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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

werden kann, daß letztere in demselben Augenblicke absolut stillsteht, um durch einen einzigen Griff wieder sofort in Arbeit versetzt zu werden.

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Ein Blatt des Gedenkens an die Wittwe Jean Paul’s.

An einem Nachmittage in den ersten Tagen des Februar 1860 versammelte sich, vor dem Leichenhause des Münchner Friedhofes eine kleine Zahl von Männern, um einer Frau das Grabesgeleite zu geben, die das beneidenswerthe Erdenloos betroffen hatte, einst die Gattin Jean Paul Friedrich Richter’s zu heißen.

Unter der kleinen Zahl von Leidtragenden waren nur wenig künstlerische und literarische Namen vertreten, an denen München in neuester Zeit doch nicht arm ist, nur der alte Vogel v. Vogelstein und Riehl waren zu bemerken. Die Uebrigen glänzten durch ihre Abwesenheit. Der protestantische Geistliche hielt eine lange Rede, in welcher er nebenbei zu bemerken beliebte, daß die Verstorbene die Gattin eines berühmten Mannes gewesen sei, dazu heulte ein eisiger Wind über das öde, offene Grab hin – die Zuhörer fröstelten – es war ein recht trauriges, in Rückblick auf das reiche Leben der Verblichenen unwürdiges Begräbniß.

Der Verfasser dieser Zeilen war nicht nur unter den Anwesenden, sondern auch unter den aus vollem Herzen Leidtragenden. Seine Gedanken gingen von diesem einsamen Grabe nach einem anderen, weit von diesem entfernten, am Fuße des Fichtelgebirges gelegenen, nach dem Grabe auf dem Baireuther Kirchhofe, das Jean Paul und seinen Sohn umschließt. Er hätte so gern seinen Gefühlen und Erinnerungen an dieser Stätte einen Ausdruck gegeben, aber allen den Anwesenden stand bereits die Furcht vor Erkältung auf den Mienen geschrieben, und Erkältung ist in München bekanntlich eine sehr gefährliche Sache.

Wo der Schwerpunkt unseres Wirkens war, da sollte auch die Stätte unserer Ruhe sein, und so hätte die Wittwe Jean Paul’s ihr letztes Plätzchen auf dem schönen Kirchhofe in Baireuth finden müssen, an der Seite ihres Gatten und ihres Sohnes, in der Umgebung der Gräber theurer Freunde, die um Jean Paul’s Ruhestätte gleichsam Grabeswacht hielten. Wie frei und heiter ist der Baireuther Kirchhof gelegen, wie still und traulich ist dieses grüne Plätzchen, Jean Paul’s Grab, das noch von den Eschen des Grabes der Freundin beschattet wird! wie eng und dumpfig dagegen ist das Münchener campo santo, wie öde und schaurig hier das Grab! Eine Frau wie die Wittwe Jean Paul’s, die, ausgestattet mit feinem Verstande und hoher geistiger Selbstständigkeit, ihre einzige und ganze Bedeutung in der Unterordnung unter einen höheren Geist findet, ist in der That bedeutend und wäre schon für sich selbst unseres Interesses würdig, auch ohne den Strahlenglanz, mit dem ein Dichterhaupt auch das ihrige umzogen hat.

Aus dem geistig regen Berlin, aus glänzenden Verhältnissen war sie im ersten Jahre dieses Jahrhunderts dem Dichter in die Einsamkeit und Einfachheit seines Lebens gefolgt. Jean Paul war in seiner Jugend eine Gefahr für alle Frauenherzen. Groß und schlank von Gestalt, hatte er einen Kopf von echt germanischer Schönheit: ein großes, tiefes blaues Auge, eine gewölbte Stirn, blondes in’s Bräunliche spielendes gewelltes Haar und dazu etwas Unsagbares in seiner Stimme, das, vereint mit hoher Begeisterungsfähigkeit, die Herzen Aller bezwang. Von seinem ersten Erscheinen in Weimar 1796 an bis zu seiner zweiten Anwesenheit in Berlin 1801 war sein Leben ein immerwährender Triumphzug durch die Herzen der Frauen zu nennen. Sie zogen ihm nach wie einem anderen Rattenfänger von Hameln. Er hatte heiße Liebeskämpfe zu bestehen mit Charlotte von Kalb, Emilie von Berlepsch, mit Caroline von F., einer Hofdame der Herzogin von Hildburghausen. Glänzend und genialisch erfüllten sie seine Phantasie – aber nicht sein Herz, dieses war nur einer aufbehalten, Carolinen, der Tochter des Geheimen Obertribunalraths Meyer in Berlin.

