Ueber die Freiheit des Dichters bei der Wahl seines Stoffs

Textdaten
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Autor: Christian Gottfried Körner
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Titel: Ueber die Freiheit des Dichters bei der Wahl seines Stoffs
Untertitel:
aus: Thalia – Zweiter Band,
Heft 6 (1789), S. 59–71
Herausgeber: Friedrich Schiller
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1789
Verlag: G. J. Göschen’sche Verlagsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: UB Bielefeld bzw. Scans auf Commons
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[59]

II.

Ueber die Freiheit des Dichters bei der Wahl seines Stoffs.




Werke der Begeisterung zu genießen, ist selbst in unserm Zeitalter kein gemeines Talent. Bei aller Empfänglichkeit für die feinern Schönheiten der Kunst fehlt es doch oft an einer gewissen Unbefangenheit, ohne die ohnmöglich ist, sich ganz in die Seele des Künstlers zu denken. Zwar nähert sich in unsern Tagen die aesthetische Kritik einer größern Vollkommenheit, indem sie Achtung gegen die Freiheit des Genies mit Strenge gegen seine Nachlässigkeiten vereinigt. Aber in Ansehung des Stoffs haben nicht selten gerade die bessern Menschen die wenigste Nachsicht. Sie können oft durch nichts mit einem Kunstwerke ausgesöhnt werden, in welchem sie irgend ein Verstoß gegen Wahrheit oder Moralität beleidigt hat. Allein während daß sie selbst dadurch manche schätzbare Genüsse entbehren, erbittern sie zugleich den Künstler durch die Strenge ihrer Foderungen. Unwillig über die engen Gränzen, in die seine Thätigkeit eingeschränkt werden soll, behauptet er oft seine Freiheit bis zur Uebertreibung, und wagt es, einem Theile [60] des Publikums zu trotzen, den er zu gewinnen verzweifelt.

Schon dieß wäre Grund genug zu einer Revision der Begriffe, die bei jener wohlmeinenden Aengstlichkeit zum Grunde liegen, um wo möglich zwo Gattungen von Menschen, die nur durch Mißverstand entzweit werden konnten, einander näher zu bringen. Vornehmlich aber kommt hierbei das Interesse der Kunst in Betrachtung, das mit dem Interesse der Menschheit in genauerer Verbindung steht, als man gewöhnlich sich einbildet.

In Ansehung der Mannichfaltigkeit des Stoffs hat unter allen Künsten die Poesie den weitesten Umfang, und bei ihr scheint es daher am nöthigsten, den Künstler auf gewisse Rücksichten bei der Wahl seines Gegenstands aufmerksam zu machen. Auch hält man die gewöhnliche Ausartung der Beredsamkeit in Sophisterei für ein warnendes Beispiel, um einen ähnlichen Mißbrauch der dichterischen Talente zu verhüten. Und gleichwohl ist es eben ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Redner und Dichter, der diesen bei der Wahl seines Stoffs zu einer größern Freiheit berechtiget, als jenen.

In so fern der Redner zu belehren, zu überzeugen, durch Erweckung von Leidenschaften eine bestimmte [61] Absicht zu erreichen sucht, ist er kein Künstler. Er gebraucht die Sprache als Mittel zu einem besonderm Zwecke, nicht zu Darstellung seines Ideals. Die Kunst ist keinem fremdartigen Zwecke dienstbar. Sie ist selbst ihr eigner Zweck.

Die Wahrheit dieses Satzes kann freilich nicht eher einleuchten, als bis die jetzt herrschenden Begriffe über die Bestimmung der Kunst durch edlere verdrängt werden. Noch immer ist ein großer Theil des Publikums in Verlegenheit, wenn vom Verdienste des Künstlers die Frage ist. Unter den allgemein anerkannten Bedürfnissen ist keines, für dessen Befriedigung er arbeitet, und das Vergnügen, wofür er bezahlt wird, möchte man nicht gern für den Zweck seines Daseyns erklären. Selbst unter denen, die die höhern Geisteskräfte des Virtuosen zu schätzen wissen, entsteht oft der Zweifel, ob es keine würdigere Anwendung dieser Kräfte gebe, als den Grillen des Luxus zu fröhnen. Daher die wohlgemeinten Versuche, das Angenehme mit dem Nützlichen zu vereinigen, und die Würde der Kunst dadurch zu erhöhen, daß man sie zur Predigerinn der Wahrheit und Tugend bestimmte. Aber ist denn wirklich ihr Werth davon abhängig, daß ihr eine beschränktere Sphäre angewiesen wird? Ist es so ausgemacht, daß sie zu ihrer Empfehlung eines entlehnten Verdienstes bedarf?

