumatischen Dienste eine eine sehr große Zukunft bevor!




Schiller’s Begräbniß. In Veranlassung meines Aufsatzes „Der katholische Schiller“ in Nr. 8 der „Gartenlaube“ geht mir von mehreren Seiten der Wunsch zu, daß das Weimarische Oberpfarramts-Zeugniß, auf welches jener Artikel Bezug nimmt, wörtlich und vollständig abgedruckt werden möge. Gern entspreche ich diesen Wünschen, indem ich das Zeugniß hier wörtlich genau folgen lasse. Das Original desselben liegt bei der Redaction zu Jedermanns Ansicht bereit.

Weimar, im März 1875. Dr. Robert Keil.

„Donnerstag am neunten Mai des Jahres Ein Tausend acht Hundert und fünf (9. Mai, 1805) Abends halb 6 Uhr starb allhier in der Großherzogl. Sächsischen Residenzstadt Weimar in einem Alter von 45 Jahren, 6 Monaten nach kurzem Krankenlager an einem Nervenschlage der Hochwohlgeborene Herr, Herr

 Dr. Carl Friedrich von Schiller,

Fürstlich Sachsen-Meiningischer Hofrath, hier. Derselbe wurde am 12. Mai, 1805, Nachts 1 Uhr mit der ganzen Schule in das Landschafts-Kasse-Leichengewölbe hier beigesetzt. Die Leichenrede wurde von Sr. Magnificenz, dem Herrn General-Superintendenten Vogt, in hiesiger St. Jacobskirche am 12. Mai, Nachmittags 3 Uhr gehalten.

Der Verstorbene hinterließ die Ehefrau und 4 Kinder.“

Vorstehendes wird auf Grund des Todten-Protokolls der evangelischen Gemeinde allhier in Weimar bezeugt und durch Unterschrift und Kirchensiegel beglaubigt.

Weimar, am 12. December 1874.

Das Großherzoglich Sächsische evangelische Oberpfarramt daselbst.

(L. S.) Dr. Hesse.

 Venus, Stadtkirchner.




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