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verschiedene: Die Gartenlaube (1861)

die Erdflöhe sich verirren und, durch die Grashalme aufgehalten, nicht weiter kommen sollen; während die einfachste Beobachtung uns zeigen kann, daß die Thierchen nach dem Zerfressen eines Beetes in Schaaren ausfliegen, um sich ein anderes Feld zur Befriedigung ihres Appetites zu suchen. Eine Menge von solchen Mitteln sind auch unwillkürlich der menschlichen Natur angepaßt und sehen gerade darnach aus, wie wenn man Schmeißfliegen, Aaskäfer und Raben durch den Geruch faulenden Aases verjagen wollte.

In den wenigsten Fällen nur kann der Mensch durch seine Arbeit allein wirksam den Verheerungen entgegen treten, welche seine Feinde sich zu Schulden kommen lassen. Meist muß er sich im Gegentheile darauf beschränken, die Hülfsquellen, welche die Natur bietet, entweder nicht muthwillig zu zerstören oder durch sorgsame Pflege selbst zu erhöhen. Sämmtliche Kammerjäger Deutschlands fangen in einem Jahre nicht so viel Feldmäuse, als die Eulen Thüringens in einem Monate, und die Kammerjäger lassen sich bezahlen, während die Nachtvögel es ganz umsonst thun. Wäre es da nicht bester, die Eulen zu hegen, statt sie zu verfolgen, und nöthigen Falls das Geld, welches die Rattenfänger kosten, zur Erziehung der natürlichen Mausjäger zu verwenden?

Bei dem Beispiele, welches ich hier anführe, handelt es sich noch um verhältnißmäßig kolossale Feinde. Wie aber, wenn wir es mit jenen kleinen Feinden zu thun haben, die sich unserem Auge fast entziehen und die wir nur mit größter Anstrengung und nach langem Suchen in unseren Besitz bringen können? Bei jeder Gelegenheit tritt uns hier die Unzulänglichkeit unserer Mittel entgegen. Ein Beispiel. Professor Fabre in Avignon, der mit bewundernswürdiger Geduld das Treiben einer Grabwespe verfolgt hat, und den ich später noch Gelegenheit haben werde anzuführen, hatte beobachtet, daß dieselbe sich stets einen großen Rüsselkäfer, der durch seine schwarze Farbe und seine Länge von 5 bis 6 Linien leicht in die Augen fällt, zum Opfer erkor. Eine Wespe, welcher er ihren Käfer abgenommen hatte, brauchte im Durchschnitte zehn Minuten, um einen frischen Käfer herbeizuschleppen. Er wünscht, um seine Beobachtungen durch Versuche zu vervollständigen, einige lebende Käfer zu haben, welche noch von keiner Wespe gestochen sind. „Weinberge, Kleefelder, Getreidefelder, Hecken, Steinhaufen, Wegränder – Alles habe ich durchsucht,“ erzählt er, „und nach zwei tödtlich langen Tagen, die ich zu diesen Untersuchungen verwandte, war ich im Besitze (kaum wage ich es zu sagen) von drei bestaubten enthaarten Rüsselkäfern, die zum Theil Fühlhörner oder Beine verloren hatten, wahrhaft verstümmelte Veteranen, welche die Wespen vielleickt nicht einmal angreifen werden. In derselben Zeit hätten unsere Wespen Hunderte jener unauffindbaren Rüsselkäfer herbeigeschleppt; sie hätten sie gefunden an denselben Orten, wo ich suchte, frisch, glänzend, ohne Zweifel unmittelbar nach ihrem Ausschlüpfen aus ihren Puppen.“

Dies eine Beispiel mag genügen, Ihnen zu zeigen, wie ohnmächtig meistens der Mensch allein seinen kleinen Feinden gegenüber steht. Handelt es sich um die Zerstörung einzelner Thiere, so ist meistens die aufgewendete Mühe und Zeit nicht im Verhältniß zu dem hervorgebrachten Schaden; gilt es Vertilgung von Massen, wie z. B. bei Maikäferschaden oder Raupenfraß, so gelingt es freilich besser, die verhältnißmäßig groben und plumpen Mittel, über die wir gebieten, in ihrem ganzen Umfange wirken zu lassen – aber dann tritt auch der Uebelstand ein, daß bei der ungeheuern Zahl des zu vertilgenden Ungeziefers eine Menge desselben der Vertilgung entgeht und so den Keim neuen Verderbens durch seine Fortpflanzung legt. Man glaubt dann oft großartige Erfolge erzielt zu haben, sieht in dem Ausbleiben der Plage im nächsten Jahre den deutlichsten Beweis für die Wirksamkeit der getroffenen Vorkehrungen und vergißt, daß der Feind einen dreijährigen Entwicklungskreis in seinem Leben durchmacht und daß erst in drei Jahren eine neue Plage uns zeigen wird, wie viele Eltern der zerstörenden Nachkommen unseren Nachstellungen entgingen.

Doch ich wende mich ab von diesen allgemeinen Betrachtungen, die sich später, wenn wir der sie stützenden Thatsachen Meister geworden sind, von selbst ergeben werten, um zu der speciellen Betrachtung der einzelnen Classen des Thierreiches überzugehen und mit den Säugethieren zu beginnen.

