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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält
Iphigenie in Aulis – Teil 2

zu folgen zwingen, und durch meine Rede
der Menschen Herzen, wie ich wollte, schmelzen,
jezt würd’ ich diese Kunst zu Hülfe rufen.
Doch meine ganze Redekunst sind Thränen,

1515
die hab’ ich und die will ich geben! Sieh’,

statt eines Zweigs der Flehenden leg’ ich
mich selbst zu deinen Füßen – Tödte mich
nicht in der Blüthe! – Diese Sonne ist
so lieblich! Zwinge mich nicht, vor der Zeit,

1520
zu sehen, was hierunten ist! – Ich war’s

die dich zum erstenmale Vater nannte,
die erste, die du Kind genannt, die erste,
die auf dem väterlichen Schooße spielte,
und Küsse gab, und Küsse dir entlockte.

1525
Da sagtest du zu mir: „O meine Tochter,

werd’ ich dich wohl, wie’s deiner Herkunft ziemt,
im Hause eines glücklichen Gemahles
einst glücklich und gesegnet sehn?“ – Und ich,
an diese Wangen angedrückt, die flehend

1530
jezt meine Hände nur berühren, sprach:

„Werd’ ich den alten Vater alsdann auch
in meinem Haus mit süßem Gastrecht ehren,
und meiner Jugend sorgenlose Pflege
dem Greis mit schöner Dankbarkeit belohnen?“

1535
So sprachen wir. Ich hab’s recht gut behalten.

Du hast’s vergessen, du, und willst mich tödten.
O nein! bei Pelops, deinem Ahnherrn! Nein!

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft7_032.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)