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Fangen von lebenden Geschöpfen eingerichtet. Was die Functionen der verschiedenen Theile betrifft, so kann wenig Zweifel sein, dasz die langen gegliederten Haare sensitiv sind, wie die der Dionaea, und dasz sie, wenn sie berührt werden, verursachen, dasz sich die Lappen schlieszen. Dasz die Drüsen eine wahre verdauende Flüssigkeit absondern, und später die verdaute Substanz aufsaugen, ist sehr wahrscheinlich, einmal nach der Analogie der Dionaea, – dann weil die durchsichtige Flüssigkeit in ihren Zellen in sphärische Massen zusammengeballt wird, nachdem sie einen Aufgusz von rohem Fleisch aufgesaugt hatten, – ferner, weil die Zellen des Blattes, welches lange Zeit einen Käfer eingeschlossen hatte, sich in einem undurchsichtigen und körnigen Zustand befanden, – und endlich, weil die Integumente dieses Insects, eben sowohl wie die der Kruster (wie Cohn beschrieben hat) welche lange gefangen gewesen sind, so rein waren. Ferner ist es nach der Wirkung, welche ein Eintauchen von 24 Stunden in eine Lösung von Harnstoff auf die viertheiligen Fortsätze hervorbrachte, – nach der Anwesenheit von brauner körniger Substanz in den viertheiligen Fortsätzen des Blattes, worin der Käfer gefangen worden war, – und nach der Analogie der Utricularia – wahrscheinlich, dasz diese Fortsätze excrementitielle und zerfallende thierische Substanz aufsaugen. Es ist ein noch merkwürdigerer Fall, dasz die Spitzen auf den eingebogenen Rändern augenscheinlich dazu dienen, zerfallene thierische Substanz in derselben Weise wie die viertheiligen Fortsätze aufzusaugen. Wir können hier noch die Bedeutung der eingebogenen Ränder der Lappen, die mit zarten nach innen gerichteten Spitzen versehen sind, und der breiten flachen äuszeren Theile, welche viertheilige Fortsätze tragen, verstehen; denn diese Flächen müssen dem ausgesetzt sein, von faulem Wasser benetzt zu werden, welches von der Concavität des Blattes abflieszt, wenn es todte Thiere enthält. Dieses würde aus verschiedenen Ursachen erfolgen: – wegen der allmählichen Contraction der Concavität, – weil Flüssigkeit im Übermasz abgesondert wird, – und wegen der Entstehung von Luftblasen. Mehr Beobachtungen sind über diesen Punkt nöthig, aber wenn diese Ansicht richtig ist, so haben wir den merkwürdigen Fall, dasz verschiedene Theile eines und desselben Blattes sehr verschiedenen Zwecken dienen, – der eine Theil zu wahrer Verdauung, und ein andrer zur Aufsaugung zerfallener thierischer Substanz.

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 298. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_298.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)