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verschiedene: Die Gartenlaube (1857)

nach Paris getragen.“ Alle mußten über diesen beißenden Spott laut lachen, und der Betroffene verließ sofort das Zimmer. August hatte nämlich an Maximilian Joseph von Baiern sein Zeughaus für 180,000 Thlr. verkauft, und eine gleiche Summe verbrauchte der geheime Rath während seines halbjährigen Aufenthaltes als Gotha-Altenburgischer Gesandter in Paris.

Der Hang zur Satire, der mit dem Alter bedeutend zunahm, zeigte sich schon in August’s Jugendjahren. Sein Vater, Herzog Ernst II., der bekanntlich ein sehr genauer, ja geiziger Haushalter war, hatte eine Anzahl mit Geld gefüllter Fässer erhalten, die vor seinem Cabinete standen. Als der Erbprinz nun seinem Vater zur Tafel folgte, und an dem Gelde vorüber kam, klopfte er an eines der Fässer und sprach halblaut für sich: „Seid ruhig, euer Erlöser lebt noch!“ Ernst hatte diese Worte gehört und murrte vor sich hin: „simplex.“ Als nun einige Zeit darauf die Gemahlin des Erbprinzen schwanger wurde, fragte Ernst denselben, welchen Namen er dem Kinde, wenn es ein Sohn wäre, wohl gäbe. „Simplex III.,“ antwortete August. Zur Strafe für diesen Witz erhielt er einige Tage Stubenarrest.

Daß August aber, wenn man ihn mit Ironie angriff, nicht so empfindlich, war, beweist das Folgende. Bei einer Hofmaskerade ging er mit seinem Reisemarschall den Saal entlang und durchwandelte die Reihen der Masken. Unter diesen erkannte er sogleich eine junge Dame, Fräulein Auguste von Z., mit der er sich schon früher manchen Scherz erlaubt hatte, und redete sie mit den Worten aus Schiller’s Wallenstein

 „Was? Der Blitz!
„Das ist ja die Gustel von Blasewitz!“

an. Fräulein von Z., durch diese Anrede nicht in Verlegenheit gebracht, antwortete ihm:

„I freilich; und er ist wohl gar, Mußjö,
„Der lange Peter von Itzehö,
„Der seines Vaters goldne Füchse
„Verjagte,
„Und gen die Büchse
„Die Feder zu vertauschen wagte.“

„Die ist schmählich grob,“ wandte sich August zu seinem Begleiter; „aber grob ist mir doch noch tausendmal lieber, als dumm.“

Sehr groß war seine Gerechtigkeitsliebe und Vorsicht bei der Wahl von Staatsdienern. Ein Fräulein von D., welche mit August auf sehr vertrautem Fuße lebte und sehr viel bei ihm vermochte, hatte ein Kammermädchen, das in einem Liebesverhältnisse zu einem Candidaten stand. Dieser hatte sie versprochen, für ihren Bräutigam beim Herzoge eine gerade erledigte sehr einträgliche Pfarrei zu erbitten. Bei einer günstigen Gelegenheit theilte denn Fräulein von D. ihren Wunsch demselben mit, erhielt aber die wohl unerwartete Antwort: „Emil (unter dieser pseudonymen Bezeichnung schriftstellerte der Herzog) würde Ihnen Ihre Bitte sofort gewähren, August muß aber erst mit seinen Räthen Rücksprache nehmen.“ – Der Candidat, der eine so gute Stelle nicht verdiente, erhielt dieselbe wirklich auch nicht.

Rudolph Günther.