(Schluß folgt.)




Ein Besuch auf Caprera.

Unweit der nordöstlichen Küste der Insel Sardinien, nahe bei der Insel Maddalena, liegt das vielgenannte Felseneiland Caprera, auf welchem der Eroberer zweier Königreiche, Garibaldi, sich in sein ländliches Besitzthum zurückgezogen hat und, ein zweiter Cincinnatus, nachdem er die höchsten Ehren und Würden ausgeschlagen, wieder seine Felder bebaut oder der Gärtnerei, der Jagd und der Fischerei lebt. Als Garibaldi im Mai des Jahres 1855 zum ersten Male auf Caprera landete, fand er daselbst eine wüste Granitmasse, die nur spärlich und an wenigen Stellen mit einer dünnen Erdschicht bedeckt war und kaum einigen aromatischen Pflanzen und beerentragenden Stauden eine dürftige Nahrung zu reichen vermochte. Mit rastlosem Fleiße gelang es ihm jedoch, das störrische Land in einem weiten Umkreise urbar zu machen und sich inmitten desselben ein ganz einfaches Wohnhaus zu errichten, das den bescheidenen Ansprüchen des ehemaligen Dictators von Sicilien vollkommen genügt.

Die Insel selbst hat eine Länge von fünf und einen Umkreis von fünfzehn Miglien (die Miglie ungefähr so groß wie eine deutsche Viertelmeile) und kann sicher noch an vielen Stellen urbar gemacht werden, wenn anders Fleiß und Ausdauer sich vereinigen, um das vulkanische Felsengerölle zu beseitigen. Das einzige stattliche Gebäude auf der ganzen Insel ist bis jetzt jenes Haus Garibaldi’s, von welchem zwar französische und italienische Blätter fabelten, daß König Victor Emanuel, um „dem besten seiner Freunde“ eine angenehme Ueberraschung zu bereiten, es durch eine prächtige Villa auf Caprera habe ersetzen lassen. Das Haus selbst besteht aus einem Erdgeschoß mit neun Räumen, über welches sich nach südamerikanischem Styl ein flaches, mit einer Kuppel gekröntes, nicht zu sehr gegen Wind und Regen geschütztes Dach erhebt. Rechts von dem Flure, der zugleich als Speisezimmer dient, tritt man in das Zimmer Garibaldi’s, das seiner feuchten Lage wegen über der Cisterne äußerst ungesund, aber dem General so lieb und theuer ist, daß keine Macht ihn bewegen kann, dasselbe zu verlassen. Links vom Speisezimmer sind verschiedene Schlafkammern mit Betten. Durchschreitet man sie, so gelangt man in das Zimmer des Pachters oder vielmehr seiner Familie, welche aus diesem, seiner Frau und zwei Söhnen besteht. Hinter dem Zimmer des Pachters liegt die Küche, neben ihr die Speisekammer; aus dieser gelangt man in das hinten hinausgelegene Zimmer Basso’s und anderer Gäste. In der Mitte, hinter dem Flur, befindet sich eine dunkle Kammer mit einer Wendeltreppe, auf welcher man zur macadamisirten Terrasse hinaufsteigt; sie dient zur Aufbewahrung von Kartoffeln und Bohnen. Die Möbel im Zimmer des Generals bestehen aus einer hölzernen Bettstelle mit zwei Matratzen, einem lahmen, mit einem alten grünwollenen Tuche bedeckten Tischchen, welches nächst dem Bette als Nachttisch dient, und einem äußerst reducirten Lehnstuhl vor diesem Nachttisch. Dazu kommen noch zwei Kästen und eine historisch-militairische Bibliothek, in welcher eine Deutsche, die im Jahre 1858 Caprera besuchte, die bedeutendsten Werke, die England über die Nautik und Taktik geliefert, neben den Werken Shakespeare’s, Byron’s und Young’s fand; neben älteren naturwissenschaftlichen Schriften den „Kosmos“ des deutschen Denkers; neben der „Ethik“ Plutarch’s die „Reden“ eines Bossuet und die in die liebenswürdigste Form eingehüllte Moral eines Lafontaine. Diese Bibliothek soll nächstens durch das „Manuale del Coltivatore“ von sieben oder acht illustrirten Bänden vermehrt werden. Ein Bild der Tochter Garibaldi’s im Alter von vier Jahren ist der Hauptschmuck des Zimmers. In einem Medaillon über dem Kopfkissen des Generals befinden sich die Haare Anita’s und seiner Mutter. Daneben das Bild von Vecchi; ein alter Nagel aus irgend einem Kasten trägt zugleich mit diesem Bilde die Taschenuhr Garibaldi’s. Neben dem Fenster hängt ein Spiegel, der noch aus dem Haushalt seiner Mutter herstammt. In den beiden Kästen liegen durcheinander Leintücher, Servietten, Handtücher, von Kugeln durchlöcherte Fahnen, alle Andenken verschiedener Regimenter. Die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1861). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1861, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1861)_108.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)