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wird, scheint der Procesz von genau derselben Natur zu sein. Die protoplasmatische Flüssigkeit musz sich daher in einem eigenthümlich unstäten Zustand befinden, um durch solche unbedeutende und verschiedenartige Ursachen beeinfluszt zu werden. Physiologen glauben, dasz, wenn ein Nerv berührt wird und er einen Einflusz andern Theilen des Nervensystems übermittelt, eine moleculare Veränderung in ihm angeregt wird, auch wenn sie uns nicht sichtbar ist. Es ist daher ein sehr interessantes Schauspiel, die Wirkungen des Druckes eines Stückchens Haar auf die Zellen einer Drüse zu beobachten, welches nur 1/78700 Gran wiegt und groszentheils von der dichten Absonderung der Drüse getragen wird; denn dieser ganz auszerordentlich unbedeutende Druck verursacht bald eine sichtbare Veränderung in dem Protoplasma, welche Veränderung die ganze Länge des Tentakels hinab geleitet wird, demselben endlich ein geflecktes Ansehen gebend, was selbst für das blosze Auge zu unterscheiden ist.

Im vierten Capitel wurde gezeigt, dasz Blätter, welche für eine kurze Zeit in Wasser von einer Temperatur von 43,3° C. (110° F.) gelegt werden, etwas eingebogen werden; sie werden dadurch für die Einwirkung von Fleisch empfindlicher gemacht als sie vorher waren. Werden sie einer Temperatur von zwischen 46,1° und 51,6° C. (115° und 125° F.) ausgesetzt, so werden sie schnell eingebogen und ihr Protoplasma ballt sich zusammen; werden sie später in kaltes Wasser gelegt, so breiten sie sich wieder aus. Werden sie 54,40°C. (130°F.) ausgesetzt, so tritt keine sofortige Einbiegung ein, sondern die Blätter werden nur zeitweilig paralysirt; denn wenn sie in kaltem Wasser gelassen werden, werden sie häufig noch eingebogen und breiten sich später wieder aus. Bei einem in dieser Weise behandelten Blatte sah ich deutlich das Protoplasma in Bewegung. Bei andern in der nämlichen Weise behandelten und dann in eine Lösung von kohlensaurem Ammoniak eingetauchten Blättern erfolgte starke Zusammenballung. Wurden Blätter, nachdem sie einer so hohen Temperatur wie 62,7° C. (145° F.) ausgesetzt worden waren, in kaltes Wasser gelegt, so wurden sie zuweilen unbedeutend, wenn auch langsam, eingebogen; und später wurde der Inhalt ihrer Zellen durch kohlensaures Ammoniak stark zusammengeballt. Es ist aber die Dauer der Einbuchung ein wichtiges Element; denn werden sie so lange in Wasser von 62,7° C. (145° F.) oder nur von 60° C. (140° F.) gelassen, bis es abgekühlt ist, so werden sie getödtet und der Inhalt der Drüsen

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_242.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)