[62] Unter die weniger bekannten, aber desto dringernden Bedürfnisse der Menschheit im Ganzen gehört die Erhaltung der Energie bei einem hohen Grade der Verfeinerung. So lange der Trieb zur Thätigkeit bei einer Nation nicht erschlafft, hat sie bei ihrer vollkommensten Ausbildung nichts zu besorgen. Es ist Vorurtheil, die Ausartung eines Volks für ein unvermeidliches Schicksal einer alternden Cultur anzusehen. Die Geschichte der ältern und neuern Zeiten belehrt uns, daß die erhabensten Verdienste neben den wildesten Ausschweifungen des Luxus bestehen konnten, und daß selbst eine sinkende Nation so lange aufrecht erhalten wurde, als der Keim der Begeisterung bei ihren edleren Bürgern noch nicht völlig erstickt war. Das untrüglichste Kennzeichen des Verfalls ist Trägheit – Mangel an Empfänglichkeit für die Freude, die eine gelingende Anstrengung durch sich selbst gewährt. Diese Trägheit ist mit einem gewissen Frohndienste sehr vereinbar, den die Furcht vor Mangel oder Schande auflegt, und für den man sich in Stunden der Ruhe durch unthätiges Schwelgen zu entschädigen sucht. Der verzärtelte Mensch will seinen Genuß auf dem kürzesten Wege erlangen; er will ärndten, wo er nicht gesäet hat. Höhere Freuden, die nur durch Aufopferung oder Arbeit erkauft werden können, reizen ihn nicht, und dieß ist der Grund, warum er an innerm [63] Gehalte nicht in dem Verhältnisse gewinnt, wie sich der Reichthum seiner Ideen vermehrt. Es fehlt ihm an Kraft, diese Nahrung des Geistes zu verarbeiten. Der höchste Grad dieser Erschlaffung ist ein hektischer Zustand, ein allmähliges Absterben alles wahren Verdienstes. Aber nicht immer ist dieß Uebel unheilbar. Der Mensch ist oft schwach, weil er seine Kräfte nicht kennt. Er entbehrt oft die höhern Freuden, weil er sie niemals gekostet hat. Ihn zum Gefühl seines Werths zu erheben, und ihm durch würdigere Genüsse die niedrigen Befriedigungen der Eitelkeit und thierischen Sinnlichkeit zu verekeln, ist das wichtigste Geschäft der ächten Ausbildung, ohne welches alle übrige Cultur nur Flitterstaat ist. Und hier zeigt sich das wahre Verdienst der Kunst in seiner Größe. Sie erscheint in einer ehrwürdigen Gesellschaft – an der Seite der Religion und des Patriotismus.

Was diese drei mit einander gemein haben, ist die Bestimmung, Leidenschaft zu veredeln, ein Ziel, dessen sie sich nicht schämen dürfen. Der Mensch ist zu abhängig von den Gegenständen, die ihn umgeben, um der erhabenen Ruhe fähig zu seyn, die nur der Gottheit eigen ist. Leidenschaften waren von jeher ein Bedürfniß der Menschheit, und werden es auch in ihrem vollkommensten Zustande bleiben. Sie haben die schlummernden Keime der [64] edelsten Thätigkeit entwickelt, und dieß ist ein reichlicher Ersatz für alle unglücklichen Folgen ihrer Ausschweifungen. Sie waren die Stuffe, auf der der sinnliche Mensch sich von der Sklaverei der thierischen Triebe zu einer höhern Vollkommenheit emporschwang, und noch jezt rächen sie oft ihre Verachtung an dem, der sich reiner Geist genug zu seyn dünkt, um ihrer entbehren zu können.

Die wohlthätigen Wirkungen des religiösen und bürgerlichen Enthusiasmus sind einleuchtend, und daß beide zuweilen in Schwärmerei ausarten, benimmt ihrem Werthe nichts. Licht und Wärme im glücklichsten Verhältnisse bleiben immer das Ideal der menschlichen Vollkommenheit. Weniger gefährlich von dieser Seite ist indessen der ästhetische Enthusiasmus oder das verfeinerte Kunstgefühl, weil man ihm gerade das kräftigste Gegenmittel wider dergleichen Ausschweifungen, die Bildung des Geschmacks, zu verdanken hat. Aber zugleich sind die Wirkungen der Kunst auch weniger glänzend. Ihr Einfluß äußert sich oft erst in den entferntesten Folgen, und dieß ist der Grund, warum man so oft ihren Werth verkennt, und es beinahe zur Toleranz gegen den Künstler für nöthig hält, ihn irgend ein anerkannt-nützliches Geschäft anzuweisen.

