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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872)

Denkmal für Volkskämpfer. Mit Abbildung. S. 609.) Zu Kirchheimbolanden in der Rheinpfalz wurde am 16. Juni d. J. ein Denkmal feierlich eingeweiht, das die Treue der Kampfgenossen und der Dank des heutigen Geschlechts siebenzehn rheinhessischen Männern und Jünglingen, die im pfälzisch-badischen Revolutionskriege hier den Tod im Kampfe gefunden, auf dem dortigen Friedhofe errichtet hat. – Bei der Aufstellung des Sockels des Denkmals, am fünfundzwanzigsten Mai, wurde vor dem Aufsetzen des Capitälchens in eine Vertiefung des letzten Würfels eine auf Pergament geschriebene Urkunde in einem gläsernen Cylinder eingelegt, welche kurz und bündig die Veranlassung dazu mit folgenden Worten darstellt:

„Im Jahre 1848–1849 hat die vom deutschen Volke gewählte deutsche Reichsversammlung in Frankfurt a. M. eine deutsche Reichsverfassung auf gesetzlichem Wege berathen und festgestellt, deren Ein- und Durchführung sich jedoch verschiedene deutsche Fürsten gegen den Wunsch und das Wohl des Volkes widersetzten. Die Bevölkerung der bairischen Pfalz und von Baden trat für ihr gutes Recht ein, ihre dafür streitende Volkswehr aber wurde von der Uebermacht der von den Fürsten gegen sie aufgebotenen Heere besiegt und die Hoffnung auf die Schaffung eines einigen, freien deutschen Reichs in damals unabsehbare Ferne hinausgerückt. An diesem Kampfe für sein gutes Recht wurde das pfälzische Volk von vaterlands- und freiheitsbegeisterten Männern und Jünglingen aus der rheinhessischen Nachbarprovinz unterstützt, welche eine Freischaar bildeten, die am vierzehnten Juni 1849 den ersten Kampf gegen eine in die Pfalz einrückende preußische Heeresabtheilung hier in Kirchheimbolanden zu bestehen hatte, wobei die nachstehend Aufgeführten (folgen die Namen) den Heldentod für Freiheit und Vaterland starben und auf diesem Friedhofe ihre letzte Ruhestätte fanden.“

Das Denkmal mag eine Gesammthöhe von vierzehn bis fünfzehn Fuß haben und stellt eine Germania dar, welche die Linke auf den deutschen Reichsschild stützt, in der Rechten den Kranz des Kämpfers emporhält und auf einem Sockel steht, dessen unterster, auf den Platten der Doppelstufen ruhender Würfel fünfundachtzig Centner wiegt; der zweite wiegt achtundvierzig, der dritte sechszig und das ihn krönende Capitälchen zehn Centner. Entwurf nebst Modell ist von Professor Schieß in Wiesbaden, der Guß von A. Kastner in Berlin, Unterbau nebst Sockel vom Bildhauer Schuler in Kirchheimbolanden; Alle haben sich zur Ehre gearbeitet, denn das Denkmal gehört in der That zu den schönsten in Deutschland.

Stadt und Bürgermeister haben das Würdigste zur Enthüllungsfeier beigetragen. Das „Nordpfälzische Wochenblatt“ in Kirchheimbolanden erzählt: Alle Straßen waren mit dem Grün des Waldes verziert, von den Häusern wehten Fahnen in den Farben, welche der Erhebung vor zwanzig Jahren vorangeleuchtet, dem theuren „Schwarz-Roth-Gold“, den Farben, welche das neugestaltete deutsche Vaterland die seinigen nennt, „Schwarz-Weiß-Roth“, sowie in den Farben unseres engeren Vaterlandes Baiern, „Blau-Weiß“. Und so herzerhebend wie dieser Anblick, war der der Menge des Volkes, das von nah und fern herbeiströmte – vor Allem aber das Denkmal selbst! Wohl den Meister will ich loben! Germania in Trauer mit dem Lorbeerkranze für die Gefallenen! Jedes Glied an ihr ein Meisterwerk; die Falten des Mantels, das göttergleiche Haupt – kurz das ganze Denkmal ist über jedes Lob erhaben und wird mit seinem schönen Hintergrunde eine Zierde unseres Friedhofs bleiben für alle kommenden Zeiten.

