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„Es gilt!“ so spricht er dann. „Stell’ deine Schaaren,
Daß wir beginnen unsern trüben Zug!“

7.

Sie zogen allsamt aus dem Thorgewölb,

205
Graf, Mannen, Frauen, Knappen, schwer belastet.

Mit reichem Gut,
Und lauernd standen in zwei erznen Reih’n
Die Sieger da, ob irgend wem die Bürde
Von seiner Schulter sänke, sie alsdann

210
Zur wohlverdienten Beute zu empfahn.

Wo aber sich das Lichtlein
Des ganzen langen Zugs, Fräulein Ludmille,
Sehn ließ, da blieben all’ die Augen starr,
Und dachte Keiner mehr an Geld und Gut,

215
Die süße Magd allein, allein beachtend.

Die schreitet engelhold
In’s Thal hinab, als trügen sie zwei Flügel,
Und sei für sie der Erdball nichts, als Staub,
Und all’ sein Gut ein thöricht Puppenspiel;

220
Bis sie dahin kam, wo in Harnischpracht,

Den Helmsturz auf, mit leuchtendem Gesicht,
Der große Freiherr stand vor den Geschwadern.
Vor seinen liebend hellen Flammenaugen
Kehrt sie das holde Antlitz schaamroth ab –

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Da gleitet auf dem Bergpfad

Ihr zarter Fuß.
Sie sinkt – und gleich in seinen starken Arm
Faßt sie der Freiherr von der Reck, und ruft:
„Was fällt, ist mein!“

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutscher Dichterwald. Von Justinus Kerner, Friedrich Baron de La Motte Fouqué, Ludwig Uhland und Andern. J. F. Heerbrandt’sche Buchhandlung, Tübingen 1813, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Deutscher_Dichterwald_222.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)