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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

wurde sie, als sie mit ihrem Säugling mutterseelenallein auf der Farm war, von einer kleinen Buschklepperbande überfallen, die von meiner Abwesenheit vom Hause Wind haben mochten. Da sie wußte, wie sehr mein Name bei allem Gesindel der Umgegend gefürchtet war, so rief sie mit vollkommenster Zuversichtlichkeit rasch und laut in’s Haus hinein: ‚Captain Werner, komm, rasch mit Deiner Büchse, es sind Buschklepper da!‘ – Und das kühne Stückchen gelang – die Burschen verschwanden wie Spreu vor dem Winde.“

Hier wurde der Erzähler von allgemeinem Beifall unterbrochen, und Einer knüpfte an die Aussprache seiner vollen Bewunderung für eine solche Hausfrau die schelmische Frage: „Was hat es denn nun aber dem guten Weibchen genutzt, daß sie Physik und Chemie so eifrig studirt hat?“

„Ei,“ versetzte der glückliche Gatte mit vieler Wärme, „kochen hat sie gelernt, wie keine andere Angloamerikanerin. Die Chemie der Küche und die Physik der Wirthschaft hat sie anwenden gelernt. Und von der Gährungschemie versteht sie soviel wie ich, so daß ich meine ausgedehnten Weinkeller wochenlang unter ihrer alleinigen Obhut lassen kann. Und dann ist es in der Wildniß des fernen Westens ein unschätzbarer Gewinn, an seiner Seite ein treues Weib zu haben, das alle unsere Gedanken versteht und würdigt, mit dem wir jede Regung des Geistes austauschen können und das ein Verständniß für unser ganzes Innere hat.“

Der Erzähler wurde beglückwünscht und beklatscht, und ein Anderer hatte die Unterhaltung fortzusetzen.




Das October-Jubiläum auf der Wartburg.
Von Robert Keil.


Der Zug unserer Zeit ist der nationale. Gilt dies von den Völkern der Gegenwart überhaupt, so gilt es insbesondere und vor Allem von dem deutschen Volke. Jung und alt, arm und reich, hoch und niedrig, – Alle streben und ringen, bewußt oder unbewußt, nach dem einen hohen heiligen Ziele: nach einer wahren freiheitlichen Einigung des gesammten deutschen Vaterlandes. Mögen auch die Hoffnungen der Patrioten von Neuem vielfach getäuscht und vor endlicher Erreichung des Ziels mannigfache Hindernisse, welche der eitelste Egoismus und der engherzigste Particularismus wieder und wieder in den Weg legen, zu überwinden sein, immer und allezeit haben wir doch mit wärmstem Dankgefühle der Männer zu gedenken, die jene hohen Ideen zuerst erfaßt und in jugendlich-feuriger Begeisterung durch ihr erstes deutsches Nationalfest da droben auf der Wartburg den ersten gewaltigen Anstoß zur Verbreitung und Befestigung des deutschen Einheitsgedankens in allen deutschen Stämmen und Ständen gegeben haben.

In der That, das berühmte oder berüchtigte Fest, welches in den Octobertagen des Jahres 1817 die deutschen Studenten auf der Wartburg begingen und das demnach im kommenden October seinen fünfzigsten Jahrestag feiert, war das erste wahre deutsche Nationalfest. Hören wir, was uns nach fünfzig Jahren einer der Theilnehmer des Festes, der um die Sache der Humanität und Freiheit so hochverdiente schweizerische Präsident Karl Völker (auf Schloß Herbrugg im Canton St. Gallen, gebürtig aus Eisenach), über die Entstehung des Festes aus dem reichen Schatze seiner Erinnerungen mittheilt. Es bedarf übrigens kaum der besondern Bemerkung, wie bedeutsame Streiflichter von dieser Ideenentwickelung der Jahre 1815 und 1817 zugleich auf die politische Lage der Gegenwart fallen.

