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verschiedene: Die Gartenlaube (1862)

Blätter und Blüthen.


Der Heiligenschein. Diese Bezeichnung wird hauptsächlich von den Malern gebraucht und zwar von denen, welche sich in der geschichtlichen Abtheilung der Kunst mit Darstellungen aus dem Leben der Kirchengründer und Heiligen befassen. Aber nicht von diesen tellerartigen gemalten Heiligenscheinen wollen wir heute unsern Lesern erzählen, sondern von solchen, mit welchen die Natur das menschliche Haupt umgiebt, von Erscheinungen, welche herrlicher und geistiger sind, als alle Kunststücke des Malerpinsels, welche dem Elmsfeuer vergleichstun wären, wenn dieses sich je um ein menschliches Haupt geschlungen hätte. Ich muß jedoch vorbemerken, daß diese Erscheinung nicht an der menschlichen Gestalt selber, sondern nur an deren Schatten zu entdecken ist. Möge der Leser sich in der Morgenfrühe nach einer thauigen Nacht hinaus auf die Wiese begeben, wo der Thau noch an den Spitzen der Grasblättchen hängt. Am besten geschieht dieses im Frühlinge, wo die Grasblättchen noch kurz sind, oder im Herbste, wo die abgeschorenen Halme wieder sprießen, wo die Blättchen also eine ziemlich ebene Fläche darbieten. Der Beobachter hat in dieser Zeit auch nicht so frühe aufzustehen, um den Thau noch frisch im Morgenlichte auf den Gräsern spielen zu sehen. Je schärfer nun der Schatten des Wanderers sich auf dem Rasen abhebt, je schärfer und kräftiger wird er den Heiligenschein um sein Haupt, d. h. um seines Hauptes Schatten erglänzen sehen. Wenn Hunderte von Beobachtern auf der Wiese ständen, so wird jeder die demantfunkelnde Strahlenkrone beobachten können, welche ihn unter die Heiligen emporhebt. Dabei findet leider die Erscheinung jedesmal statt, welche bei manchen kirchlichen Heiligen wohl auch vorzukommen pflegt, daß Jedermann nur seinen eigenen Heiligenschein bemerken, den der andern, selbst seiner nächsten Nachbarn, aber nicht entdecken kann.

Die genannte Erscheinung kann nur im ersten Augenblicke überraschen. Wenn der Leser sich in dem Morgensonnenscheine auf die Wiese stellt und dabei sein Angesicht dem Schatten zuwendet, fällt sein Blick, wenn er nach dem Schattenhaupte sieht, gleichlaufend mit den Sonnenstrahlen. Seine Blicke ruhen daher senkrecht auf dem Flecke der Thautröpfchen, welche seinen Hauptschatten zunächst umgeben, mithin funkeln diese um so greller und feuriger, abgesehen davon, daß sie noch durch das Dunkel des Schattens um so mehr hervorgehoben werden. Je weiter die Tröpfchen von dem Rande des Schattens abstehen, desto geringer erscheint dem Auge der erleuchtete Fleck, weil das Auge ihn nur unter einem Winkel erfassen kann. In der Entfernung von einem Fuß bis zu achtzehn Zollen kann man aber diesen glänzenden Fleck nicht mehr gewahren, das Auge trifft also dann nur das frische Grün der bethauten Wiese.

Der Heiligenschein des Schattens bietet auf diese Weise eine prächtige Lichtwirkung dar, welche von dem höchsten dem Auge noch wohlthuenden Glanze sich ohne merkliche Abstufungen bis zum leisesten Schimmer verwäscht und in diesem auf dem grünen Rasen verschwindet. Kein Maler wird im Stande sein, dieses so lebendige und doch so zarte Lichtgefunkel durch seine Kunst wieder zu geben, und der, welchem es gelänge, den Strahlenkranz von seines Hauptes Schatten auf sein Haupt zu bringen und in dieser Zierde von Allen gesehen umherzuschreiten, würde als Meerwunder angestaunt werden. Dennoch mag ein großer Theil der gebildeten Welt diese Erscheinung, die man beobachten muß, um sich einen Begriff von ihr zu machen, noch niemals erblickt haben, eine Lichterscheinung, die unseres Wissens noch in keinem Handbuche der Naturwissenschaften verzeichnet steht, obschon sie beinahe jedem Menschen täglich mehr oder minder prächtig geboten wird.