[65] Nicht in der Würde des Stoffs, sondern in der Art seiner Behandlung zeigt sich das Verdienst des Künstlers. Die Begeisterung, welche in ihm durch sein Ideal sich entzündet, verbreitet ihren wohlthätigen Strahl in seinem ganzen Wirkungskreise. Wer ihn zu genießen versteht, fühlt sich emporgehoben über das Prosaische des alltäglichen Lebens, in schönere Welten versezt, und auf einer höhern Stufe der Wesen. Und daß dieser Zustand nicht immer bloß ein augenblicklicher Schwung ist, daß der Nachhall dieser Empfindungen noch oft in der wirklichen Welt fortdauert, ist der Grund, warum eine Veredlung der Menschheit durch Kunst möglich ist. Was sie zu leisten vermag, besteht nicht bloß in der Gewöhnung an höhern Lebensgenuß. Die schönste Wirkung der Kunst ist die edle Schaam, das Gefühl seiner Kleinheit, das einen Menschen von Kopf und Herz bei Betrachtung jedes Meisterstücks so lange verfolgt, bis es ihm selbst gelungen ist, in seiner Sphäre Schöpfer zu seyn.

Begeisterung ist die erste Tugend des Künstlers und Plattheit seine größte Sünde, für die er auch um der besten Absichten willen keine Vergebung erwarten darf. Er verfehlt seine Bestimmung, wenn er, um irgend einen besondern moralischen Zweck zu befördern, eine höhere ästhetische Vollkommenheit [66] aufopfert. Sein Geschäft ist Darstellung des Großen und Schönen der menschlichen Natur. Auch wo sein Stoff von einer andern Gattung zu seyn scheint, sind es doch nicht die Gegenstände selbst, welche er schildert, sondern ihr Eindruck auf einen glücklich organisirten Kopf, die Art, wie sie in einer großen oder schönen Seele sich im Momente der Begeisterung spiegeln. Besonders ist es das eigenthümliche Verdienst der Dichtkunst, die Anschauung menschlicher Vortrefflichkeit möglichst zu vervielfältigen. Es gibt aber interessante Seiten der menschlichen Natur auch außerhalb der Gränzen der Wahrheit und Moralität. Es gibt einen ästhetischen Gehalt, der von dem moralischen Werthe unabhängig ist.

Betrachtet man den Menschen in Verbindung mit der ihn umgebenden Natur, seine Begriffe und Meinungen im Verhältniß mit der Beschaffenheit der Dinge selbst, seine Art zu handeln in Beziehung auf andere empfindende Wesen, so läßt sich kein anderer Maßstab seines Werths denken, als Weisheit und Tugend. Aber dieser Gesichtspunkt ist nicht der einzige. Die Summe von Ideen, Fertigkeiten, Anlagen und Talenten, die in jedem einzelnen Menschen vorhanden ist, hat einen für sich bestehenden Werth, auch wenn auf den Gebrauch derselben gar keine Rücksicht genommen wird. Bei dieser Schätzung wird der [67] Mensch isolirt, und sein innerer Gehalt, wodurch er sich von andern einzelnen Wesen unterscheidet, von seinem relativen Werthe abgesondert, auf den er als Glied eines größern oder kleineren Ganzen Anspruch machen kann. Aus der Verwechselung dieser Begriffe entsteht das Unbefriedigende in den gewöhnlichen Theorien vom Verdienste, und eben so wichtig ist dieser Unterschied bei der Frage, in wie fern es dem Künstler erlaubt ist, die Gränzen der Wahrheit und Moralität zu überschreiten.

Irrthum und Laster sind an sich selbst kein Gegenstand der Kunst, wohl aber der eigenthümliche Gehalt, der auch durch die Fehler und Ausschweifungen eines vorzüglichen Menschen hindurch schimmert. Es gibt Thorheiten und Verbrechen, die eine Vereinigung von außerordentlichen und an sich sehr schätzenswerthen Eigenschaften des Kopfes und Herzens voraussetzen. Durch diese Mischung von Licht und Schatten entsteht eine Gattung von Gegenständen, die sich besonders der tragische Künstler am ungernsten versagen würde, weil oft seine erschütterndste Wirkung gerade von einem solchen Contraste abhängt. Auch hat man hierin vorzüglich den dramatischen und epischen Dichtern mehr Freiheit einräumen müssen, wenn sie nicht bloß abstrakte Begriffe personificiren, sondern lebendige Menschen mit bestimmten Umrissen darstellen [68] sollten. Strenger beurtheilt man aber in dieser Rücksicht gewöhnlich den lyrischen Dichter, ohngeachtet er sich vom dramatischen eigentlich nur in der äußern Form unterscheidet, und die Ode nichts anders ist, als der Monolog eines idealischen Menschen in einer idealischen Stimmung. Indessen ist man größtentheils darüber einverstanden, daß der Dichter sich aller leidenschaftlichen Darstellung enthalten müßte, wenn ihm gar keine Aeußerung erlaubt seyn sollte, die nicht mit den besten Einsichten der Vernunft und den Gesetzen der Moralität völlig übereinstimmte. Nur über den Grad dieser Freiheit ist unter dem geschmackvollern Theile des Publikums eigentlich noch die Frage.

