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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

(von 7666). „Sobald unsere angewiesenen Cantonnirungen Groß- und Kleinkrebs, Littschen und Ottotschen bezogen waren, musterte ich meine Brigade, wozu der Raum einer Scheune hinreichte.“

Klingt es nach all diesem nicht wie ein Hohn, bekundet es nicht ein vollkommenes Verkennen des schauerlichen Gottesgerichts, welches über Napoleon und die „große Armee“ gekommen, ein Verkennen der heldenartigen Aufopferung des badischen Armeecorps, wenn der Markgraf Wilhelm die Schilderung dieses Epos mit der Bemerkung schließt: „Auf Aufforderung des Marschalls Victor übergab ich ihm meine Vorschläge zum Orden der Ehrenlegion. Sämmtliche von mir bezeichnete Officiere und Unterofficiere – siebzehn an der Zahl – erhielten diese Auszeichnung unter dem 5. Juni; mir ertheilte der Kaiser das Officierkreuz!“

Mit diesem „rothen Bande“ fesselte der Kaiser den deutschen Fürstensohn noch einmal an seinen halb zertrümmerten Triumphwagen. Für dieses „Officierkreuz“ wurde der Markgraf, so tapfer und so vollkommen vaterlandlos, vom Geschicke verurtheilt, auch den für Napoleon und seine Anhänger so bittern Kelch der Niederlagen und das Elend von 1813 mit bis auf die Neige leeren zu helfen. Zu diesem Feldzuge mußte Baden abermals 7150 Mann stellen.

Badenser mußten am 16. October die Oesterreicher aus Lindenau zurücktreiben helfen, und so den Rückzug für den 18. October offen halten; alle Officiere der vier Compagnieen des Regiments des Markgrafen und zweihundert sechsundvierzig Unterofficiere und Gemeine bedeckten den Kampfplatz. Dem Markgrafen Wilhelm selbst wurde dann das Truppencommando in Leipzig übertragen. Am 17. October vertheidigten Polen unter Dombrowsky den Löhr’schen Garten und das Hallische Thor, bis der Markgraf Befehl erhielt die Polen abzulösen; was in dem Augenblicke geschah, wo die schlesische Armee vor dem Hallischen Thore das Gefecht begann. Dombrowsky umarmte den deutschen General und pries sich glücklich, aus der übeln Lage erlöst zu werden. Die Deutschen waren dafür gut genug, die Polen schon zu gut – in den Augen der französischen Befehlshaber.

Am 19. October mußte der Markgraf mit zwei badischen, einem italienischen Bataillon und eintausend zweihundert Mann Sachsen die letzten Anstrengungen zur Rettung der Franzosen, die vom Schlachtfelde abzogen, machen. Sie waren es, die das Hallische, das Grimmaische, das Peters- und das Ranstädter Thor vertheidigten.

„Der Kampf um Leipzigs Vorstädte,“ erzählt der Markgraf, „wurde immer heftiger. Ich forderte den Herzog von Padua auf, endlich einmal seine Wohnung zu verlassen und sich persönlich von den getroffenen Anstalten zur Vertheidigung der Stadt zu überzeugen. Er erwiderte indessen nur, ich möchte zu den Truppen auf den Marktplatz zurückkehren, er werde mir unverzüglich folgen. Da er nach längerem Warten nicht erschien, schickte ich zu ihm, mußte aber zu meiner größten Verwunderung vernehmen, daß er sich gleich nach meinem Weggehen aus dem Quartier entfernt habe, durch eine Hinterthür auf die Straße gelangt sei, und kein Mensch wisse, was aus ihm geworden.“ Jetzt merkte endlich der Markgraf „die Absicht der französischen Behörden, die Opfer und die Verantwortung des Tages auf die Schultern der Bundestruppen zu werfen.“

Unterdessen kämpften die Truppen des Markgrafen fortwährend gegen das eindringende siegreiche Heer der Verbündeten; die Brigade Stockhorn und die Hessen vertheidigten das Grimmaische Thor auf’s Tapferste, und als die preußische Landwehr dasselbe genommen hatte, mußte General Stockhorn es mit den Badensern noch einmal zurückerobern, bis endlich, nachdem die Italiener längst sich verabschiedet, die Badenser sich theilweise fechtend durch die Straßen auf den Marktplatz, wo das Hauptquartier war, zurückzogen und hier schließlich der Markgraf capitulirte, während das Regiment „Großherzog“, von der Stadt abgedrängt, bis an die Pleiße verfolgt und hier sammt der halben Artillerie-Brigade nach großem Verlust an Todten und Verwunderten theils in das Wasser gesprengt, theils gefangen wurde.

So waren es deutsche Truppen, die gegen Deutsche kämpfen, für die Franzosen die letzten Schüsse thun, die letzten Stellungen vertheidigen mußten und dabei zu Tausenden geopfert wurden. Das Blut, das hier geflossen, macht jedes deutsche Herz noch heute bluten, so oft es an diese Ereignisse denken muß.