Wir aber begrüßen die Enthüllung eines solchen Denkmals als ein Zeugniß für die dermalen im Reiche herrschende Macht, daß sie in den einst von ihr als Rebellen Bekämpften nun ihre Vorkämpfer anerkannt, die dasselbe gewollt haben, was jetzt am hellen Tag und vor aller Welt wie vom gesammten Volke auch von der herrschenden Macht auf den Thronen erstrebt wird: des deutschen Reiches Heil!




Paul Dietze’s letztes Schicksal. Wir haben in Nr. 33 die Notiz gebracht, daß wir dem vermißten Zwerg aus Neudorf bei Dresden auf der Fährte seien. Darauf hin erhielten wir gleichzeitig aus Königsberg i. Pr. und Danzig die Nachricht, daß der Menageriebesitzer Kaufmann, der Sohn jenes Panoramenbesitzers, in dessen Dienst Paul Dietze als Zwerg gegangen, sich soeben auf dem Danziger Dominikmarkt befinde. Während wir nun eben auf die Antwort der Danziger Polizeibehörde warteten, die wir um Nachforschung bei dem etc. Kaufmann ersucht, überrascht uns ein Schreiben aus dem „Auswärtigen Amt“ in Berlin, in welchem „im Auftrage des Reichskanzlers“ uns Folgendes mitgetheilt wird:

Berlin, den 23. August 1872.     

Die in Nr. 22 des laufenden Jahrganges der ‚Gartenlaube‘ unter der Rubrik ‚Wer kann Auskunft geben?‘ enthaltene Notiz über Paul Dietze, Sohn einer Wittwe in Sachsen, hat dem kaiserlichen Consulat zu Constantinopel Anlaß gegeben, über den Verbleib des Genannten Erkundigung einzuziehen.

Bereits bei einer früheren Gelegenheit, vor etwa zwei Jahren, war dem kaiserlichen Consulat von dem zu Pera wohnenden Commis Michael Salomonowitsch mündlich zur Anzeige gebracht worden, daß ein österreichischer Unterthan Namens Jehiel Stern dem Serail einen Zwerg, der Paul Dietze heiße, verkaufen wolle. Dies Geschäft ist angeblich aus dem Grunde damals nicht zu Stande gekommen, weil Dietze durch das Consulat gewarnt worden ist und er sich auch nicht entschließen wollte, zum Islam überzutreten. In Erinnerung dieses Umstandes hat das kaiserliche Consulat den etc. Salomonowitsch neuerdings über die ferneren Schicksale des Paul Dietze vernommen. Salomonowitsch erklärte: Der etc. Dietze sei von Pera nach Adrianopel, von da nach Larsa in Rumelien gereist und dort gestorben. Diese Nachricht wollte Salomonowitsch durch den türkischen Unterthanen Salomon Fortuna erhalten haben, der mit dem vorgenannten Jehiel Stern beim Tode des Dietze zugegen gewesen sei. Es ist demgemäß auch der Salomon Fortuna vernommen worden und hat erklärt: er habe bis vor einem Jahre das Casino zu Larsa bewirthschaftet. Im Herbste des Jahres 1870 sei der jüdische Handelsmann Stern in Begleitung eines aus Preußen gebürtigen Zwerges Namens Karl Dietze nach Larsa gekommen, um dort im Casino Vorstellungen zu geben. In Larsa sei Dietze plötzlich in Folge eines Nervenfiebers gestorben und auf dem griechischen Kirchhofe beerdigt worden. Sämmtliche im Nachlaß des etc. Dietze vorgefundenen Papiere und alle sonstigen zum Nachlaß desselben gehörigen Effecten will Salomon Fortuna den Beamten des kaiserlich russischen Consulates zu Larsa übergeben haben, da dasselbe es übernommen hatte, wegen Auslieferung des Nachlasses an das angeblich zunächst gelegene deutsche Consulat zu Salonik Sorge zu tragen.

Der Redaction gebe ich die weitere entsprechende Veranlassung mit dem Bemerken anheim, daß ich bereit bin, auf Wunsch der Mutter des verstorbenen Karl Dietze Schritte zur Erlangung des Nachlasses desselben einzuleiten.

Der Reichskanzler.
Im Auftrage:
v. Bülow I.

Von dem leider so schmerzlichen Inhalt dieses Schreibens haben wir der armen alten Mutter des Paul Dietze sofort Kunde gegeben. Das Schreiben des „Auswärtigen Amts“ selbst aber hat für uns seinen besondere Werth als ein Zeugniß aus dem „neuen deutschen Reiche“, daß der einst im Ausland so schutz- und hülflose und darum verachtete Deutsche nun der Würde des Reichs angemessen vertreten ist und selbst der Aermste draußen fühlen muß, daß Deutschland wieder eine Fahne und ein Schwert hat, das ein starker Arm führt.




