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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

sein kleines Häuslein in der Vorstadt verlassen und ist in die Mitte von Nürnberg selbst gezogen. Erst in die Nähe der Lorenzkirche, dann aber in das Mehlgäßlein, unweit des Spitalkirchhofes, wo man noch heute seine Wohnung zeigt und der Gasse nun seinen Namen gegeben. Achtunddreißig Jahre hatte er schon mit seiner theuern Kunigunde in der glücklichsten Ehe gelebt. Von den sieben Kindern, die sie ihm geschenkt und die zum Theil schon erwachsen starben, war nur eine Tochter noch am Leben und bereits verheirathet; blühende Enkel und Enkelinnen gewährten Ersatz für den Verlust der eigenen Kinder. Die Zeit der Mühsale und Sorgen für die häusliche Existenz war vorüber – durch Fleiß, Redlichkeit, Kraftanstrengung und Sparsamkeit hatte sich Hans Sachs zum Wohlstand emporgearbeitet. Neben der Betreibung seines gewöhnlichen Schusterhandwerkes, wozu er immer mehr Gesellen annehmen mußte, hatte er sich auch einen kleinen Kram mit allerhand Lederwerk und fertigem Schuhzeug und „Waaren im Pfennwerth“ zugelegt und bezog die Messen in Frankfurt und anderen Orten. Jetzt hatte er diese Reisen wieder eingestellt und darum mehr Muße für die Dichtkunst gewonnen. Seine Gedichte zählte er schon nach Tausenden. Sein Ruhm als Altmeister und Vordichter hatte in der nürnbergischen Schule wie auswärts mit jedem Tage mehr zugenommen; sein Bildniß prangte seit längst als Zeichen der Anerkennung auf einem besondern Täflein an den Tagen der Singschulen; er selbst hatte eine silberne Kette gestiftet, mit welcher der jedesmalige Sieger im Gesange geschmückt ward, und in allen deutschen Singschulen wurden die von ihm zusammengesetzten meisterlichen Lieder unter seinem Namen als Muster aufgenommen.

Dennoch legte er auf diese „Meistersingerei“ gerade das allerkleinste Gewicht und was er so nur nach den Schulregeln gedichtet, wünschte er auch nicht weiter verbreitet, als innerhalb der Schulen. Er hatte damit nur gezeigt, daß er auch konnte, was die gelehrten Reimschmiede konnten – aber der Vertreter des Volkes, des Handwerkerstandes in seiner Würde konnte mehr.

In ganz Deutschland hatten sich unter den Bürgern kleine Gesellschaften und Verbindungen gebildet, welche unter Anleitung eines Dichters sich zur Aufführung weltlicher Vorstellungen vereinigten, wie es die Mönche zu den geistlichen thaten. In Nürnberg hatten Folz und Rosenblüth solche Schauspiele gedichtet, und Hans Sachs folgte ihrem Beispiel. War irgend eine fröhliche und ehrbare Gesellschaft von Bürgern zusammen, so führten die Gäste selbst diese Stücke vor, die sie dazu sich eingeübt hatten – es waren Liebhabertheater nach heutigen Begriffen. Zu diesem Zweck schrieb nun Hans Sachs eine Menge Schauspiele, die er selbst mit aufführen half und die sich meist durch ihren volksthümlichen Humor, wie ihre ehrliche Moral auszeichnen. Er geißelte darin die Gebrechen seiner Zeit und half so auch auf diesem Gebiet der Wahrheit und Freiheit eine Gasse brechen.

Aber trotz all dieser Leistungen, dieses Rufes und Ruhmes hatte Hans Sachs doch nicht eher, als bis er dreiundsechzig Jahre alt geworden, seine Gedichte durch den Druck veröffentlicht. Endlich geschah dies 1558. Es erschien bei Georg Willer in Augsburg ein Buch unter dem Titel: „Sehr herrliche, schöne und wahrhafte Gedichte, geistlich und weltlich allerlei Art, als ernstliche Tragödien, liebliche Comödien, seltsame Spiel, kurzweilige Gespräch, sehnliche Klagreden, wunderbarliche Fabel, sammt anderen lächerlichen Schwänken etc. 376 Stück, die vormals nie gedruckt, jetzt aber aller Welt zu Nutz und Frommen in Druck verfertigt durch den sinnreichen und weitberühmten Hans Sachsen, ein Liebhaber deutscher Poeterei. Gedruckt zu Nürnberg bei Chr. Heußler 1558.“

Das Buch war schon in zwei Jahren vergriffen, als Hans Sachs auch bereits einen neuen Band zusammengestellt hatte. Aber da traf ihn mitten im fröhlichen Schaffen ein harter Schlag: seine theure Kunigunde starb am 25. März 1560. Monate lang war er in diesen Gram versenkt, den er in Liedern auszusingen suchte.