Von den sechstausend zweihundert Mann der zwei badischen Infanterie-Brigaden, die für Frankreich, für Napoleon kämpfen mußten, lagen viertausend Mann auf den Schlachtfeldern von Lützen, Bautzen und Leipzig. Höchst bezeichnend ist dann noch die Art, wie das zehnte französische Husarenregiment von dem badischen Dragonerregimente, welche beide die leichte Cavalerie-Brigade des dritten Armeecorps gebildet hatten, Abschied nahm. Von dem badischen Dragonerregiment waren nach der Schlacht bei Leipzig nur noch zweihundert Pferde übrig. Bei Gelnhausen verließ dasselbe – „mit der Erlaubniß des Kaisers“, unterläßt der Markgraf nicht zu erwähnen – die französische Armee, wobei dann der Oberst des zehnten Husarenregiments den badischen Officieren zum Abschied zurief: „Obwohl wir uns vielleicht bald als Feind begegnen werden, so wird doch, so lange ich das Zehnte führe, kein Mann desselben seinen Degen gegen einen badischen Dragoner ziehen.“

Das war bei der Lage der Dinge ebenso klug als – großmüthig.

Der Großherzog Carl von Baden aber war nicht schuld, daß ihrerseits auch die badischen Dragoner und alle andern Badenser nicht ebenso wie der Oberst des Zehnten den Franzosen zugerufen: „Thu mir nichts, ich thue Dir auch nichts!“; denn in allem Ernste versuchte der Großherzog auch nach der Schlacht bei Leipzig noch, ob er es nicht durchsetzen könne, sein Land – für neutral erklären zu lassen. Die Begründung dieses Antrags ist wahrhaft erbaulich. Der französisch geschriebene Brief des Großherzogs Carl an König Friedrich Wilhelm den Dritten von Preußen, vom 21. October, ist so deutsch holperig geschrieben wie möglich, aber noch deutscher (!) gedacht als geschrieben. Der Großherzog Carl belehrte den König von Preußen, daß sein Großvater die Neutralität während der drei Feldzüge von 1797, 1799 und 1800 aufrecht erhalten und daß diese wenigstens stillschweigend durch Oesterreich selbst, trotz der Gegenwart einer österreichischen Armee und trotz des deutschen Reiches, anerkannt wurde. „Wenn aber mein Großvater,“ schreibt er, „wenige Zeit nachher sich genöthigt sah, einen thätigen Antheil an dem Kriege zu nehmen, so wurde er dazu durch die strenge Antwort (la réponse péremptoire) Frankreichs gezwungen, das erklärte, daß es keine Neutralität erlauben werde und daß man sich entschließen müsse für oder gegen zu sein.“

Wunderbar! wunderbar! Die réponse péremptoire Frankreichs hat den Großherzog belehrt, was seine Pflicht sei, nämlich für Frankreich gegen Deutschland einzutreten. Wollen hoffen, daß bei allen ähnlichen Fällen nicht nur Frankreich, sondern auch Deutschland, die deutsche Nation, eine réponse péremptoire haben wird, wenn je der Fall wieder eintreten sollte, wo ein deutscher Fürst in einem Kriege des Auslandes gegen deutsche Lande und deutsche Völker den Versuch machen wollte, neutral zu bleiben.

Venedey.



Zur Beachtung.

Früher übernommene literarische Arbeiten verhinderten mich leider, die bereits im vorletzten Quartale angekündigte Erzählung Der bairische Hiesel rechtzeitig zu vollenden. Dieselbe wird jedoch nunmehr bestimmt in der ersten Nummer des Februarhefts der Gartenlaube beginnen. – Mit der Bitte um Entschuldigung dies den Freunden meiner Muse zur Notiz.

München, im Januar 1865. Dr. Herman Schmid.



Deutsche Blätter
Literarisch-politisches Sonntagsblatt, auch Beiblatt zur Gartenlaube.
Wöchentlich ½ Bogen. Für die Abonnenten der Gartenlaube nur 6 Ngr. pro Quartal.

Die bereits in ihrem dritten Jahre erscheinenden „Deutschen Blätter“ werden fortan die Tendenz, welche bei ihrer Begründung in’s Auge gefaßt wurde, entschiedener zum Ausdrucke bringen, als es bisher geschehen ist: sie werden in jeder Beziehung eine Ergänzung der Gartenlaube bilden, welche bei ihrer sehr zeitraubenden Herstellung von vornherein auf eigentliche Neuigkeiten aus dem Gebiete des Lebens und Wissens verzichten mußte. Ganz besonders werden sie sich daher die Zusammenstellung eines anregenden, frischen und interessanten Feuilletons zur Aufgabe machen, das in der Gartenlaube bei der Ueberfülle von Stoff und wegen der erwähnten langsamen Druckvollendung jeder einzelnen Nummer leider nicht zu ermöglichen ist. Wir glauben daher die deutschen Blätter Allen, welche einen regen geistigen Antheil nehmen an der Zeit, in der sie leben, auf das Angelegentlichste empfehlen zu können.

Leipzig, Januar 1865. Die Verlagshandlung von Ernst Keil. 



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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