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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 98. 7 April 1828.

Die Republik Mexico[1].


Als wir kürzlich in diesen Blättern eine Notiz über den inneren Zustand von Mexico mittheilten[2], schienen die Ereignisse noch weit entfernt, die gerade um jene Zeit, nämlich in den letzten acht Tagen des verflossenen und in den ersten des gegenwärtigen Jahres – die Existenz der Republik bedrohten. Wie in den Vereinigten Staaten von Nordamerika die Parteien der Democraten und Föderalisten,[3] so standen in Mexico sich die Yorkinos und Escoceres gegenüber, von denen die ersteren, entschiedene Republikaner, den Präsidenten Guadelupe Vitoria, die letzteren – zum Theil dem Interesse des Mutterlandes, oder wenigstens der Erhaltung der alten hierarchischen und aristocratischen Elemente nicht abgeneigt – den Vicepräsidenten des Congresses, Bravo, zu ihrer Partei zählten. Vergebens erschöpften die Escoceres, der natürlichen Ordnung der Dinge nach im Nachtheil – da sie still stehen wollten, während alles um sie her rasch und rüstig vorwärts drängte – alle Mittel, die ihnen der Aberglaube und die Unwissenheit des Volkes darboten, um ihre Gegner bei demselben als Feinde der Ruhe und der Religion verdächtig zu machen, selbst der verabscheute Name der Freimaurer, den sie denselben beilegten, verlor seine magische Kraft; und schon stand der Congreß im Begriff, die Vertreibung aller Spanier von dem Gebiete der Republik zu beschließen, – eine Maßregel, welche den Streit zwischen den Freunden des Alten und des Neuen mit einem Schlage entscheiden mußte. Unter diesen Umständen blieb den Escoceres nicht anderes übrig, als ihr Spiel verloren zu geben, oder einen letzten Streich der Verzweiflung zu wagen. Sie wählten das letztere und griffen, ohne Rücksicht auf die Unwahrscheinlichkeit des Erfolgs, zu den Waffen.

Ein Obristlieutenant Montano erhob zuerst zu Otumba, einer Provincialstadt in der Nähe von Mexico, die Standarte der Empörung, indem er eine Proclamation erließ, in welcher an das Gouvernement folgende Forderungen gestellt waren:

„1 Artikel. Die Bundesregierung soll dem Congreß der Union ein Gesetz vorlegen zur Unterdrückung aller geheimen Gesellschaften, welchen Namen und Ursprung sie auch haben mögen.“

„2 Art. Die Regierung muß nothwendig ihre Ministerien anders besetzen, und diese Stellen an Männer von anerkannter Redlichkeit, von Tugend und Verdienst vergeben.“

„3 Art. Sie muß ohne Zeitverlust dem Gesandten der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika seine Pässe zustellen.“

„4 Art. Sie muß unsere Constitution und die jetzt bestehenden Gesetze in Kraft erhalten und beobachten.“

  Otumba, 23 Dec. 1827.

Nur wenige Leichtgläubige und Bethörte, meist Altspanier, sammelten sich. Bei der Annäherung der Truppen, welche die Regierung, auf die erste Nachricht von dem Ausbruche der Empörung, unter dem Commando des Generals Guerrero, gegen sie aussandte, sahen sich die Mißvergnügten genöthigt, Otumba, wo die Masse des Volkes gleichgültig und theilnahmslos geblieben war, zu räumen. Indessen hatten, wenige Tage nach dem Abmarsch Guerreros, mehrere Offiziere, die als heftige Escoceres bekannt waren, Mexico verlassen, um sich mit Montano zu vereinigen. Groß wurde die Bestürzung, als, am 31sten December, diesen auch der Vicepräsident, Nicolo Bravo, folgte, indem man unmöglich annehmen konnte, daß ein Mann, der sich in dem Unabhängigkeitskriege so große Verdienste um die Republik erworben hatte, sich in eine hoffnungslose Unternehmung einlassen würde. Ohne Zweifel war Bravo durch voreilige Berichte von seinen Anhängern getäuscht worden; erst, nachdem er fünf oder sechs Tage ohne alle Begleiter umher geirrt, gelang es ihm, Montano zu erreichen, dessen Corps inzwischen durch Desertion auf ungefähr 150 Mann geschmolzen war. Sie zogen sich hierauf nach Tulancingo, einem kleinen Ort, etwa 25 Stunden N. O. von Mexico, auf der Straße nach Tampico, zurück, wo sie sich zu verschanzen anfingen. Guerrero, der ihnen auf dem Fuße gefolgt war, umringte sie, und nach schwachem Widerstand waren sie gezwungen, die Waffen zu strecken. Bravo selbst, vier Obersten, von denen einer – Correa – gefährlich verwundet, sieben Obristlieutenants und vierzehn Capitäns wurden gefangen; und der Congreß befahl der großen Jury, sie als Verräther des Vaterlandes in Anklagezustand zu stellen.

  1. Nach Auszügen in den englischen Journalen aus den neuesten nordamerikanischen und mexicanischen Blättern: El Sol und El Correo de la Confederacion Mexícana (bis zum 13ten Jan.), Commercial Advertiser (von New-York, 27ten Febr.) Baltimore American and Philadelphia National Gazette.
  2. S. Ausland, Nr. 36 vom 5ten Febr. S. 144.
  3. S. Ausland, Nr. 46, S. 186. folg.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_407.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)