Die Gauchos, die in den Platastaaten die Pampas bewohnenden Landleute, sind ohne Zweifel die unermüdlichsten, verwegensten und geschicktesten Reiter der Welt. Von frühester Jugend an das Pferd gewöhnt, werden sie bald mit diesem so vertraut, daß Reiter und Roß nur Eins bilden. Den ganzen Tag durchstreifen sie die Pampas, diese Grasmeere der argentinischen Republik, jagen sie die zahllosen Rinder, Pferde oder die schnellfüßigen Strauße, und nur des Nachts trennen sie sich von ihrem Liebsten, dem Pferde. Ihre Reitergeschicklichkeit ist in der That staunenerregend, und was wir als die halsbrechendsten Tollkühnheiten ansehen würden, sind bei ihnen nur unschuldige Spielereien. Um in ihren Bewegungen vollkommen frei zu sein, ist der Sattel ganz eben, ohne Erhöhung, weder hinten noch vorn (in Chili gleichen die Sättel mehr denen unserer Husaren). Dadurch ist es ihnen möglich, den höchsten Grad der Jagdgeschicklichkeit zu zeigen. Bewaffnet nur mit einem Riemen, welcher sich am Ende in drei spaltet, deren jeder eine bleierne Kugel (gewöhnlich in Eierschalen gegossen) trägt, jagen sie dem Strauße nach, ihre Waffe um den Kopf schwingend. Glauben sie sich des Wurfes sicher, so bringen sie das Pferd zum Stürzen, schnellen über den Hals des Thieres hinweg, und schleudern die Kugeln nach den Beinen des Straußes, so daß sie von den Riemen umschlungen werden und das Thier am Laufen gänzlich gehindert ist. Diese Kugeln und der Lasso sind auch im Kriege ihre Waffen und furchtbar genug können sie werden, besonders der Infanterie. Das eine Ende des Lasso am Sattel befestigt, das andere mit der Schlinge um den Kopf drehend, stürmen sie gegen die Linie der Soldaten bis auf etwa zehn Schritt, schleudern mit sicherer Hand die Schlinge und blitzschnell wenden sie und stürmen davon, ihr unglückliches Opfer nachschleifend. Die Kugeln dienen besonders zur Verfolgung der berittenen Feinde, um diese durch Umschlingung der Hinterfüße der Pferdes an der Flucht zu hindern und zur Ergebung zu zwingen. Der bekannte Dictator Rosas verdankte seinen Sieg über den General Don José Maria Paz in der Provinz Santa Fé nur dem Umstande, daß dieser sich zu weit vorgewagt und sein Pferd auf die angegebene Weise zum Stürzen gebracht wurde. Auch ein deutscher Officier, Namens Rausch, kam dabei auf gleiche Weise in Gefangenschaft. Um jedoch einem gleichen Schicksale zu entgehen, gewöhnen die Gauchos ihre Pferde daran, mit umwickelten, an jeder freien Bewegung gehinderten Hinterfüßen zu laufen, oder besser gesagt, zu springen. Ein solches Pferd wird denn hochgeschätzt von seinem Herrn, es ist ihm eine Garantie seiner Freiheit, Unabhängigkeit und seines sorglosen, abenteuerlichen Lebens. – Die Kleidung der Gauchos besteht in Poncho (ein viereckiger Mantel, der über den Kopf gezogen wird), Hemd und weiten, gewöhnlich lichten Hosen. Letztere sind der Luxusgegenstand, auf den die Frauen den größten Fleiß verwenden und durch höchst kunstfertige Nähereien und Stickereien wahre Kunstwerke schaffen. Um den Kopf winden sie ein buntseidenes Tuch und bedecken ihn dann mit einem kleinen Strohhute. Die Stiefeln sind höchst eigenthümlich, aus Einem Stücke ohne Naht, und werden folgendermaßen hergestellt. Man schneidet den Schenkel eines Pferdes oben ab, ebenso unten die Fessel nebst Huf, löst Knochen und Fleisch aus und schnürt ihn dann vorn zusammen. Man erhält auf diese Weise eine Art Stulpenstiefel; die Hacke des Pferdebeines nimmt auch die Hacke des menschlichen Fußes auf. Es ist dies gewiß eine ebenso eigenthümliche, als leicht herzustellende solide Fußbekleidung.




Folter in Neapel. In dem glücklichen Neapel ist neuerdings wieder ein neues Strafinstrument zu den vielen bereits im Gefängnißwesen bestehenden hinzugefügt. Es heißt die Mütze des Schweigens (cuffia di silenzio), und sowohl für den besondern Zweck, zu welchem sie bestimmt, wie auch als Folterinstrument im Allgemeinen, übertrifft dieselbe vielleicht noch an Raffinement die berühmte eiserne Maske und andere Marterwerkzeuge des Alterthums. Die Erfindung macht dem Genie des Signor Baiona, Polizeiinspector von Palermo, alle Ehre und scheint dieselbe so sehr gefallen zu haben, daß man den menschenfreundlichen Herrn sogleich mit dem Orden Franz I. decorirte.