Friedrich Rückert’s Hainbund-Feier. Unter Glas und Rahmen hängt auf der Kneipe der Burschenschaft „Germania“ in Göttingen ein noch ungedrucktes Gedicht Rückert’s. Der Inhalt läßt uns vermuthen, daß es zu jenen Dankesäußerungen gehörte, mit welchen der Dichter so Manche erfreute, die, der Anregung der Gartenlaube folgend, ihm Glückwünsche und Ehrengaben zu seinem fünfundsiebenzigsten Geburtstage (am 16. Mai 1863) dargebracht hatten. Da der Inhalt des Gedichts zugleich den „Hainbund“ feiert, dessen hundertjähriges Stiftungsfest am zwölften September in Göttingen begangen worden ist, so erkennen wir es um so mehr als unsere Pflicht, dasselbe als eine nachträgliche Beisteuer zu dieser Feier hier mitzutheilen.

Dort, wo einst Hölty’s Jugend vorgekündet
Den leisen Ton zu Goethe’s vollem Chore,
Und Bürger mit der Todtenbraut Lenore
Weimars Balladenwettkampf hat entzündet;

Ihr dort, zu höherm Hainbund nun verbündet,
Habt herrlich meines Alters jüngste Hore
Begrüßt mit Worten, schmeichelhaft dem Ohre,
Und deren Sinn mir fest in’s Herz sich gründet.

Heil euch, ihr Musenzöglinge der Leine,
Heil ruf’ ich euch in allen Facultäten,
Wo euch des Wissens Quelle tränkt, die reine,

Auf daß ihr, mit des Geistes Kampfgeräthen
Gerüstet, mögt als rüstige Gemeine
Der Zukunft in den Kampf des Lebens treten!

 Fr. Rückert.




Journalisten-Lehrstühle. „Wissen Sie schon,“ schreibt uns ein alter Mitarbeiter der Gartenlaube aus Amerika, „daß in einzelnen unserer Colleges (höhere Lehranstalten) nun eigene Lehrcourse zur Ausbildung von Journalisten eröffnet wurden? Das könnte auch drüben in Europa nichts schaden, aber ich fürchte, man macht der Presse dort keine solche Concession, wie der Theologie, Juristerei etc.“




Nachträgliches. In Nr. 16 der „Gartenlaube“ (Seite 258) geschieht in dem Artikel „des Kaisers Tusculum“ eines Straußes von künstlichen Kornblumen Erwähnung und heißt es gleichzeitig, derselbe sei ein Geschenk einer „armen Wittwe“. Es geht uns nun in Bezug hierauf die Berichtigung zu, daß die Spenderin der Blumen die Frau Majorin v. Mosch, Wittwe des Adjutanten Schill’s, ist und das Beiwort „arme“ in keiner Weise auf diese Dame Anwendung finden kann. Möge es der „Gartenlaube“ stets so leicht gemacht werden, die Armuth zu beseitigen, wie in diesem Falle!




Kleiner Briefkasten.

A. M. in K. Ihrem Wunsche gemäß theilen wir Ihnen hierdurch mit, daß der Verfasser des in Nr. 23 der „Gartenlaube“ enthaltenen Artikels „Der Held des Chicagoer Brandes“ Herr E. Schläger in Innsbruck ist. Zu einer eingehenderen Unterrichtung über den Gegenstand jenes Artikels empfehlen wir Ihnen das von demselben Autor in Gemeinschaft mit Herrn E. Seeger verfaßte Buch „Der Brand von Chicago“.

K. in Lpz. Der Name des Zeichners der in Nr. 32 d. Bl. abgebildeten Ansicht des Vestibule im neuen Johannis-Hospital zu Leipzig ist nicht Lochmann, sondern Lachmann. Herr Lachmann war der von Seiten des Rathes mit der speciellen Ausführung des Baues beauftragte Bauführer.




Berichtigung. In einem kleinen Theile der Auflage von Nr. 34 ist durch ein Correcturversehen in dem Feuilletonartikel „Die Kölner Kaiserglocke“ das Gewicht der Glocke anstatt mit 500 mit nur 50 Centner angegeben. Wir bitten die Besitzer der ersten Abdrücke das Versehen zu entschuldigen und das Gewicht in die richtige Zahl abzuändern.


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_612.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)