„Unter Napoleon’s Herrschaft,“ schreibt er mir, „war nicht nur die Unabhängigkeit fast aller Staaten Europas, sondern auch die innere Freiheit Frankreichs vernichtet worden, und hier wie dort regte sich Unwille: dort, weil die von ihm gemachten Eroberungen dem französischen Volk keinen Ersatz für die verlorene Freiheit gewährten, hier, weil man trotz der eigentlich besseren Staatseinrichtungen doch den Druck der Fremdherrschaft und die Schmach der verlorenen Selbstständigkeit zu stark fühlte. England, von Anfang an der erbittertste Feind Napoleon’s, unterstützte den spanischen Aufstand, und als der Zug gegen Rußland durch Moskau’s Brand fehlschlug und Preußen sich erhob, da wurde auch dieses mit Rath, Geld, und Macht unterstützt. Der Tugendbund, namentlich aber auch ein Jahn, Arndt, Fichte, Luden, Fries und andere Erzieher und Lehrer hatten die deutsche Jugend zu einem Kampf für die Zerstörung der Fremdherrschaft begeistert, zugleich aber waren auch die Schriften eines Voltaire, Helvetius und Rousseau, welche die französische Revolution vorbereitet hatten, mit ihren Ideen von Menschenrechten unter die deutsche studirende Jugend gedrungen, und Amerika’s Beispiel, das Studium der englischen Verfassung und Schiller’sWilhelm Tell“ hatten Gedanken und Verlangen erweckt, welche Befriedigung anstrebten. Darum hoffte man auch mit der äußern Befreiung die innere zu erlangen und um nicht stets der Gefahr der Unterjochung durch eine fremde Nation ausgesetzt zu sein, sondern als eine starke unangreifbare Macht dazustehen, ersehnte man ein alle deutschen Staaten und Stäätchen fest umschließendes politisches Band, das man sich in einem deutschen Kaiser idealisirte. Die deutschen Fürsten durften daher nur mit Inaussichtstellung der Gewährung jener Verlangen das deutsche Volk zu Ergreifung der Waffen, zu Befreiung des Vaterlandes auffordern. So geschah es denn auch, und nach den großen Opfern, welche das deutsche Volk an Geld und Blut zur Vertreibung der fremden Dränger gebracht, nach den mörderischen Schlachten, an denen auch die begeisterte studirende Jugend theilgenommen hatte, nach der Transportation Napoleon’s und der Wiederherstellung des Throns der Bourbonen versammelten sich die Bevollmächtigten und Vertreter der verschiedenen Staaten zum Congreß in Wien.

Das deutsche Volk harrte mit Sehnsucht auf dessen Beschlüsse, die seine künftigen Zustände entscheiden sollten. Aber von Monat zu Monat verzögerte sich zuerst die Versammlung und als sie endlich im October beisammen war, ging Alles so geheimnißvoll und doch resultatlos zu, daß die gehegten Hoffnungen in bittere Gleichgültigkeit umschlugen; namentlich wurden die Unterhandlungen über die deutsche Verfassung nach einem fruchtlosen Versuch gänzlich unterbrochen und dafür das Volk durch die Zeitungen mit den endlosen Festen regalirt, die der gastliche Wiener Wirth seinen Gästen täglich zum Besten gab, während seine fünfzigtausend Invaliden, die den Sieg mit errungen hatten, darben mußten und der kurz vorher erfolgte Staatsbankerott eine große Zahl von Unterthanen in Noth und Armuth gestürzt hatte. Metternich, der Präsident des Congresses, machte sich zum Förderer der Begehren Englands und Rußlands und zum Werkzeug der Ränke eines Talleyrand und Montgelas. Wie geheim aber auch Alles zuging, so gab es doch horchende Mäuschen, welche mit den Unterhandlungen hinausschlüpften. Von vaterländischer Gesinnung zeigte sich unter den Vertretern der deutschen Höfe kaum eine Spur mehr; jeder Fürst und jedes Fürstlein dachte nur an seine Vergrößerung oder an seine Selbsterhaltung, und von Aufgeben von Souveränetätsrechten und Unterordnen unter ein gemeinsames deutsches Oberhaupt war nun gar keine Rede mehr. Ja, so weit ging die Schmach, daß der intriguante und nach allen Seiten Lug und Trug spielende Metternich (den man damals nur Mitternacht nannte) an einem Kriegsbündniß zwischen Oesterreich, Baiern und Frankreich gegenüber Preußen und den norddeutschen Staaten arbeitete. – Nun war im Jahr 1815, besonders von dem Theil der Studirenden, welche den Befreiungskrieg (viele unter Lützow) mitgemacht hatten, die Jenaische Burschenschaft gegründet worden. Der nächste Zweck derselben war kein anderer, als der schon früher von Fichte und Jahn angestrebte, nämlich der Zerrissenheit Deutschlands, die sich auch auf den Universitäten durch die Landsmannschaften und ihre ewigen Händel und Feindschaften kundgab, sowie auch dem wüsten Treiben auf den Universitäten entgegen zu arbeiten. Man hoffte auf diese Weise nicht nur ein besonneneres Leben und Streben unter der Jugend zu wecken, sondern auch das Gefühl der deutschen Zusammengehörigkeit fest zu gründen, in der Hoffnung,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_473.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)