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aufopfert. Sein Geschäft ist Darstellung des Großen und Schönen der menschlichen Natur. Auch wo sein Stoff von einer andern Gattung zu seyn scheint, sind es doch nicht die Gegenstände selbst, welche er schildert, sondern ihr Eindruck auf einen glücklich organisirten Kopf, die Art, wie sie in einer großen oder schönen Seele sich im Momente der Begeisterung spiegeln. Besonders ist es das eigenthümliche Verdienst der Dichtkunst, die Anschauung menschlicher Vortrefflichkeit möglichst zu vervielfältigen. Es gibt aber interessante Seiten der menschlichen Natur auch außerhalb der Gränzen der Wahrheit und Moralität. Es gibt einen ästhetischen Gehalt, der von dem moralischen Werthe unabhängig ist.

Betrachtet man den Menschen in Verbindung mit der ihn umgebenden Natur, seine Begriffe und Meinungen im Verhältniß mit der Beschaffenheit der Dinge selbst, seine Art zu handeln in Beziehung auf andere empfindende Wesen, so läßt sich kein anderer Maßstab seines Werths denken, als Weisheit und Tugend. Aber dieser Gesichtspunkt ist nicht der einzige. Die Summe von Ideen, Fertigkeiten, Anlagen und Talenten, die in jedem einzelnen Menschen vorhanden ist, hat einen für sich bestehenden Werth, auch wenn auf den Gebrauch derselben gar keine Rücksicht genommen wird. Bei dieser Schätzung wird der

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Zweiter Band welcher das V. bis VIII. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1788–1789, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band2_Heft6_066.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)