Nach einem längeren Aufenthalte am Hofe der Herzogin von Hildburghausen, einer der vier Schwestern auf dem Throne, an die er die Widmung des Titan gerichtet hatte, nach einer neuen Herzenstäuschung mit der erwähnten Hofdame, war der bereits in der Mitte der dreißiger Jahre stehende Dichter damals nach Berlin gekommen, und hier, auf der Grenze zweier Jahrhunderte, auf der Höhe seines Schaffens und seines Ruhmes, sollte er durch ein Zusammentreffen von Umständen, welches wir kurzsichtige Menschen Zufall nennen, diejenige finden, welche alle Ansprüche an das Weib seines Herzens und seiner Wahl zu erfüllen versprach. Der gelehrte Kriegsrath Zöllner hatte zu Ehren des Dichters ein großes Gartenfest veranstaltet. Es war jene social unschuldige Zeit, wo ein preußischer Minister einen deutschen Dichter noch zur Tafel einlud, und Jean Paul hatte beim Minister von Alvensleben gegessen, so daß er um einige Stunden später, als die Gesellschaft geladen war, in dem Gesellschaftslocal eintraf. Nur noch ein Platz am Ende der Tafel war leer, an der Seite Carolinens, den der Dichter denn auch sofort einnahm und den ganzen Abend nicht mehr verließ, so sehr hatte ihn seine Nachbarin durch ihre mädchenhafte Anmuth, die Einfachheit und Feinheit ihrer Manieren, durch Geist, Bildung, Reinheit der Gesinnung, Verehrung alles Schönen und Großen, vor Allem aber durch jenes selbstlose, unbegrenzte Wohlwollen für alle Menschen, welches er bei den Frauen bisher gesucht, aber nicht gefunden hatte, zu fesseln gewußt. Dieser Abend hatte für sein Herz entschieden, doch erklärte er sich bestimmt erst nach einem halben Jahre in einem Briefe an den Vater.

Ein Dichter auch im Leben, feierte er im Wonnemonate seine Hochzeit, zu welcher ihm die Königin Louise von Preußen durch den Herzog Georg von Mecklenburg, ihren Bruder, ein silbernes Theeservice überreichen ließ.

Ueber diese erste Begegnung Jean Paul’s mit seiner Gattin war lange Zeit eine andere Lesart in Umlauf, die romantischer klang als jene. Nach dieser hätte Jean Paul, eingeladen bei Carolinens Vater, der sich für literarische Bestrebungen lebhaft interessirte, sich nach Tisch in ein Zimmer zurückgezogen und sei dort eingeschlafen: Caroline sei ohne Vorwissen durch ein Geschäft in das Zimmer gerathen, hätte den schlafenden schönen Dichter erblickt und sich nicht enthalten können, auf seine Lippen einen Kuß zu drücken. Jean Paul sei erwacht, aufgesprungen und dem tief beschämten Mädchen mit den Worten nachgeeilt: Sie müssen meine Frau werden! An der ganzen Geschichte ist aber kein Wort wahr. Dieselbe war nach der Versicherung der Gattin Jean Paul’s die böswillige Erfindung eines neidischen Mädchens, das sich auf Jean Paul Hoffnung gemacht hatte.

Als vorläufiger Wohnort des jungen Paares war Meiningen bestimmt, wo Einsamkeit und die freundlichen Beziehungen des Dichtern zum Herzog einen ebenso angenehmen als poetisch fruchtreichen Aufenthalt versprachen. Auf dem Wege dahin stellte der neugebackene Legationsrath, welchen Titel Richter kurz vor seiner Verheirathung von dem Herzog von Hildburghausen erhalten hatte, die junge Frau dem Dichterhofe in Weimar vor. Sie fand durch Natürlichkeit, Anmuth und Geist, namentlich in den Kreisen von Herder, Wieland, Knebel und Einsiedel, großen Beifall, auch die Herzogin Amalie zeichnete sie besonders aus und versprach bei dem ersten freudigen Familienereignisse die Pathenstelle zu übernehmen. Nur Goethe und Schiller mit ihren geläuterten Schönheitsidealen verhielten sich diesmal gegen den formlosen Dichter und dessen Frau mit auffallender Zurückhaltung, und auf der andern Seite war die junge Frau in ihrem sittlichen Gefühle um keinen Preis zu bewegen, Goethe’s Haus zu betreten, wo bereits Fräulein Vulpius ihren Wohnsitz aufgeschlagen hatte. Ihre Bekanntschaft mit Goethe beschränkte sich daher auf ein flüchtiges Begegnen am dritten Orte. Noch schlimmer war es ihr mit Schiller ergangen, den sie im Theater bei einer Vorstellung des Wallenstein und auch nur aus der Ferne gesehen hatte.

Der Aufenthalt in Meiningen währte trotz der Bitten des

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 550. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_550.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)