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gesehen, dasz eine Abkochung von Kohlblättern eine äuszerst kräftige Einbiegung bewirkt. Ich brachte daher zwei kleine viereckige Stückchen der Scheibe eines Kohlblattes und vier kleine aus der mittleren Blattrippe ausgeschnittene Würfelchen auf sechs Blätter von Drosera. Dieselben wurden in 12 Stunden ordentlich eingebogen und blieben so zwischen zwei und vier Tage lang, wobei die Stückchen Kohl die ganze Zeit von dem sauren Secrete umspült wurden. Dies beweist, dasz etwas reizende Substanz, auf welche ich sofort zurückkommen werde, absorbirt worden ist; aber die Kanten der viereckigen Stückchen und Würfel blieben so scharf wie je, damit beweisend, dasz das Cellulosen-Gerüst nicht angegriffen worden war. Kleine viereckige Stückchen von Spinatblättern wurden mit demselben Resultate versucht; die Drüsen ergossen eine mäszige Quantität sauren Secrets und die Tentakeln blieben drei Tage lang eingebogen. Wir haben auch gesehen, dasz die zarten Hüllen der Pollenkörner von dem Secrete nicht aufgelöst werden. Es ist allgemein bekannt, dasz der Magensaft der Thiere Cellulose nicht angreift.

Chlorophyll. – Ich probirte diese Substanz, da sie Stickstoff enthält. Dr. Moore schickte mir etwas in Alcohol aufbewahrtes; es wurde getrocknet, zerflosz aber bald. Stückchen wurden auf vier Blätter gelegt; nach 3 Stunden war das Secret sauer; nach 8 Stunden war ein netter Ansatz zur Einbiegung da, welche in 24 Stunden ziemlich gut ausgesprochen war. Nach vier Tagen fiengen zwei Blätter sich wieder zu öffnen an und die andern beiden waren zu dieser Zeit beinahe vollständig wieder ausgebreitet. Es ist daher klar, dasz dieses Chlorophyll Substanz enthielt, welche die Blätter in einem mäszigen Grade reizte; aber nach dem Augenschein zu urtheilen, war nur wenig oder gar nichts aufgelöst; im reinen Zustande würde es daher wahrscheinlich vom Secrete nicht angegriffen worden sein. Dr. Sanderson stellte mit dem Chlorophyll, welches ich angewendet hatte, ebenso mit etwas frisch präparirtem Versuche in künstlicher Verdauungsflüssigkeit an und fand, dasz es nicht verdaut wurde. Dr. Lauder Brunton probirte gleichfalls etwas, was nach dem in der britischen Pharmacopöe angegebenen Processe dargestellt worden war, und setzte es fünf Tage lang bei einer Temperatur von 37° C. verdauender Flüssigkeit aus; es verminderte sich nicht an Umfang, obschon die Flüssigkeit eine bedeutend bräunliche Färbung annahm. Es wurde auch mit Glycerinextract des Pancreas probirt, aber gleichfalls mit negativem Erfolg. Chlorophyll scheint auch von den Darmabsonderungen verschiedener Thiere nicht angegriffen zu werden, wenn man nach der Farbe ihrer Excremente urtheilt.

Es darf nach diesen Thatsachen nicht etwa angenommen werden, dasz die Chlorophyll-Körner, wie sie in lebenden Pflanzen existiren, von dem Secrete gar nicht angegriffen werden können; denn diese Körner bestehen aus Protoplasma, welches nur mit Chlorophyll gefärbt ist. Mein Sohn Francis legte ein dünnes Schnittchen eines Spinatblattes, welches mit Speichel angefeuchtet war, auf ein Blatt der Drosera, andere Schnittchen auf feuchte Watte und setzte sie sämmtlich der nämlichen Temperatur aus. Nach 19 Stunden war das Schnittchen auf dem Drosera-Blatte in reichliches, von den einzelnen Tentakeln ausgehendes Secret eingetaucht; es wurde nun unter dem Mikroskope untersucht. Es waren keine vollkommenen

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)