„Diese Mütze,“ berichten die „Illustrirten Londoner Neuigkeiten“ vom 28. März, denen wir die Abbildung und die nachfolgende Notiz wörtlich entnehmen, „besteht aus einem Ringe von Stahl, welcher den Kopf über den Augen umschließt, mit einem halbkreisförmigen Bande von demselben Metall, das über den Scheitel von einem Ohre zum andern geht; an diesen obern Theil des Instruments ist ein Kinnhalter befestigt von Stahldraht, welcher, nach unten breiter werdend, die Kinnlade vollständig umgibt und es gänzlich unmöglich macht, einen articulirten Laut hervorzubringen, sobald die Schrauben an den Kopfbändern gehörig geschlossen sind. Um diese Einrichtung zu vervollständigen, ist noch ein Lederriemen mit einer Schnalle an dem Kinnhalter befestigt, welcher, um denselben in seiner Lage zu erhalten, unter den Ohren hinweg um den Nacken herum geht. Man sagt, daß die ersten Versuche mit diesem neuen Folterwerkzeuge an zwei Personen, Lo Re und de Medici, gemacht wurden und daß der Erstere so sehr davon litt, daß er eine Zeit lang bewußtlos war und ein Gefangenwärter, welcher ihn sah und glaubte, der Mann würde sterben, sogleich nach einem Aerzte und einem Priester lief, ohne zuvor Signor Baiona’s Erlaubniß einzuholen. Als der Arzt und der Priester ankamen, erlaubte Signor Baiona, daß dem Unglücklichen die Mütze abgenommen werde, und kehrte derselbe nach Anwendung eines Aderlasses und anderer Mittel endlich wieder in’s Leben zurück; der Gefangenwärter jedoch wurde mit fünfzehn Stockschlägen bestraft, um für die Zukunft sein übermäßiges Mitleid abzukühlen.“




Zur Orientirung. Der Herr Verfasser der sehr interessanten Skizze über das Wasserglas sagt auf Seite 199 Zeile 2 von unten in Nr. 13. der Gartenlaube, daß die Kieselsäure nicht im geringsten die Eigenschaften einer Säure habe, aber bei Berührung mit basischen Körpern unter günstigen Umständen den Charakter einer solchen annehme. Da diese Bemerkung leicht eine ganz unrichtige Ansicht über die Bedeutung der beiden Begriffe „sauer“ und „basisch“ veranlassen kann, so sei uns folgende Bemerkung gestattet:

Im alltäglichen Leben denken wir uns allerdings unter einer Säure eine sauer riechende und sauer schmeckende Substanz; in der Wissenschaft dagegen ist „sauer“ ganz unabhängig von den Eigenschaften eines Körpers, indem man mit sauer nur einen eigentümlichen Zustand bezeichnet, der nie von Anfang an in einem Körper vorhanden oder wahrnehmbar ist, sondern erst dann in manchen zusammengesetzten Substanzen zum Vorschein kommt, wenn man sie mit andern in unmittelbare Berührung bringt, wobei die letzteren einen entgegengesetzten, den sogenannten basischen Zustand annehmen. Sauer und basisch sind, wie die zwei entgegengesetzten Elektricitäten, zwei Zustände, die sich wieder aufzuheben vermögen, und gerade, wie sich zwei entgegengesetzt elektrische Körper anziehn, so findet eine Anziehung und chemische Vereinigung zwischen dem in den sauren und dem in den basischen Zustand gerathenen Körper statt, in Folge dessen die beiden sich ausgleichenden Zustände wieder verschwinden und eine neutrale Substanz, das Salz, entsteht.

Wasserglas und Seife haben nur das mit einander gemein, daß sie auf solche Weise entstanden und daher Salze sind; sie gleichen sich aber nicht mehr, als sie überhaupt allen übrigen Salzen gleichen. –

H.


Avis. Viele unserer geehrten Abonnenten werden es uns Dank wissen, daß wir sie auf die Erzählungen eines Reisenden „Aus dem Walde“ aufmerksam machen, die von Nr. 13. an in der Zeitschrift „Aus der Fremde“ (Leipzig, Ernst Keil, vierteljährlich 16 Ngr.) mitgetheilt werden, zu dem Spannendsten gehören, was seit langer Zeit erschienen ist und von Niemandem ohne Herzpochen dürften gelesen werden können.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1857). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1857, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1857)_216.jpg&oldid=- (Version vom 6.2.2020)