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habender Tentakeln, zusammen mit ihren Drüsen. Viele Experimente wurden angestellt, um zu ermitteln ob die Rückseite der Blätter in irgend welcher Weise gereizt werden könne; es wurden sieben und dreiszig Blätter dabei versucht. Einige wurden lange Zeit hindurch mit einer stumpfen Nadel gerieben; auf andere wurden Tropfen von Milch und andern reizenden Flüssigkeiten, rohes Fleisch, zerdrückte Fliegen und verschiedene andere Substanzen gebracht. Diese Substanzen wurden gern bald trocken, zum Beweise, dasz keine Absonderung angeregt worden war. Ich feuchtete sie daher mit Speichel, mit Ammoniaklösungen, schwacher Salzsäure und häufig mit dem Secrete aus den Drüsen anderer Blätter an. Ich hielt auch einige Blätter, auf deren Rückseite reizende Gegenstände gebracht worden waren, unter einer feuchten Glasglocke; aber bei aller meiner Sorgfalt sah ich doch niemals irgend eine wahre Bewegung. Ich wurde dadurch dazu geführt, so viele Versuche zu machen, weil, im Gegensatz zu meinen früheren Erfahrungen, Nitschke angibt [1], dasz er, nachdem er Gegenstände mit Hülfe der klebrigen Absonderung an der Rückseite der Blätter befestigt habe, wiederholt die Tentakeln (und in einem Falle sogar die Blattscheibe) zurückgebogen gesehen habe. Wenn diese Bewegung eine wirkliche gewesen ist, würde sie eine äuszerst anomale sein; denn sie setzt voraus, dasz die Tentakeln einen motorischen Impuls von einer unnatürlichen Quelle her erhalten und das Vermögen haben, sich in einer Richtung zu biegen, welche zu der ihnen sonst gewohnten genau die umgekehrte ist; dies Vermögen wäre übrigens für die Pflanze auch nicht von dem mindesten Nutzen, da Insecten nicht an der glatten Rückseite der Blätter kleben bleiben können.

Ich habe gesagt, dasz in den oben erwähnten Fällen keine Wirkung hervorgebracht worden sei; dies ist aber nicht ganz streng richtig; denn in drei Fällen wurden zu den Stückchen rohen Fleisches auf der Rückseite der Blätter, um sie eine Zeit lang feucht zu erhalten, ein wenig Syrup hinzugefügt; und nach 36 Stunden war eine Spur von Zurückbiegen in den Tentakeln eines Blattes und sicher auch in der Scheibe eines andern vorhanden. Nach zwölf weiteren Stunden fiengen die Drüsen an zu trocknen, und alle drei Blätter schienen bedeutend verletzt zu sein. Es wurden dann vier Blätter

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_210.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)

  1. Botanische Zeitung, 1860, p. 437.