Wir würden uns für die geringe Mühe der Darstellung genugsam belohnt finden, wenn der eine oder andere Leser dieser Zeilen sich einmal an einem schönen Morgen früher dem Lager enthöbe, sich hinaus machte und sein byzantinisch ausgestattetes Schattenbild auf dem frischbethaueten Grase beobachtete. Wir dürfen auf seine Anerkennung, auf seinen Dank rechnen! –

W. v. W.





Eine Schlangen-Pyramide. Ein Reisender in Südamerika war Zeuge eines sehr seltenen, scheußlichen Schauspiels. Derselbe reiste in den Savannen von Izacubo in Guyana. Die Reisegesellschaft bestand aus zehn Personen zu Pferde, von denen zwei Schwarze voraus ritten. Einer derselben kam in vollem Galopp zurück und rief: „Herr, kommen Sie und sehen Sie die Schlangen alle auf einem Häufen.“ Dabei zeigte er auf eine Masse in einer sumpfigen Stelle der Savanne, die wie eine Waffenpyramide aussah. Einer der Gefährten des Reisenden rief: „Das ist sicherlich eine der großen Schlangenversammlungen, die nach einem Sturm stattfinden, von denen ich oftmals gehört, sie aber niemals gesehen habe. Kommt, wir wollen vorsichtig näher reiten.“ Die Reisenden blieben in einer Entfernung von zwanzig Schritt, da es unmöglich war, die entsetzten Pferde näher heran zu bringen. Plötzlich kam Leben in die Pyramide, und schreckliches Zischen tönte daraus hervor. Tausende von Schlangen, spiralförmig um einander geringelt, streckten aus diesen, gräßlichen Häufen ihre Köpfe hervor und zeigten ihre furchtbaren Fangzähne und feurigen Augen. Der Reisende hatte große Lust umzukehren, aber als er sah, daß der Haufen beisammen blieb und mehr zur Vertheidigung als zum Angriff geneigt schien, ritt er rings herum, um die Schlachtordnung der Schlangen zu recognosciren, die dem Feind von allen Seiten Front bot. Vermuthlich fürchtete diese Schlangenart irgend einen Feind, vielleicht eine große Schlange oder einen Kaiman, und vereinigte sich, um diesem Feind in Masse besser widerstehen zu können. Ein solches Schauspiel ist noch niemals von einem Reisenden berichtet worden.





Erinnerung an Ollmütz. Nach der ersten Zusammenkunft, welche Kaiser Franz Joseph mit dem Kaiser Nikolaus nach der Bewältigung der ungarischen Revolution in jener Stadt hatte, machte der österreichische Kaiser dem russischen die Schmeichelei, daß er, beim Hinausgehen aus dem Berathungssaal auf eine Statue Sobiesky’s deutend, sagte: „Da steht der erste Retter Oesterreichs, und Ew. Majestät sind der zweite.“ Nikolaus strich das Compliment als gebührende Huldigung ein und wurde so fest von der Unterwürfigkeit Oesterreichs überzeugt, daß er vor dem Beginn des Krieges gegen die Türkei im Jahre 1853 dem englischen Gesandten versicherte, Oesterreich wolle dasselbe, was Rußland beabsichtige. Graf Buol-Schauenstein suchte in dieser Zeit jedoch das Vermächtnis Schwarzenberg’s dahin zu erfüllen, „daß die Welt noch einmal über Oesterreichs Undank erstaunen solle“. Das Wiener Cabinet gab die heilige Allianz für das Bündnis mit den Westmächten preis. Als zu dieser Zeit Nikolaus den vergeblichen Versuch gemacht hatte, den Kaiser Franz Joseph zu bekehren, sagte er zu ihm in demselben Saale des Rathhauses von Ollmütz, wo er die obige Schmeichelei entgegen genommen hatte, beim Weggehen vor der Statue Sobiesky’s: „Da steht der erste Narr Europa’s, und ich bin der zweite.“






Ein Wort für Wilhelm Bauer
um Unterstützung seines „deutschen Taucherwerks“ zum Heben und Bergen untergegangener Schiffe und Güter.