Kühnheit in der Auswahl des Stoffs ist bei Künstlern von vorzüglichen Talenten sehr oft die Folge eines gewissen republikanischen Stolzes. Sich bei dem Publikum durch gefällige Gegenstände einzuschmeicheln, halten sie für den Behelf der Schwäche. Die Wirkung, welche ihr Ziel ist, wollen sie ganz ihrer eigenen Kraft zu danken haben. Und wohl der Nation, wo dieß Gefühl von Unabhängigkeit noch unter den Künstlern möglich ist, wo sich die Kunst nicht bloß mit bestellter Arbeit beschäftigt, sondern auch ihre freien Geschenke dankbar genossen werden. Durch zu viel Nachsicht des Publikums indessen artet jene Kühnheit nicht selten in Uebermuth aus, und daher die Mißgeburten [69] einer wilden Phantasie, die oft auch den tolerantesten Kunstliebhaber empören. Diesem Uebel zu steuern, ohne die rechtmäßige Freiheit des Künstlers einzuschränken, ist ein Geschäft der ächten Cultur.

Es gibt nemlich eine Gränzlinie, die der Künstler eben so wohl aus ästhetischen, als aus moralischen Rücksichten nicht überschreiten darf. Er handelt wider sich selbst, wenn er das Interesse seines Kunstwerks zerstört. Und dieß geschieht, wenn die widrigen Empfindungen, die er erweckt, den Genuß überwiegen, auf dem der Werth seines Produkts beruhte. Was an sich selbst ein unverdorbenes Gefühl für Wahrheit und Moralität beleidigt, darf nur in so fern ein Gegenstand der Kunst werden, als es einer begeisternden Idee untergeordnet und zu ihrer lebendigen Darstellung nothwendig ist. Zwei Extreme sind hier zu vermeiden, Barbarei und Verzärtelung; zwischen beiden ist der Geschmack in seiner höchsten Vollkommenheit.

Dichterische Wahrheit fordert oft mit Recht eine gewisse Aufopferung der philosophischen. Seinem Ideale auch da noch getreu zu bleiben, wo dessen Darstellung an Karrikatur gränzt, ist eine schätzbare Kühnheit, ohne die besonders der Dichter die Wirkung des Erhabenen in leidenschaftlichen Schilderungen nie [70] zu erreichen vermag. Einseitigkeit und Uebertreibung im Urtheilen, und Ausschweifung im Handeln ist der Charakter der Leidenschaft. Wo dieser in wirkliche Karrikatur übergeht, ist er kein Gegenstand der Kunst mehr. Aber diesen Punkt genau zu unterscheiden ist eben der Vorzug des wahren Genies. Der große Mann scheint nur zu wagen. Er kennt die Gefahr, aber zugleich ahndet er seine Ueberlegenheit.

Eine solche Kühnheit der Darstellung bei dem Dichter und der Toleranz bei dem Publikum ist mit der feinsten Ausbildung vereinbar, und aus dieser Verbindung entsteht ein gewisser heroischer Geschmack, der einen hohen Grad von Gehalt bei einem Volke voraussetzt. Vergleicht man in diesem Punkte den Deutschen und Engländer mit dem Franzosen, so zeigt sich ein merklicher Unterschied. Und wohl uns, wenn wir den männlichen Charakter in unserm Kunstgefühle behaupten! Der französische Künstler glänzt in der Gattung, wo es auf Feinheit ankommt, aber in allen übrigen verfolgt ihn eine gewisse entnervende Aengstlichkeit, die wir ihm nicht zu beneiden Ursache haben. Diese Aengstlichkeit entsteht zwar eigentlich mehr aus einer Uebertreibung des Gefühls für conventionellen Wohlstand. Aber es gibt nur eine ähnliche Uebertreibung des moralischen Gefühls, die uns hindert, menschliche Größe und Kraft auch in ihrer Verwilderung zu erkennen, und das Gold aus den Schlacken heraus zu finden.

[71] Indessen kann auch diejenige Toleranz, die aus Empfänglichkeit für Begeisterung entsteht, gemißbraucht werden, wenn ein gewisses Streben nach Paradoxie sich ausbreitet, das eigentlich ein Behelf des kleinen Talents ist, und wozu sich der große Künstler nur aus Bequemlichkeit herabläßt. Er bedarf des Kunstgriffs nicht, seine Wirkung durch prahlende Contraste zu verstärken, und auf diese Manier sich einzuschränken, wäre bei ihm eine Art von Erschlaffung. Der höchste Triumph der Kunst ist: Größe mit Grazie vereinigt, und wer dieses Ziel zu erreichen bestimmt war, versündigt sich an sich selbst, wenn er aus einer Art von Trägheit auf einer niedrigern Stufe stehen bleibt.

K.