Er fand die Einsamkeit, die ihn nun umgab, so unerträglich, daß er sich nach anderthalb Jahren wieder verheirathete mit einem jungen Mädchen Barbara Harscherin, der Tochter eines kunstreichen Zinngießers aus Nürnberg. Wenn er ihr indeß auch als Braut ein entzücktes Lobgedicht widmete, so konnte sie ihm doch schon durch den Unterschied der Jahre nicht das trauliche häusliche Glück geben, das er Kunigunden dankte. Dreiundsiebzig Jahre alt gab er den dritten Band seiner Werke heraus und nahm Abschied von der Dichtkunst, aber er lebte noch im stillen Sinnen bis 1576, in welchem Jahre er am 25. Januar starb.

Mit stillen Ehren ward er bestattet und die Pfleger des deutschen Gesanges erhoben auch an seinem Grabe ihr trauerndes Gesellschaftslied. Sein Freund und Schüler Adam Puschmann schrieb ihm einen begeisterten Nachruf, und als der Frühling kam, da sangen und zwitscherten die Vöglein über den freundlich grünenden Grabhügel, in dem ein dreiundachtzigjährer Greis nach wohl vollbrachtem Tagewerk friedlich schlummern mochte, und die Bienen aus dem Reichsforst summten auch um die Blumen, die die liebende Enkelhand auf das Grab gepflanzt. Dein Leben voll Arbeit und Gesang war nicht vergeblich gelebt, wackrer Handwerksmann! und wohl hattest Du Ursache, als Du nach Nürnberg von der Wanderschaft zurückkehrtest, vor Freuden weinend die Vatererde zu küssen, die Dir mehr als sechzig glückliche Meisterjahre gab und ein Andenken, das durch Jahrhunderte währt!

Louise Otto-Peters.




Immerfrisches Obst.


Es war ein wunderschöner Frühlingstag, als ich mit einem meiner Freunde die frisch aufathmende Schöpfung begrüßte. In vollen Zügen schlürften wir den Nektar der würzigen warmen Luft und freuten uns nicht blos der Blüthen, die uns rings umdufteten, wir freuten uns in Hoffnung schon der Früchte, die aus diesen Blüthen wachsen würden. Denn wir waren Beide eifrige Obstzüchter und hatten es im vorigen Jahre schmerzlich beklagt, daß ein harter Spätfrost jene Hoffnung getödtet. Da mußte denn auch, wenn nicht ohnehin die politischen Wirren ein Veto eingelegt hätten, die allgemeine Obstausstellung unterbleiben, die unter dem Vorsitz des pomologischen Koryphäen Ed. Lucas in Reutlingen abgehalten werden sollte.

Nun aber war, schneller als es Menschengedanken erwarten durften, der Friede zurückgekehrt und ließ wieder, wenn auch noch immer dunkle Wolken über den politischen Himmel ziehen, an den fleißigen Ausbau volkswirthschaftlicher Bestrebungen denken.

„Und doch“ – schien mein Begleiter im Laufe unseres Gespräches zu scherzen – „habe ich auch im vorigen Jahre, trotz des Frostes und des Schlachtendonners, eine reiche Obsternte gehalten. Ja, was noch wunderbarer, dieses Obst ist in den herrlichsten Exemplaren bis zu dieser Stunde so gesund und frisch geblieben, als sei es eben erst vom Baum genommen.“

„Nein, nein, ich scherze nicht!“ fuhr er mit der ernsthaftesten Miene fort, als ich ihn mit lächelnden Kopfschütteln ungläubig ansah. – „Schenken Sie mir diesen Abend das Vergnügen Ihres Besuches und nehmen Sie mit einem kleinen Imbiß vorlieb, damit ich Sie durch den Augenschein von der Wahrheit meiner Worte überzeugen kann.“

Ich acceptirte, schon aus Neugierde, die freundliche Einladung. – Als ich kam, ward ich von der liebenswürdigen Gemahlin meines Freundes als willkommener Gast empfangen.

„Der Abend ist so mild,“ sagte sie, „daß wir den Tisch in der Gartenlaube gedeckt haben. Dort werden Sie von meinem Manne erwartet.“

Die Gartenlaube war unser Lieblingsplätzchen, wo wir schon manche genußreiche Stunde mit einander verlebten. Je länger wir diesen Genuß entbehrt hatten, um so lieber eilte ich dem Freunde zu, der mir mit herzlichem Gruße entgegen trat. Zunächst bewunderte ich ein Hyacinthenbeet, das, mit kleinen Tulpen umrahmt, in üppigster Blüthe stand und mit seinen Düften den ganzen Garten erfüllte. Bald aber rief die Hausfrau „zu Tische“. Wir setzten uns und aßen und tranken so vortrefflich, wie ich es stets bei meinem Freunde gewohnt war. Von dem gerühmten Obst jedoch war keine Spur zu sehen.

Endlich hieß es: „Nun, liebe Frau, den Nachtisch, damit ich bei meinem Freunde nicht zum Lügner werde.“ Da nahm sie von einem Seitentischchen ein Tuch, das zwei Krystallschalen bedeckt hatte, und aus diesen Schalen – durfte ich meinen Augen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_279.jpg&oldid=- (Version vom 13.3.2017)