Mit Beziehung auf zwei Artikel der „Gartenlaube“ („Ein deutscher Erfinder“ und „Die unterseeischen Kameele“), welche dem deutschen Volke das Schicksal eines Mannes aus dem Volke an das Herz legten, der durch eigene Kraft sich aus niederer Lebensstellung zu höherem Streben empor gearbeitet und nun seit Jahren vergeblich gerungen hat, seine Erfindungen zu praktischer Geltung und Wirksamkeit zu bringen; – und in Berücksichtigung, daß die vielen freiwilligen Gaben, welche seitdem bei der Redaction der Gartenlaube für Herrn W. Bauer eingegangen sind, zu der Hoffnung berechtigen, daß die nun einmal für ihn und seine Erfindung so erfreulich erregte Theilnahme eine gründliche Aushülfe für beide gewähren könne, – haben die Unterzeichneten sich zu einem Central-Comité vereinigt, welches sich der geschäftlichen Ordnung und Leitung der Gabensammlungen für Herrn W. Bauer unterziehen und Sorge dafür tragen will, daß die eingehende Gesammtsumme zur Erprobung und Nutzbarmachung der oben genannten Erfindung verwendet werde.

Dafür, daß auch diese Erfindung Bauer’s „auf richtigen Principien beruht und ausführbar ist“, sprechen sämmtliche uns vorgelegte Gutachten und Zeugnisse technischer Commissionen und wissenschaftlicher Akademien und ebenso mehrere hiesige Autoritäten der Wissenschaft, deren Urtheil wir, als nicht Fachmänner auf diesem Gebiete, einzuholen für unsere Pflicht hielten.

Gilt es allerdings zunächst erst durch Versuche im Großen zu erproben, bis zu welchem Grade die Kraftentfaltung der Bauer’schen Apparate möglich sei, so sind dies doch eben Versuche in einer wahrhaft großartigen Sache. Es liegt der Nation eine Erfindung vor, die, wenn sie sich bewährt, von einer noch gar nicht zu bemessenden Wichtigkeit ist. Sollte für die Erprobung einer solchen Erfindung die Summe von 12,000 Thalern aus den Taschen des gesammten deutschen Volks zu viel gewagt heißen? Sollten wir ein Unrecht an der Nation begehen, wenn wir ihre Unterstützung für einen Versuch begehren, der, wenn er mißlingt, ihr weder zum Schaden noch zur Schande gereicht, wenn er aber glückt, eine neue Ehre ihres Namens ist?

Wir glauben dies nicht, ja, wir sind vom Gegentheil so fest überzeugt, daß wir mit gutem Gewissen diesen Aufruf für W. Bauer und sein Werk erlassen.

Wir bitten hiermit alle Redactionen deutscher Zeitungen und Zeitschriften, dieses „Wort für W. Bauer“ unentgeltlich in ihre Blätter aufzunehmen und sich der Gabensammlung anzuschließen, oder wenigstens ihren Lesern darüber zu berichten. Möge in jeder Stadt, in jedem Ort, wo dieses an die Vorstände von Kunst- und Gewerb-, Arbeiter- und Bürger-Vereinen und an alle Gesellschaften, welche, im rechten Geiste unserer aufsteigenden Zeit, nur in der gemeinsamen Unterstützung alles edlen Vorwärtsstrebens den höchsten Genuß der Geselligkeit finden. Wo die Gaben kleiner Orte zu gering sein sollten für eine Postsendung, da mögen mehrere Orte die ihrigen dazu vereinen. Auch dient es zum Vortheil des Unternehmens, wenn alle Einsendungen frankirt geschehen, weil unfrankirte Sendungen nur das Porto vertheuern. Sämmtliche Beiträge adressire man an die Redaction der Gartenlaube mit der besondern Bemerkung „für W. Bauer’s deutsches Taucherwerk“.

     Somit senden wir unseren Gruß nach allen Seiten in’s liebe Vaterland und stehen zum Empfang der Gaben zum obigen Zweck hiermit bereit.

          Leipzig, den 28. Februar 1862.

               Das Central-Comité für W. Bauer’s „Deutsches Taucherwerk“.

                    Dr. Heyner. Adv. Dr. Georgi. Dr. Fr. Hofmann. Ernst Keil.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1862). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1862, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1862)_176.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)