Seite:Deutscher Dichterwald 225.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Und als er ritt vorüber an Fräuleins Thurm,
Da sang er bald wie ein Lüftlein, bald wie ein Sturm.
Sie sprach: „der singet, das ist eine herrliche Lust!
Es zittert der Thurm, und es zittert mein Herz in der Brust.“

25
Der Herzog Wilhelm fuhr wohl über das Meer,

Er fuhr nach Engelland mit gewaltigem Heer.
Er sprang vom Schiffe, da fiel er auf die Hand:
„Hei! – rief er, – ich fass’ und ergreife dich, Engelland!“

Als nun das Normannenheer zum Sturme schritt,

30
Der edle Taillefer vor den Herzog ritt:

„Manch Jährlein hab’ ich gesungen und Feuer geschürt,
Manch Jährlein gesungen und Schwerdt und Lanze gerührt.

Und hab’ ich Euch gedient und gesungen zu Dank,
Zuerst als ein Knecht und dann als ein Ritter frank:

35
So laßt mich das entgelten am heutigen Tag,

Vergönnt mir auf die Feinde den ersten Schlag!“

Der Taillefer ritt vor allem Normannenheer,
Auf einem hohen Pferde, mit Schwerdt und mit Speer,
Er sang so herrlich, das klang über Hastingsfeld,

40
Von Roland sang er und manchem frommen Held.


Und als das Rolandslied wie ein Sturm erscholl,
Da wallete manch Panier, manch Herze schwoll,
Da brannten Ritter und Mannen von hohem Muth,
Der Taillefer sang und schürte das Feuer gut.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 213. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_225.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)